Elektrisch ans Ende Europas mit dem Mini Countryman

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press-inform / Bernhard Filser

Stefan Grundhoff
Stefan Grundhoff
  —  Lesedauer 8 min

Island und seine Westfjorde gehören zu den spektakulärsten Landschaften für Naturliebhaber. Jährlich besuchen tausende von Camping- und Offroadfans die Region mit speziell ausgerüsteten Geländewagen und Touringwohnmobilen. Eine abgefahrene Idee, die Tour von München bis ans vermeintliche Ende der europäischen Welt in einem elektrischen Mini Countryman zu machen.

80 Prozent aller Straßen auf Island sind unbefestigt und auch wenn die Ring Road vor ein paar ein paar Jahren durchgehend asphaltiert wurde, ist eine Tour mit einem normalen Fahrzeug wenig empfehlenswert. Während die meisten Touristen mit weißen Mietwagen vom Dacia Duster 4×4 die Insel bevorzugt asphaltiert erkunden und echte Offroadfans mit Defender, G-Klasse, Patrol oder speziell aufgerüsteten Expeditionsfahrzeugen unterwegs sind, geht es auf große Fahrt mit einem Mini Countryman SE All4 – elektrisch angetrieben und leicht aufgerüstet.

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Da viele Straßen auf Island nicht nur unbefestigt, sondern die Pisten im Gebirge mit Schlamm, Steinen und Geröll übersäht sind, wurde beim Radsatz nachgelegt. Der blaue Countryman mit dem güldenen Dach hat ausgewachsene AT-Geländereifen aufgezogen, auf dem Dach gibt es ein großes Offroadrack mit Platz für ein Ersatzrad sowie Sandplatten und weiteres Werkzeug, wenn es mitten im isländischen Nirgendwo einmal eng werden sollte. Eine elektrische Winde wäre perfekt; doch die lässt sich an der aerodynamisch gestylten Front nicht so einfach nachrüsten und da es Richtung Mittsommer geht, blieben auch die Zusatzscheinwerfer an Front oder Dach daheim – wirklich dunkel dürfte es nachts nicht werden.

Von München bis zur Fähre – mit Dachgepäck gen Norden

Die Abenteuertour beginnt wenig spektakulär in München bei sonnigen 23 Grad Celsius. Das Akkupaket ist prall gefüllt und es geht mit Zwischenstation in Hamburg ins dänische Hirtshals, wo die Fähre nach Sedisfjödur ablegt. Elektroauto mit großem Dachrack und Geländereifen – das kostet Reichweite. Aus den in Aussicht gestellten 400 Kilometern, die das 64 kWh große Batteriepaket im Unterboden – nur vom serienmäßigen Unterfahrschutz gegen spitze Steine und unwegsames Geläuf abgesichert – ermöglichen soll, werden im Gesamtpaket mit den rustikalen Grabber AT-Pneus bei höheren Autobahntempo weniger als 300 Kilometer.

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Doch die Fahrt nach Hamburg läuft so entspannt wie gedacht. Die Windgeräusche des Dachträgers mit Ersatzreifen gehen im Klang des guten Soundsystems schnell unter, das grobe Stollenprofil singt weniger als befürchtet und so zuckelt der Nachwuchs-Offroad mit seinem 230 kW / 313 PS starken Allradantrieb mit assistiertem Fahrprogramm gen Norden.

Die Ladestopps werden durch das vernetzte Navigationssystem exzellent kalkuliert, die Navigationskarte zeigt, wo in welchem Tempo nachgeladen werden kann. Leider lädt der Countryman SE nur mit maximal 130 Kilowatt – an sich nicht viel für eine derartige Langstreckentour, bei dem der Akku nicht allein bis 80 Prozent nachgefüllt werden sollte. Deutsche Städte und Ladesäulen fliegen nur so vorbei, während sich schnell herauskristallisiert, dass der Verbrauch deutlich oberhalb von 140 km/h durch die Umbauten am Fahrzeug in stattliche Höhen oberhalb der isländischen Hügelketten klettert. So sind es bis Hamburg zumeist 120 bis 130 km/h, die der Elektro-Crossover abgesehen von einem kurzen 180-km/h-Zwischenspurt abspult, ehe es auf der A7 südlich von Hamburg zäh wird.

