Mercedes-Chef Källenius: Das Elektroauto „bleibt der Hauptweg“

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Michael Neißendorfer
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  —  Lesedauer 5 min

Mercedes-Benz-CEO Ola Källenius hat in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) ausführlich erklärt, warum der Stuttgarter Autohersteller wieder mehr auf Verbrenner-Fahrzeuge setzen und von seinem ohnehin nie sehr ehrgeizig formulierten Elektroauto-Ziel abrücken will. Und warum er aber trotzdem weiterhin der Überzeugung ist, dass mit Abstand vor allen anderen Alternativen dem Elektroantrieb die Zukunft gehört.

Das einstige Ziel für 2030 lautete, wie Källenius im Interview erinnert, „100 Prozent der Kunden mit Elektrofahrzeugen beliefern zu können, wo dies der Markt erlaubt“. Nun aber sehe man bei Mercedes, „dass die Hochlaufkurve im Markt für Elektrofahrzeuge nicht so steil verläuft, wie die meisten vor drei, vier Jahren gedacht haben“.

Zudem baue Mercedes „Autos für die Welt, und die ist heterogen“. Zwar gehen „perspektivisch alle Märkte weltweit in Richtung null Emissionen, aber aus heutiger Sicht ist es wahrscheinlich, dass Verbrennungsmotoren im Jahr 2030 einen signifikanten Marktanteil haben werden“, so der Mercedes-Chef. Der Hersteller werde daher „sicherstellen, dass unsere Kunden bis weit in die Dreißigerjahre hinein zwischen vollelektrifizierten Antrieben und teilelektrifizierten Verbrennern wählen können“.

Auch wenn Mercedes bei seiner Elektro-Strategie nun bremst: „Die Geschwindigkeit, mit der wir die nächste Generation elektrischer Antriebe entwickeln, haben wir deswegen nicht verändert. Reichweite, Ladezeit, Effizienz und damit auch Betriebskosten werden sich deutlich verbessern“, stellt Källenius klar. Denn der „Zielbahnhof“, wie er sagt, bleibe der gleiche: „Wir stehen zu dem Ziel, bis zum Jahr 2039 unser Geschäft bilanziell CO2-neutral zu stellen. Das schließt alle Emissionen aus der Produktion, auch der von Zulieferteilen, und aus der Nutzungsphase der Autos ein.“

Auch den Stammtisch-Mythos, dass Elektroautos ein Ladenhüter seien, relativiert der Mercedes-Chef im Interview: „Relativ gesehen läuft es ziemlich gut. Im obersten Segment sind wir mit EQS, EQE und anderen Modellen gut dabei“. In Summe habe Mercedes-Benz allein im vergangenen Jahr „etwas mehr als 200.000 Elektroautos verkauft, obwohl unser Produktportfolio vor allem in den volumenstarken Segmenten bei Weitem noch nicht komplett ist“. Und es sei aber eben so, dass gerade im Topsegment der S-Klasse, die Kunden weltweit „noch eher zu einem elektrifizierten Hightech-Verbrenner“ griffen.

Die Elektroauto-Reise geht weiter

Der Markt für Elektrofahrzeuge ist derzeit noch nicht so groß, wie es die meisten – auch wir – erwartet haben“, räumt Källenius ein. Aber „diese Reise geht in den kommenden vier, fünf Jahren weiter, das Produktangebot und auch die Infrastruktur werden mit jedem Tag besser“.

Dass Verbrennungsmotoren und Elektroantriebe noch einige Jahre parallel weiterentwickelt werden, sei auch von Anfang an „Teil des Plans“ gewesen, was nun mit angepassten Parametern fortgeführt werde: „Wenn man dann feststellt, dass die S-Klasse mit Verbrennungsmotor länger gebraucht wird als gedacht, weil die elektrische S-Klasse im Jahr 2030 nicht 100, sondern vielleicht nur 50 Prozent des Volumens ausmacht, muss die Fertigungsstruktur entsprechend angepasst werden“, so der Mercedes-Chef im Gespräch mit der FAZ.

