Köln, Mühlheim und Hannover testen induktives Laden für Elektro-Taxis

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 5 min

CO2, Stickoxide, Feinstaub und die deswegen drohenden Fahrverbote: Immer mehr Städte wollen die Umweltbelastung durch Dieselfahrzeuge reduzieren. Ein wichtiger Beitrag ist die Elektrifizierung von Taxiflotten, die heutzutage eine Dieselquote von fast 85 Prozent haben und hauptsächlich in deutschen Innenstädten betrieben werden. Durch das Vorrückprinzip an öffentlichen Plätzen, wie zum Beispiel Bahnhöfen, haben Taxifahrer allerdings kaum eine Möglichkeit, sich an kabelgebundene Ladesäulen anzuschließen. Der Lehrstuhl für Internationales Automobilmanagement der Universität Duisburg-Essen hat für dieses Problem nun ein Pilotprojekt initiiert.

Das Projekt Taxi-Lade-Konzept für den öffentlichen Raum (kurz: TALAKO) startete bereits Anfang Oktober mit einer Laufzeit von drei Jahren und einem Fördervolumen von zwei Millionen Euro. Das durch das Bundeswirtschaftsministerium geförderte Projekt umfasst den Aufbau einer Pilotanlage in Köln für das kabellose Laden von Taxifahrzeugen mittels induktivem Ladestreifen. Dieses Ladesystem wird unterirdisch in die Taxi-Warteschlange integriert. So werden die Elektrotaxis während der Wartezeit geladen. Das TALAKO-Projekt kann somit einen wichtigen Betrag zur Reduktion von Umweltbelastungen in deutschen Innenstädten leisten.

Auf der Suche nach einem geeigneten Projektfahrzeug schaute das Projektteam über die Landesgrenzen hinweg und konnte einen Pionier auf dem Gebiet von Taxi-Elektrofahrzeugen vom Projekt überzeugen. Der englische Fahrzeughersteller LEVC, der die für London typischen Black Cabs herstellt, beteiligt sich mit seinem speziell für das Taxigewerbe entwickeltem Elektrofahrzeug. Das Fahrzeug hat eine elektrische Reichweite von 130 km und einen Range-Extender an Bord, um bei Bedarf die Reichweite um 500 km zu verlängern. Das Projektteam versucht weitere Fahrzeughersteller für das Projekt zu gewinnen.

Das Projektkonsortium, welches neben der Universität Duisburg-Essen und LEVC, die Universität Wuppertal, die Stadt Köln, INTIS GmbH, RheinEnergie AG, und TaxiRuf (Köln) umfasst, wird innerhalb der ersten 6 Monate eine Prototypenanlage in Mülheim a.d.R. aufbauen – hier betreibt Taxi Stephany bereits ein LEVC Fahrzeug und ist von der zusätzlichen Ladeoption überzeugt. Im Anschluss erfolgt der Aufbau und der Betrieb der geplanten Pilotanlage in Köln auf der bis zu sechs Fahrzeuge gleichzeitig geladen werden können.

Die Ladeleistung soll bis zu 22 kW betragen. Pro Minute Standzeit könnte so Strom für etwas mehr als einen Kilometer geladen werden, sagt Gregor Szybisty von der Universität Duisburg-Essen dem Branchendienst Electrive zufolge. „Bei uns stehen wegen der hohen Übertragungsleistung insbesondere sicherheitsrelevante Aspekte im Vordergrund“, so Szybisty. „Hierfür müssen intelligente Sicherheitssysteme entwickelt werden.“ Weitere Forschungsfragen betreffen die Positionierungsgenauigkeit der Fahrzeuge über der Ladespule und die Integration der Pilotanlage in den täglichen Fahrbetrieb.

Auch Hannover testet induktives Laden

Die Beschaffung von Elektrofahrzeugen führt heute noch zu Mehrkosten, die Wirtschaftsunternehmen sowie Privatpersonen vor Herausforderungen bei der Finanzierung stellen. Dabei entscheidet die mitgeführte Akkukapazität zum Großteil über die anfallenden Mehrkosten.

