So fährt sich der Nikola Brennstoffzellen-Truck Tre

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Nikola

Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 5 min

Elon Musks Welt ist digital. Das gilt für die Fahrzeuge, genauso wie für seine Meinung. Es gibt nur seine Sicht der Dinge und eben die Falsche. Während der Tesla-Chef  Brennstoffzellen als „Fool Cells“ (deutsch „Doof-Zellen“ / Verballhornung der englischen Bezeichnung Fuel Cells) bezeichnet, setzt Nikola stark auf diese Technologie. Ebenso wie die Bundesstaaten Arizona und Kalifornien, die den Ausbau des Transports per Brennstoffzellen beziehungsweise Wasserstoff forcieren.

Der Chef des in Arizona beheimateten Start-ups Nikola hat für die Musksche Ansage nur ein leichtes Schmunzeln übrig. Für Michael Lohscheller sind Brennstoffzellen-Trucks die nächste große Sache im Transportwesen. Die Gründe sind vielfältig: Zum einen schafft der Nikola Tre FCEV mehr Nutzlast als die elektrische Variante, außerdem ist die Reichweite mit 800 Kilometern um rund 300 Kilometer größer. Und auch das Tanken geht schneller vonstatten, als das bei aktuellen Elektro-Lkws derzeit der Fall ist. Allerdings ist Wasserstoff kein einfach zu handhabender Treibstoff. Dementsprechend komplex und aufwendig ist auch die Tank-Infrastruktur. „Wir müssen uns zunächst auf einzelne Routen konzentrieren“, macht Michael Lohscheller klar. Das gilt auch in Deutschland beziehungsweise Europa, wo der Lkw im kommenden Jahr erscheinen soll.

Nikola Brennstoffzellen-LKW Seitenansicht
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Wir fühlen dem Nikola Tre FCEV auf den Zahn. Wie weit ist das Brennstoffzellen-Vehikel, das nächstes Jahr nach Deutschland kommen soll und sind erst mal überrascht, als wir vor dem Laster stehen. Da ist dieses voluminöse Zischen! „Solange die Zündung an ist, lädt die Brennstoffzelle die Batterien“, erklärt Chefingenieur Christian Appel. Damit der Wasserstoff in der Brennstoffzelle mit Sauerstoff reagieren kann, verdichtet ein 20-kW-Kompressor die Luft mit wahnwitzigen mehr als 100.000 Umdrehungen pro Minute. Irgendwie beruhigend, dass bei der ganzen Hightech auch ein Stück klassischer Automobiltechnik an Bord ist.

Doch dabei bleibt es nicht, das Prinzip des Brennstoffzellen-Lkws erinnert an das eines Hybrid-Pkws. Denn statt neun Batteriemodulen mit insgesamt 738 Kilowattstunden in der Europa-Version des vollelektrischen Tre BEV Trucks, sind im Nikola Tre FCEV lediglich zwei Pakete mit einer Kapazität von jeweils 82 kWh, also insgesamt 164 Kilowattstunden.

Wie bei einem Hybrid-Fahrzeug ergänzen sich die beiden Kraftspeicher mit der Brennstoffzelle, um den 40-Tonner möglichst effizient und für die Komponenten schonend voranzubringen. „Die Brennstoffzelle mag keine allzu dynamischen Lastwechsel. Deswegen nutzen wir die Batterie, wenn schnell mehr Leistung abgerufen wird“, erklärt Christian Appel. Der 35-jährige Techniker ist von Bosch, wo er schon für höhere Aufgaben vorgesehen war, nach Arizona gewechselt. Auf die Frage, warum man den beruhigenden Schoß eines großen Zulieferers für ein Start-up-Unternehmen verlässt, hat der Mann mit der leicht alemannischen Sprachfärbung eine kurze, aber entwaffnende Antwort: „Den Brennstoffzellen-Truck in die Produktion zu bringen, ist das Coolste, was ich in meinem Leben bisher gemacht habe!“

Nikola

Herausforderungen gibt es in der Tat. Das Zusammenspiel zwischen der sensiblen Brennstoffzelle, die 200 kW / 272 PS generiert, und den Batterien perfekt abzustimmen, ist alles andere als einfach. Grob vereinfacht ist die Brennstoffzelle für die Langstrecke gedacht und die Batterien für die dynamischen Einsätze sowie als Speicher für die Rekuperation. Dazu kommen noch weitere Feinheiten: Die elektrische Achse hat eine Leistung von 400 kW / 544 PS statt 480 kW / 653 PS beim BEV-Truck. Mit der Kombination aus Akkus und fünf Wasserstofftanks mit insgesamt circa 70 Kilogramm Inhalt soll der Brennstoffzellen-Truck maximal rund 500 Meilen / 805 km weit kommen.

