Bündnis fordert langfristige Maßnahmen für die Antriebs- und Mobilitätswende

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 4 min

Das Bündnis sozialverträgliche Mobilitätswende bezeichnet die Situation in der deutschen Automobilindustrie als „alarmierend“, wie einer aktuellen Mitteilung zu entnehmen ist. Viele Unternehmen – Hersteller wie auch Zulieferer – kündigen nach teils sehr erfolgreichen Jahren mit Rekordgewinnen wegen aktueller Probleme im Wettbewerb Personalabbau und Standortschließungen an. Fehlgeleitete unternehmerische Entscheidungen und eine verschleppte Transformation zur Elektromobilität dürften jetzt nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden. Dies gefährde auch die Akzeptanz für die dringend notwendige Mobilitätswende, so das Bündnis, das aus gut einem Dutzend renommierten Verbänden und Gewerkschaften besteht.

Eine sozialverträgliche Mobilitätswende brauche auch eine zukunftsgerichtete deutsche Automobilindustrie. Gleichzeitig sei eine gute Zukunft für die Industrie nur mit einem ökologischen Umbau möglich. Die Transformation industrieller Arbeit und Wertschöpfung könne nur erfolgreich sein, wenn die Politik einen klaren Rahmen setzt und gemeinsam mit den Unternehmen den Wandel aktiv gestaltet. Das Bündnis sozialverträgliche Mobilitätswende sieht dringenden Handlungsbedarf und stellt drei Forderungen auf:

1. Unternehmen müssen Modellpolitik anpassen und Standorte erhalten

Es wurde versäumt, erschwingliche und ressourcensparende Elektroautos auf den Markt zu bringen, so das Bündnis. Durch diese verfehlte Modellpolitik der Unternehmen bleiben die Absatzzahlen hinter den Erwartungen zurück, Standorte sind nicht ausgelastet. Besonders die deutschen und die in Deutschland produzierenden Hersteller müssten dieses Marktsegment gegen die asiatische Konkurrenz behaupten. Das sei eine Investition in ihre Zukunft. Insbesondere kleinere und für alle Einkommensschichten erschwingliche Fahrzeugmodelle müssen in Europa produziert werden.

Teilweise werden Standorte hierzulande geschlossen und Werke im Ausland neu aufgebaut, wo geringere Umwelt- und Sozialstandards gelten sowie niedrigere Steuern und Löhne gezahlt werden. Das Bündnis spricht sich ausdrücklich gegen ein solches Vorgehen aus. Es gefährde massiv den Rückhalt in Bevölkerung und Belegschaften für die dringend notwendige Transformation und verlagere Probleme, statt sie zu lösen.

2. Politik muss kurzfristig unterstützen

Statt immer wieder neu über gesetzte Klimaschutzvorgaben zu diskutieren oder technologische Scheinlösungen wie E-Fuels zu propagieren, müsse die Politik einen verlässlichen Rahmen gewährleisten. Die Industrie brauche Planungssicherheit, worauf zuvor auch schon viele Chefs von Autoherstellern und Zulieferern verwiesen haben. Es brauche klare Wegweiser für den Wandel in der Automobilindustrie, so das Bündnis, die sowohl die Mobilitätswende, bezahlbare Flotten und Klimaschutz beschleunigen, als auch verunsicherten oder enttäuschten Beschäftigten eine Perspektive bieten:

  • Eine stärkere CO2-Orientierung steuerlicher Instrumente im Kfz-Bereich fördere den Verkauf verbrauchs- und emissionsarmer Fahrzeuge. Die staatliche Förderung sollte zudem auch am produktions- und transportbedingten CO2-Fußabdruck ausgerichtet werden.
  • Ein soziales Leasing Programm, wie es zuletzt Wirtschaftsminister Robert Habeck zur Debatte gestellt hat, könne ergänzend zum dringend notwendigen Ausbau des ÖPNV im ländlichen Raum die E-Mobilität für breitere Bevölkerungsschichten zugänglich machen. Eine solche Förderung sollte, ähnlich dem Beispiel Frankreichs, an sozialen und ökologischen Kriterien ausgerichtet werden, ohne auf Erwerbstätige beschränkt zu sein, so das Bündnis. Zudem sollte sie nur für Elektroautos gewährt werden, die in Europa hergestellt werden. Parallel dazu sei die Wiederaufnahme von weiteren und ergänzenden Förderprogrammen sinnvoll, etwa für den Kauf von E-Autos für soziale Einrichtungen und Dienste oder zum Kauf von E-Bussen.
  • Ein neues Programm für eine flächendeckende Ladeinfrastruktur: Der Aufbau der Ladeinfrastruktur müsse besonders in ländlichen Regionen sowie für Haushalte mit geringem Einkommen unterstützt werden, sodass weite Teile der Bevölkerung vom Antriebswechsel profitieren. Es brauche zwingend verbindliche Vorgaben für den barrierefreien Auf- und Ausbau der Ladeinfrastruktur sowie einfachere Genehmigungsprozesse.