Vor diesem Hintergrund soll die Elektrifizierung der Taxiwirtschaft mithilfe eines induktiven Ladesystems und kleineren Akkukapazitäten mittelfristig ermöglicht werden. Dieses wird im Rahmen eines weitern Forschungsprojekts, genannt LaneCharge, an der Hochschule Hannover (HsH) entwickelt und erprobt. Im Rahmen der Förderrichtlinie Elektromobilität des BMVI wird das Projekt mit insgesamt 3,7 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gefördert. Die Förderrichtlinie wird von der NOW GmbH koordiniert und durch den Projektträger Jülich (PtJ) umgesetzt. Der HsH stehen anteilig 1,1 Millionen Euro für ihr Teilprojekt zur Verfügung.

Ein induktives Ladesystem erlaubt im Vergleich zu den konventionellen Lademöglichkeiten von Elektrofahrzeugen ein kontaktfreies Laden. Damit bietet dieses kabellose Verfahren eine barrierefreie Energieübertragung, welches sich völlig unscheinbar in die Umgebung integrieren lässt. Diese Eigenschaften eröffnen unerschlossene Anwendungsgebiete, da aus städtebaulicher Sicht ein Eintrag in das Stadtbild zunächst meist unerwünscht ist. So wird das System für Stellplätze mit den entsprechenden Voraussetzungen interessant, wo sich ein kabelgeführtes Laden aus ästhetischen, betrieblichen oder technischen Gründen als ungeeignet erweist.

Alle drei genannten Kriterien benennen die vorherrschende Problematik im öffentlichen Raum, worunter auch das Beförderungsmittel Taxi fällt. Unter Berücksichtigung dieses Umstands wird an der HsH unter Leitung von Prof. Dr.-Ing. Heiko Hepp ein aus Bundesmitteln finanziertes Forschungsprojekt zur Entwicklung eines induktiven Ladesystems am Anwendungsbeispiel eines Taxistands realisiert. An diesem Projekt wirken Verbundpartner aus Wirtschaft und Industrie mit: EDAG Engineering GmbH, Technische Universität Braunschweig (TUBS) und SUMIDA Components & Modules GmbH. Darüber hinaus beteiligen sich die assoziierten Partner enercity, Götting KG, Hallo Taxi 3811 GmbH und die Landeshauptstadt Hannover.

Ziel des auf vier Jahre angelegten Projekts ist die Machbarkeitsdemonstration eines vollfunktionsfähigen induktiven Ladesystems, welches in der letzten Projektphase am Taxistand in der Rundestraße auf der Nordseite des Hauptbahnhofs Hannover erprobt wird. Vorab werden dazu seitens der HsH die Leistungsregelung sowie das Kommunikationssystem entwickelt. Die weiteren Verbundpartner werden die Arbeitspakete zu der Leistungselektronik sowie Fahrzeugintegration (EDAG), Straßenintegration (TUBS) und den Übertragerspulen (SUMIDA) übernehmen.

Ladespulen auf mehr als 60 Metern Taxi-Stand

Nach der Prototypenentwicklung wird an der HsH ein Testfeld aufgebaut, um zu gewährleisten, dass das System unter realen Umständen funktioniert. In dem Testfeld wird neben der Optimierung des Systems auch die Erforschung von semi-stationären bis dynamischen Ladevorgängen erfolgen. Nach erfolgreicher Inbetriebnahme werden die gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse vom Test- auf das Anwendungsfeld am Hauptbahnhof Hannover übertragen. Dort wird ein Großteil der Fläche elektrisch nutzbar gemacht, in dem insgesamt zwölf primärseitige Ladespulen auf über 60 Metern Länge am Taxi-Stand in den Straßenaufbau integriert werden.

Der Schwerpunkt des Projekts wird bei der HsH auf der Entwicklung eines prädiktiven Positionierungsassistenten für das Elektrofahrzeug liegen, welches eine optimale Ausrichtung des Fahrzeugs zur Ladespule sicherstellt. Dies gewährleistet stets die Initialisierung des Ladevorgangs und ermöglicht darüber hinaus die Energieübertragung im effizientesten Arbeitsbereich.