Mit einem solide über 80 Prozent geladenen Countryman SE All4 sind zwischen den Ladestopps an der Autobahn 240 bis 280 Kilometer drin ohne sich in Bedrängnis zu bringen. Mit zunehmender Strecke gewöhnt man sich an die zahllosen Funktionen, die einem der große Rundbildschirm in der Mitte des Armaturenbretts offeriert. Der präsentiert sich gestochen scharf, jedoch gerade in seinen Untermenüs unübersichtlich. Zugegeben tritt die Gewöhnung schnell ein und allein die fehlenden Instrumente stören mehr als die Verstellmöglichkeiten der elektrischen Massagesitze, die für einen solchen Crossover größer sein dürften.

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Nach Zwischenstopps in Hamburg und Hirtshals geht es auf die Fähre Norröna nach Sedisfjödur mit kurzem Zwischenstopp auf den Faröer Inseln – zwei lange Tage mit stattlicher Welle. Beim Einschiffen sorgt der Elektro-Countryman nicht nur wegen seiner Offroad-Optik für Gesprächsstoff. Islandfans aus Geländecampern, umgebauten Feuerwehrmobilen und Hardcore-Defendern interessieren sich für den Crossover, dessen Elektroantrieb die meisten noch mehr irritiert als fehlende Bodenfreiheit, Wassertanks oder Dachzelt. Zwei Tage muss es der Countryman im Bauch der Fähre aushalten und es wird für ihn deutlich angenehmer als für die meisten der mehr als 1500 Passagiere, denn die Windstärken liegen wegen des rauen Wetters zwischen sieben und zehn – mit steten Wellen von sechs bis acht Metern.

Erste Herausforderungen auf isländischem Boden

So ist der Mini nicht der Einzige, der sich freut, in Sedisfjödur wieder das Licht der isländischen Welt zu erblicken – bei leichtem Schneefall, minus einem Grad Celsius und düsteren Wolken. So zeigt sich auf den ersten Kilometern der Straße 93 und dann Richtung Nordwesten auf der leeren Road 1 schnell, dass die Reichweite unter diesen Wetterbedingungen deutlich schneller sinkt als bisher. Auf der zunehmend leerer werdenden Ring Road vorbei am Rjukanda Wasserfall und Grimsstadir gibt es an sich genügend Ladesäulen, wie Bordelektronik und Smartphones gleichlautend verheißen. Doch die Realität sieht anders aus, weil es kalt bleibt und ein strammer Wind von vorn auf den Hochebenen die überschüssige Reichweite von mehr als 70 Kilometer bis zum nächsten Ladestopp in Minuten sacken lässt, ehe der Hypercharger mit seinen 150 kW nach Information der digitalen Restreichweite nicht mehr zu erreichen ist.

Also Verbraucher aus, Kriechmodus an und mit 70, 60 und schließlich 50 km/h Richtung Lavafeld Dimmuborgir und dem nahegelegenen Hallenbad, das sechs Kilometer vor dem geplanten Schnelllader einen kurzen Energieschub bringen soll. Erreicht mit einer Restreichweite von knapp fünf Kilometer – auf die Anzeigen des Minis kann man sich verlassen. Schnell zehn Minuten mit knapp 20 kW laden und dann an den heißen Quellen, Touristen und Campern vorbei zum Hypercharger, der den Countryman wie gewünscht erstarken lässt, während exzellente Fish & Chips für Kurzweil bei den Insassen sorgen.

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Ein großer Wurf sind die AT-Reifen, die nicht allein auf der Langstrecke mit hohem Alltagsnutzen gefallen, sondern auch hier auf Island bei Eis, Regen und unbefestigten Pisten eine ausgezeichnete Figur machen. Die zähere Zuckelei im Kriechmodus ist vorbei und es geht im flotten Galopp bei besser werdendem Wetter weiter Richtung Westen. Die ohnehin sehenswerten Landschaften aus Lavagestein werden immer sehenswerter, die Somme kommt gegen Abend immer durch und das einzige, was die 750-km-Etappe an diesem Tag trübt, sind die Ladesäulen. Denn mit einer oder zwei einheitlichen Lade-Apps geht auf Island nichts.