Mercedes-benz-E-Auto-EQS
Mercedes-Benz

Es bleibe auch dabei, dass die Verbrenner- und Elektro-Version der S-Klasse auf unterschiedlichen Plattformen aufbauen, auch für die kommende Fahrzeuggeneration. Durch „eine intelligente Modularisierung“ sollen Elektroautos und Verbrennerfahrzeuge zwar wesentliche Technologien in Elektrik, Elektronik und Software teilen, der fahrbare Untersatz aber unterscheide sich. „Durch diesen Ansatz ist es möglich, zwei kompromisslose Autos parallel anzubieten“, so Källenius, was dem Hersteller „bis in die Dreißigerjahre hinein die Flexibilität“ ermögliche – auch, um die unterschiedlichen Plattformen auf einer Linie zu produzieren.

„Das Elektroauto hat einen sensationellen Wirkungsgrad“

Zum Auslaufen fossiler Verbrenner in Europa ab 2035 hat Källenius eine vielschichtige Meinung. „Das übergeordnete Ziel, die CO2-Emissionen entsprechend dem Pariser Klimaschutzabkommen zu reduzieren, ist genau das richtige, da sind wir mit der Politik einig“, sagt der Mercedes-Chef. Man müsse sich, wenn die entsprechende EU-Verordnung im Jahr 2026 nochmal überprüft wird, aber „Zahlen, Daten, Fakten objektiv und nüchtern anschauen, etwa, wie es mit dem Aufbau der Ladeinfrastruktur läuft, wie schnell sich der Markt für Elektroautos entwickelt und ob der dafür benötigte grüne Strom zur Verfügung steht“, so der Manager. Nicht sinnvoll sei es, „wenn es nur zehn Mitgliedstaaten der EU schaffen und 17 nicht“.

Aber damit Verbrennungsmotoren klimaneutral laufen können, wie es die Hintertür der EU auch für nach 2035 vorsieht, braucht es synthetische Kraftstoffe, deren Produktion sehr energieintensiv ist. Und die nur mit ausreichend Erneuerbaren Energien auch tatsächlich klimaneutral ist. Das ist eine nochmal ganz andere Herausforderung, wie Källenius anschaulich erklärt: Das Elektroauto habe einen „geradezu sensationellen energetischen Wirkungsgrad. Wenn man den vom Windrad bis zum Rad rechnet, beträgt er mindestens 70 Prozent, sprich, die Menge an Energie, die man auf dem Weg verliert, ist extrem gering“.

Betrachte man nun mit der gleichen Rechnung Wasserstoff,beträgt der Wirkungsgrad kaum mehr als 20 Prozent“. Gehe man nun den Schritt zu E-Fuels, die für klimaneutrale Verbrenner gebraucht werden, „bleiben knapp mehr als zehn Prozent energetischer Wirkungsgrad“. Daher liege es für Källenius „auf der Hand, dass sich für den Pkw der batterieelektrische Antrieb anbietet.“

„Wasserstoff ist ein Muss für eine klimaneutrale Wirtschaft“

Gänzlich ohne Daseinsberechtigung seien beide Kraftstoffe allerdings bei Weiten nicht: „Wasserstoff ist ein Muss für eine klimaneutrale Wirtschaft, etwa um den Stahl für unsere Autos CO2-neutral zu produzieren“, so Källenius, oder für „Nutzfahrzeuge, die jeden Tag 1000 Kilometer und mehr zurücklegen“. Synthetische Kraftstoffe, wie E-Fuels auch genannt werden, seien wiederum vor allem für den Flug- oder Schiffsverkehr das Mittel der Wahl, um klimaneutral zu werden.

Und dann gibt es ja auch noch die weltweite Bestandsflotte an Verbrennern, die noch sehr lange genutzt werden dürften, wie Källenius sagt: „An dem Tag, an dem 100 Prozent aller Neuwagen elektrisch fahren, umfasst der weltweite Fuhrpark noch anderthalb bis zwei Milliarden Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor“. Deshalb halte er „jegliche Reduzierung des CO2-Ausstoßes für sinnvoll, etwa durch das Beimischen biogener Kraftstoffe“.