Quelle: Universität Duisburg Essen – Pressemitteilung vom 27.11.2019 // Hochschule Hannover – Pressemitteilung vom 13.11.2019 // Electrive – Pilotanlagen für induktives Laden von E-Taxis in Köln und Mülheim geplant

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
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Markus Doessegger:

Absolut richtig :-)

Miesek:

Warum müssen wir eigentlich das Rad immer wieder neu erfinden? Auf dieser Seite wurde doch schon vor einiger Zeit das funktionierende System einer israelischen Firma vorgestellt. Warum baut man das nicht einfach ein und spart sich die akademische Verkomplizierung, bei der unnütz Steuergelder und Zeit verschwendet werden?

Markus Doessegger:

Dann wäre vermutlich das etwas für den Leser: https://www.energate-messenger.ch/news/189321/innogy-entwickelt-laderoboter-

Leser:

Mir ging es hier um Kosten-Nutzen-Relation. Klar sollte so etwas erforscht werden, aber das induktive Laden hat nunmal seine Nachteile, einer davon die Ladeverluste. Und warum sollten wir Energie verschenken, wenn man sie mit Kabel fast 100% ins Auto bekommt. Aber da ist wieder die Bequemlichkeit: Ich will nicht aussteigen, und die 10sek anstöpseln und wieder abstöpseln sind mir auch schon zuviel.
Moderne Ladesäulen, besonders an Taxiständen sollten natürlich ohne Anmeldung funktionieren, das wird beim induktiven Laden ja auch notwendig sein.

EffEll:

Warum sowas? Liegt doch auf der Hand. Kein Taxifahrer würde bei einer Standzeit von fünf Minuten einen Ladestecker einstecken und sich an der Ladesäule registrieren, vor allem auch deswegen, weil er das alles vor Abfahrt wieder rückgängig machen müsste.
Mit diesem System ließe sich aber dennoch 5 Km Reichweite nachladen, ohne jegliches zutun des Fahrers.
Zudem wird diese Technik hier in einem praxisnahem Pilotprojekt lediglich erforscht, um genau die Eingangsfrage beantworten zu können, wie mein Vorredner Christian G bereits anmerkte.
Aber natürlich wird das alles nur getan, weil sich die Involvierten der Korruption hingeben und sich persönlich bereichern wollen. Was denn sonst?
Diese Vorverurteilung ist echt zum ko..en. Ich hoffe das ist nicht typisch deutsch. Leider gibt es aber zur Zeit wirklich viele die so denken. Die sind es, die aktuell unser größtes Problem sind, da sie direkt auf jede Art des Populismus´ anspringen. Wie du schon sagtest:“Was weißt du denn…“

Markus Doessegger:

Future absolutely :-)
Ein weiteres Puzzle auf dem Weg in die Elektromobilität mit Komfort.

Christian G:

Ist das eigentlich typisch deutsch? Da wird eine neue Technologie in einem Projekt untersucht, um die Vor- und Nachteile herauszufinden und der erste Kommentar ist sofort negativ. Wollen wir in Zukunft alles den Chinesen überlassen und neue Techniken nur noch zukaufen?
Ich stelle mir eine solche Lademöglichkeit für die Zukunft äußerst reizvoll vor. Einfach auf einen Parkplatz fahren und das Laden geht von alleine.
Aber ob das wirtschaftlich ist oder gesundheitsgefährdend oder sonstwas weis ich nicht. Bin aber dankbar, wenn so etwas bei uns erforscht wird.

Leser:

Warum immer sowas?
Wäre es nicht billiger, jedem Platz (zwei Plätzen) eine Ladesäule hinzustellen, zu nummerieren und per Led-Anzeige das nächste Taxi abzuzeigen.
Dann entfällt das Vorrücken und das Warten im Taxi. Und wenn ein Fahrer eine längere Pause macht, dann klingt er sich im System aus und steht ladend auf seinem Platz, bis er sich wieder in das System einreiht.
Bissl Technik, bissl Software und kaum Ladeverluste, wie bei induktivem Laden.
Aber was weiß ich denn. Bestimmt bekommt irgendein Cousin dadurch Fördergelder und kann seine Firma gesundforschen.

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