Ionity, EnBW oder Aral Pulse – hier sind lokale Anbieter und allen voran On Charging gefragt, denn anders als an den prächtigen 300- und 400-kW-Ladeparks in Dänemark kann nicht an allen Säulen per Kreditkarte bezahlt werden. Günstig ist es ebenfalls nicht – zwischen 0,31 und 0,87 Euro pro Kilowattstunde werden fällig, um den Familien-Mini erstarken zu lassen. Die überschaubare Ladegeschwindigkeit des Kilometerfressers fällt nicht ins Gewicht, weil durch die Ladesäule oftmals bei 50 kW Ladeleistung Schluss ist und es außerhalb von Reykjavik nur selten bis zu 150 kW gibt.

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Nachts um 0.30 h ist das Hotel Flokalundur bei strahlendem Sonnenschein erreicht, bevor der zunehmend verdreckte Countryman morgen früh um 5 Uhr auf die anspruchsvolle Finaletappe der Route 622 geht – eine der anspruchsvollsten Pisten der Westfjorde mit einer besonders spektakulären Geröllpassage am Wasser, die nur bei Ebbe durchfahren werden kann. Hatten einige Abenteuer-Guides bei der Planung der Tour über die Wahl des Gefährts und dessen Offroad-Ausstattung noch verächtlich geschmunzelt, so werden diese am nächsten Tag eines Besseren belehrt. Von Norden kommend, schlägt sich der blaue Mini Countryman SE mit der goldenen Dachmütze viel besser als von allen erwartet. Grüne Wiesen, düsteres Geröll oder enge Pfade mit Klippenüberhängen und Wasserdurchfahrten meistert der Elektro-SUV problemlos bei langsamem Tempo. Hier und da setzt er auf, kratzt an der Grasnarbe, während die Ausblicke auf Meer und steil abfallende Küstenlinie immer spektakulärer werden.

Westfjorde, Wellen und Waffeln – Abenteuer bis zum Abbruch

Bei dem langsamen Offroad-Tempo ist die elektrische Reichweite keinerlei Problem und allein die überschaubare Bodenfreiheit zwingt bisweilen zu Ausweichmanövern. Sollte die gesamte Route 622 mit dem E-Countryman tatsächlich zu bezwingen sein? Nach knapp zwei Stunden Fahrt aus Thingeyri heraus über Stock und Stein die Gewissheit – er schafft es nicht, denn die starken Regenfälle der vergangenen zwei Wochen haben zu einem Murenabgang geführt und die mittlerweile ohnehin ebenso schmale wie anspruchsvolle Piste ist von keinem Fahrzeug mehr zu passieren. Da helfen auch Spaten, Sandbleche und Wagenheber nichts mehr.

Es geht nur wenig enttäuscht auf gleichem Wege wieder zurück und auch der Versuch von Süden möglichst weit auf der R 622 zu kommen, wird kurz vor dem spektakulärsten Strandstück abgebrochen. Auch hier haben Wellen und Wetter alles weggerissen. Zurück ins nette Szenecafé Simbahöllin mit seinen köstlichen Waffeln, bevor es weiter nach Reykjavik und wieder zurückgeht.

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Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff ist Firmeninhaber und Geschäftsführer von press-inform und press-inform consult. Er ist seit frühester Kindheit ausgemachter Autofan. Die Begeisterung für den Journalismus kam etwas später, ist mittlerweile aber genau so tief verwurzelt. Nach Jahren des freien Journalismus gründete der Jurist 1994 das Pressebüro press-inform und 1998 die Beratungsfirma press-inform consult.
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Samsun:

Umgedelgelter GWM Ora 03 Funky Cat zum doppelten Preis aus China. Mini ist zum Klotz am Bein von BMW geworden. Mercedes hat den Absprung von Smart geschafft. BMW steht dieses Projekt noch bevor.

RKr:

Wenn man einfach mit einem herkömmlichen Tesla gefahren wäre und von den vollkommen ausreichenden (kostenlosen) Tesla-Supercharger auf der beschriebenen Route Gebrauch gemacht hätte, so wie ich vor einem Jahr, wäre es alles keinerlei Stress gewesen.

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