3. Zentrale politische Aufgaben für die nächste Legislatur

Für mehr Sicherheit und langfristige, positive Perspektiven für die Automobilindustrie und die zahlreichen Beschäftigten sollte die neue Bundesregierung die folgende Agenda prioritär verfolgen, wie das Bündnis mitteilt:

  • Neue Wertschöpfung und Beschäftigung ermöglichen: Durch aktive Industriepolitik zur Ansiedlung neuer Schlüsselbereiche, Transformationsfonds für kleine und mittelständische Unternehmen sowie den Erhalt von Standorten sollten betroffene Regionen und die Zulieferindustrie bei der Transformation unterstützt werden.
  • Weiterbildung intensivieren: Vorhandene Instrumente sollten aktiv eingesetzt und Möglichkeiten zur Qualifizierung stetig weiterentwickelt werden. Das Ziel müsse eine nahtlose Beschäftigung mit vollem Rentenanspruch sein.

Die notwendige Transformation des Mobilitätssystems könne in ihrer Gesamtheit nur dann gelingen, wenn neben Schlüsselbereichen wie der Finanzierung und dem Ausbau von Schiene und ÖPNV, der Verlagerung von Gütern und der Umgestaltung städtischer Verkehrsräume auch die deutsche Automobilindustrie ihr Potenzial im Bereich nachhaltiger Mobilität ausschöpfe und sich sozial, innovativ und zukunftsgerichtet aufstelle.

Als geeinte Stimme aus Gewerkschaften, Sozial-, Wohlfahrts- und Umweltverbänden sowie der Evangelischen Kirche in Deutschland spricht sich das Bündnis sozialverträgliche Mobilitätswende daher ausdrücklich für eine aktiv gestaltete Transformation der Automobilwirtschaft aus und kritisiert, dass statt der überfälligen Entwicklung zukunftsgerichteter und langfristiger Strategien die Debatte von kurzfristigen Nebelkerzen verzerrt wird.

Das Bündnis sozialverträgliche Mobilitätswende bündelt die Expertise aus Gewerkschaften (IG Metall, Verdi, DGB), Sozial-, Wohlfahrts- und Umweltverbänden (VdK, SoVD, AWO, VCD, BUND, NABU) sowie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), um zusammen die Transformation der Mobilität in Deutschland zu unterstützen. Gemeinsam vertritt das Bündnis viele Millionen Mitglieder und bietet eine Plattform für die Fragestellungen rund um eine soziale und ökologische Mobilitätswende. Das Bündnis wird gefördert und unterstützt durch die Stiftung Mercator.

Quelle: VCD – Pressemitteilung vom 16.12.2024

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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pionierska:

Das ist genau der Punkt. Das Bündnis besteht aus Organisationen von denen keine einzige Wertschöpfung erbringt. Die Forderungen sollen vom Kernproblem der Transformation ablenken: billige und jederzeit verfügbare Energie, die für eine wettbewerbsfähige Produktion (und Wertschöpfung) benötigt wird, aber nicht vorhanden ist.

casimir374:

Genau, wir lassen unsere Infrastruktur verkümmern und fahren demnächst wieder mit Kutschen? Was passiert denn mit den „Schulden“ die der Staat mit Investitionen in ÖPNV, Infrastruktur und Co macht? Davon werden Menschen bezahlt, Stellen erhalten oder es entstehen gerade neue Stellen. Wenn wir weniger im Stau stehen weil Straßen und Brücken heile sind, mehr Züge fahren und dadurch pünktlicher sind? Viele vergessen hier die positiven Effekte, die durch diese Investitionen entstehen.

Marcel Gleißner:

Und wer soll diese ganzen Forderungen am Ende bezahlen? Die kleinen Leute, oder was? Am Ende wird es so kommen, die Mittelschicht und darunter werden am Stärksten belastet mit Steuern und Ideologischen Abgaben(Steuer durch die Hintertür)
Der Artikel sagt im Prinzip, man soll massiv neue Schulden machen oder Steuern/Abgaben erhöhen zu Lasten der Jungen Generation bzw. zu Lasten der jenigen die ohnehin wenig haben. Die Unternehmen zur grünen Ideologie zu zwingen ist Staatswirtschaft/Planwirtschaft. Der Staat greift massiv in die Wirtschaft ein und ist selbst dabei der Schlechteste Unternehmer, siehe Deutsche Bahn, VW.

Robert:

Guter Artikel kann man so unterschreiben was wir brauch ist „Technologieentschlossenheit“ und nicht „Technologieoffenheit“, die nichts anderes ist als Stillstand wohin das uns bis jetzt geführt hat man ja jetzt besonders deutlich in der Autoindustrie und den zulieferen sehen

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