Jetzt schwingen wir uns hinter das Steuer des riesigen Gefährts. Die Kabel, die quer durch die Kabine laufen und in Messgeräten enden, zeigen, dass es sich um einen von 17 Prototypen der Beta-Serie handelt. Die vorletzte Versuchsreihe, bevor der Laster in die Serienproduktion geht und Ende des Jahres in den USA auf den Markt kommt. Das Cockpit des Nikola Tre FCEV gleicht dem des reinelektrischen Bruders, wie ein EI dem anderen. Nur, dass manche Anzeigen die Temperatur und die Leistungsabgabe der Brennstoffzelle anzeigen. Das Lenkrad ist mit einem Fußdruck auf einen Knopf am Boden schnell eingestellt, wir thronen in einem bequemen Fahrersitz. Auch das ist ein Unterschied zu vielen US-Kilometerfressern, bei denen das Gestühl nicht derart kommod ist.

Fahrerkabine des Nikola Tre FCEV
Nikola

Wir simulieren einen Beschleunigungsvorgang, als ob wir uns in den Verkehr einfädeln wollen. Das Power-Defizit zum rein elektrischen Nikola Truck ist marginal. Auch mit dem Gewicht des beladenen Anhängers kommt die Brennstoffzellen-Sattelmaschine prächtig klar, wie wir während einer vorherigen Tour feststellen konnten. Jetzt geht es um die Kurve, kein Problem, der Truck meistert auch diese Herausforderung unaufgeregt, genauso wie den folgenden Slalom, was bei dem Entwicklungsstand des Vehikels schon eine Ansage ist. Auch das eben beschriebene Zusammenspiel zwischen den Antriebskomponenten läuft unauffällig ab, was genauso sein sollte. Nur beim Aussteigen hören wir wieder das Zischen. Nur diesmal ist es kürzer. „Klar, weil die Maschine aus ist. Das ist das Zischen der Luft beim Trocknen der Brennstoffzelle“, klärt uns Christian Appel auf.

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.
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Wolfbrecht Gösebert:

Zusätzliche LKW-E-Lade-Parkplätze bauen? Auf welchen Flächen?

Das ist ja einfach: Auf Flächen neben der Autobahn!

Wolfbrecht Gösebert:

@ Volta:

„Wir brauchen diese Technik, da können wir lange über die Wirtschaftlichkeit debattieren, die ganz sicher im Speditionsgewerbe ein Zwang ist.“

Soll also heißen:

Nur wenn sich die H2-LKWs mit ihrer sensiblen Brennstoffzelle (Artikel!) als wirtschaftlich ggü. BEV erweisen (TCO mit Wartung/Reparatur!), werden sie Erfolg haben!

Dran bestehen allerdings (aus guten Gründen) erhebliche Zweifel!

Jochen Meyn:

Super Artikel, danke für die aufgezeigten Aspekte. Die deutschen Autobahn-LKW-Parkplätze quellen viel zu oft über und sind zugestellt. Unabhängig von der Tags- und Wochenzeit. Wer soll da wo laden? Zusätzliche LKW-E-Lade-Parkplätze bauen? Auf welchern Flächen???

rabo:

So ist es!

Volta:

Wir brauchen diese Technik, da können wir lange über die Wirtschaftlichkeit debattieren, die ganz sicher im Speditionsgewerbe ein Zwang ist. Am Ende entscheidet der Markt, ob und wo sich die Brennstoffzelle etabliert aber es gibt Bereiche für diese Technik und wir brauchen hier eine Alternative zum Verbrenner. Auch wenn der Wirkungsgrad schlechter ist als beim BEV, besser als jeder Verbrenner ist dieser immer und hat noch viel Potential. Jeder der schon einmal eine Brennstoffzelle in Aktion erfahren hat, der sieht ihre Kraft. Gerade die Hochdruck – Brennstoffzellen, wie im Nicola, Mirai, Caetano und Kangoo sind sehr beeindruckend. Dieser Typ Brennstoffzelle ist auch dynamisch regelbar und fuer Fahrzeuge bestens geeignet. Nur elektrische Fahrzeuge wird uns nicht reichen.

Jakob Sperling:

Ich finde das nicht sehr spannend.

Das Unternehmen, das 2-3 Jahre hinter den ursprünglichen Ankündigungen liegt oder das Unternehmen, das 5-6 Jahre hinter den ursprünglichen Ankündigungen liegt.

Nach irgendwelchen vernünftigen Standards wird der Tesla Semi näher bei 500 km als bei 800 km Reichweite liegen. Wer E.M. etwas glaubt, ist selber schuld.

Das H2-System ist viele Tonnen leichter als eine entsprechende Batterie.
Aus den 70 kg Wasserstoff lassen sich etwa 1’500 kWh ziehen (plus Wärme im Winter).

Jakob Sperling:

Übrigens: Ein FCEV-Truck ist genauso ein E-Truck wie ein BEV-Truck.
Bei beiden ist der Antrieb genau gleich elektrisch und die Energiebereitstellung elektro-chemisch.

Marc:

Das wirklich gut bei Nikola ist, Sie haben beide Techniken. Und das Grundfahrzeug ist dasselbe. Das bedeutet, sie sind variabel und können auf den Markt reagieren. Genau genommen haben sie sogar drei Techniken, denn auch die elektrische Variante beruht auf dem Iveco S-Way, einem Verbrenner. Daher können Großkunden behutsam einflotten. Sie können in ihren bestehenden Verträgen prüfen, für welche Routen sich schon elektrische Fahrzeuge einsetzen wollen. Wenn das doch zu ambitioniert war, kann man wieder auf einen Verbrenner zurückfallen. Und, ja jetzt haben sie auch die Brennstoffzellen Option.