Insgesamt aber seien auch E-Fuels allenfalls eine Zwischenlösung im Pkw-Bereich: „Bis wir große Mengen synthetischer Kraftstoffe herstellen können, wird es dauern, bis tief in die Dreißigerjahre hinein“, so der Mercedes-Chef. „Und bis zu diesem Zeitpunkt haben wir mehrere Generationen Elektroantriebe und Batteriechemie hinter uns, sodass aus heutiger Sicht das batterieelektrische Auto der Hauptweg bleibt.“

Quelle: FAZ – „Wir bauen zwei S-Klassen“

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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Rainer Kluge:

Woraus schließen Sie, dass diese Erkenntnis erst JETZT zu Mercedes durchgedrungen sei?

pionierska:

In dem Kontext – die im Vergleich schlechte Energiebilanz synthetischer Kraftstoffe aufzuzeigen – finde ich das schon eine angebrachte Erinnerung an den guten Wirkungsgrad. Das Interview war ja nicht in EAN sondern der FAZ. Erst neulich habe ich Kommentare zu einem Artikel in der Welt über die Elektromobilität gelesen. Es ist wirklich hanebüchen, was für Vorstellungen über Elektroautos dort ausgedrückt werden. Insofern sollte man die Äusserungen vom MB CEO in Mainstream Medien begrüssen.

Smartino:

Källenius: „Das Elektroauto hat einen sensationellen Wirkungsgrad“

Hoppla! Wir haben 2024.
Und diese bahnbrechende Erkenntnis ist tatsächlich schon bis zu Mercedes durchgedrungen!

Robert:

das ist richtig und diese Erkenntnis ist ja auch nicht neu sondern seit Jahren bekannt aber offensichtlich interesiert das die lobbygesteuerten Politiker nicht

Robert:

„Aber damit Verbrennungsmotoren klimaneutral laufen können, wie es die Hintertür der EU auch für nach 2035 vorsieht“ nicht die EU die FDP hat das durchgedrückt diese Hintertür

Calitry:

Was für ein Windbeutel dieser Kalänius.
Wenn die Klatschblätter von schlechtem BEV Absatz schreiben (was ja nur bedingt stimmt) wird sofort eine andere Strategie vorgegaukelt.
Plötzlich wird wieder von HIGH-TECH Verbrennern geschwafelt, was ja eine Farce ist.
Wie Hightech-Tastentelefone.
In einem Jahr heisst es wieder Electric first.
Die Ausblicke in die ferneren nächsten Jahre sind nur Marketinggeschwafel.

Ich hoffe die finden noch den Mut die Weichen richtig zu stellen.
Sie sollten auch versuchen bessere BEVs herzustellen.

Nur weil Ihre elektrische S-Klasse nicht gut ankommt, heisst das nicht, dass alle lieber Verbrenner wollen.
Sondern halt einfach nicht ihren EQS.

Und die Negativwerbung von BEVs sollten reduziert werden.

Viele Autofahrer ohne BEV Erfahrung wissen so gut wie nichts über BEV, sondern nur dass was die Klatschblätter mittels Clickbait verbreiten.

Daniel W.:

Etwas versteckt die Infos zu den Wirkungsgraden der verschiedenen Autoantriebe.

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Das Elektroauto habe einen „geradezu sensationellen energetischen Wirkungsgrad. Wenn man den vom Windrad bis zum Rad rechnet, beträgt er mindestens 70 Prozent, sprich, die Menge an Energie, die man auf dem Weg verliert, ist extrem gering“.

Betrachte man nun mit der gleichen Rechnung Wasserstoff, „beträgt der Wirkungsgrad kaum mehr als 20 Prozent“. Gehe man nun den Schritt zu E-Fuels, die für klimaneutrale Verbrenner gebraucht werden, „bleiben knapp mehr als zehn Prozent energetischer Wirkungsgrad“.
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E-Auto – Wirkungsgrad vom Windrad bis zum Rad >> mindestens 70%

Wasserstoff >> kaum mehr als 20%

E-Fuels >> knapp 10%

Oder anders gesagt – für FCEV braucht man die 3,5-fache Zahl an Windrädern und für E-Fuels sogar gut die 7-fache Zahl an Windrädern.

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