Das ist auch eines der Unglücke von Tesla. Nicht nur, dass sie die Vereinigung der unabhängigen LKW-Fahrer in den USA gegen sich haben, auch Großkunden haben keinen Fallback, falls die vollmundigen Versprechen in der Praxis doch nicht eintreffen. Wäre man also mit seinem Großkundenvertrag als Logistikunternehmen aktuell bei Iveco, wo man drei Wege anbietet, dann wäre man doch verrückt, auch nur mit einem Teil zu Tesla zu wechseln. Denn selbst wenn 10 % des Transportvolumens gefährdet sind, ist das für ein Unternehmen eine Riesenkatastrophe. Und selbst wenn man da etwas spart, alleine zwei Anbieter zu führen, kostet schon wieder zusätzliches Geld.

MMM:

Die Tesla-Zahlen müssen noch in Tests bestätigt werden, da die Ausschmückung der eigenen Leistungen bei Tesla ja bekannt ist. Natürlich muss auch die Reichweite dieses H2-Trucks noch bestätigt werden.
Insgesamt bin ich näher beim E-Truck, aber es gibt einige Hürden zu nehmen – für beide.
In der Theorie klingt es ja toll, einen E-Truck in der Mittagspause mit „Megachargern“ wieder auf 80% zu bringen – aber den muss man erstmal haben. Und nach Feierabend muss das Ding dann wieder an den Lader – wegen der Parkdauer reicht meistens was mit 150 kW oder weniger, aber den muss man haben..
Und da stellen sich regional ganz unterschiedliche Herausforderungen:
in Texas wird es z.B. kein Problem sein, nachts am Truckstop 20 oder 50 E-Trucks so zu parken, dass sie laden können. Aber wer das texanische Stromnetz kennt, weiß: verlässlich ist das nicht. Wer dort zur falschen Zeit ankommt, vielleicht vielleicht so schnell nicht mehr weg.
Und wenn ich mir irgendwo im Nirgendwo in Texas oder Arizona vorstelle, mal eben 20 Schnelllader á 150 kW = 3 MW zu betreiben, dann frage ich mich schon, ob die Netzbetreiber von den Plänen wissen.
In Deutschland ist es umgekehrt: da kann man relativ gut auf das Mittelspannungsnetz zugreifen und die 20 Ladestationen sind machbar.
Nur wo die hinsollen – das weiß niemand. Dazu muss man sich den Krieg auf den Rasthöfen und drumherum mal ansehen: da wird geparkt, wo immer es geht. Ich habe erst kürzlich noch LKWs gesehen, die standen einfach so auf der Abfahrtspur, noch quasi auf der Autobahn.
Und das ist nur ein Beispiel, es gibt andere.

Wie sollen die denn laden? Mit 500m Verlängerungskabel?

Für die H2-Trucks gibt es natürlich auch wieder Herausforderungen, aber die wären (wenn Geld egal wäre) einfacher zu erledigen, weil man H2 einfacher (nicht einfach, aber einfacher) speichern und schneller tanken kann.
Daher denke ich: im PKW-Verkehr und im regionalen LKW-Verkehr ist das Thema durch, aber im echten Fernverkehr wird man noch etwas brauchen, bis das mit Batterien funktioniert.

der_seb:

Entscheiden wird sich hier, ob die FoolCell zur Anwendung kommt oder die batterieelektrische Variante vor allem auf Basis der Kosten. Also was kostet der Transportkilometer für den Betreiber nach TCO. Und hier wird sich sehr schnell zeigen, ob Nikola seine Nische findet oder es (auch finanziell schafft) in die Großserie zu skalieren, oder ob sie wieder vom markt verschwinden werden.

Rein von den Zahlen die in Aussicht gestellt wurden, kann Tesla’s Semi Nikola’s Tre hier nämlich mehr als das Wasser reichen:
750 kW Antriebs- und Rekuperationsleistung,
800 km Reichweite
und nicht ganz 2 kWh/km Verbrauch bei voller Beladung.

Dagegen muss Nikola erstmal anstinken und dann ist noch die Frage nach der Lieferzeit, dem Verkaufspreis und den Kosten für die Tank- bzw. LadeInfrastruktur.

Vermutlich werden Pepsi mit FritoLay eine sehr gute Vorstellung davon haben, wie sich Tesla’s Semi hier bewährt, aber dass das starke Konkurrenz ist, muss man -glaube ich- nicht extra erwähnen.

Zuletzt, es wird spannend, wer seine Versprechungen hier besser einhalten kann:

Das Unternehmen, was 3 Jahre hinter der ursprünglichen Ankündigung liegt (es wahr allerdings auch Corona&Co) oder das unternehmen, welches einen Truck den Berg hat runterrollen lassen und dabei so getan hat, als würde der von selber fahren.

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