Wo künstliche Intelligenz in der Autoindustrie wirklich etwas bringt

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Mercedes-Benz

Stefan Grundhoff
Stefan Grundhoff
  —  Lesedauer 4 min

Die Apps und Programme, mit denen die künstliche Intelligenz unseren Alltag leichter machen soll, sind mittlerweile ungezählt. Gerade die Autoindustrie hat in die hyperintelligenten Computerhirne große Erwartungen und setzt die Technik in Entwicklung und Fertigung bereits deutlich stärker ein, als viele denken.

Künstliche Intelligenz und das Auto scheinen ein „perfect match“ zu sein, denn viele Herausforderungen, die die Fahrzeughersteller zu bewältigen haben, spielen sich längst auf Unterebenen unübersichtlicher Programmiereben ab. Dass viele der neuesten Fahrzeuge auf den immer größer werdenden Displays mittlerweile Chat GPT oder andere KI-Tools anbieten, ist dabei eher eine Randerscheinung, denn die munteren Plaudereien mit dem Computerhirn im Auto haben eher Infotainment-Charakter denn echten Nutzwert. Einer der ersten Hersteller bei der Integration des Sprachassistenten war der Stellantis Konzern in seinen DS-Modellen.

Doch die wirklich relevanten Einsatzmöglichkeiten verstecken sich in Entwicklung, Produktion und Fahrerassistenz. Audi setzt nach Aussagen von Beschaffungsvorständin Renate Vachenauer die künstliche Intelligenz zum Beispiel in seinen Produktionsketten ein, um mögliche Risiken in niederrangigen Zulieferebenen zu erkennen, bevor diese auftreten. Regionale oder gar lokale Probleme, Wetterkapriolen oder kriegerische Handlungen – all das hat Auswirkungen auf die Fertigungsketten, die deutlich anfälliger als noch vor Jahren sind. Darüber hinaus kontrolliert Audi in seiner Fertigung am Standort Neckarsulm mithilfe künstlicher Intelligenz pro Schicht rund 1,5 Millionen Schweißpunkte von 300 Fahrzeugen, um Fehlerquellen zu minimieren und den Fertigungsprozess zu optimieren.

Auch Mercedes setzt in seinen Produktionsstätten in Europa, Nordamerika und Asien in verschiedenen Ebenen auf künstliche Intelligenz. In seinem globalen Produktionsnetzwerk wird zum Beispiel das sogenannte System MO360 AI Factory eingesetzt, das Mitarbeitern in Echtzeit Lösungen für Fragen zur Maschinenwartung oder zu Best-Practice-Methoden liefert – per Chatfunktion in unterschiedlichen Sprachen.

„KI übernimmt für uns Aufgaben, die wir in der Regel weniger gerne erledigen. Sie verschafft uns Freiraum, den Fokus auf echte Innovationen, Kreativität und wertschöpfende Tätigkeiten zu legen“, erläutert Katrin Lehmann, Chief Information Officer Mercedes-Benz Group AG, „ich bin davon überzeugt, dass KI einen wesentlichen Beitrag zum Unternehmenserfolg leistet, wenn sie strategisch eingesetzt und pragmatisch umgesetzt wird.“

Ein weiteres Beispiel für den praktischen Einsatz von KI ist das virtuelle Multi-Agenten-System der Schwaben. KI-gestützte virtuelle Assistenten analysieren komplexe Daten in Echtzeit und helfen, die Ursachen plötzlicher Qualitätsabweichungen in der Produktion zu identifizieren. Die KI-Agenten analysieren ebenso schnell wie zuverlässig verfügbare Daten, identifizieren Muster sowie Anomalien und bieten auf Knopfdruck Lösungsvorschläge.

BMW hat die künstliche Intelligenz ebenfalls in seine Produktionsprozesse integriert. Im Werk Regensburg gibt es durch die Software dank des Pilotprojektes „GenAI4“ eine besondere Qualitätskontrolle. Kernelement ist eine KI, die für jedes der täglich rund 1400 gefertigten Fahrzeuge individuelle Prüfempfehlungen vorgibt. „Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz leistet einen Beitrag zur digitalen Transformation der BMW Group Produktion hin zu intelligent-vernetzten Fabrik. Bei uns setzen wir sie unter anderem bei der Qualitätskontrolle in unserer Fahrzeugmontage ein. Wir optimieren damit unsere Produktionsprozesse und generieren einen Mehrwert für unsere Produkte und Kunden“, sagt Armin Ebner, Leiter des BMW Group Werks Regensburg.

BMW Werk Regensburg führt Qualitätskontrolle per KI ein
BMW

Das BMW Group Werk Dingolfing und die Hochschule Landshut haben gemeinsam eine Lösung für die Werkslogistik entwickelt. Das neue digitale Tool automatisiert das Zählen von Leergutbehältern mithilfe von künstlicher Intelligenz und spart dadurch Zeit und vermeidet Fehler.

Für den Kunden deutlich offensichtlicher sind die Vorteile der künstlichen Intelligenz beim Dauerthema autonomen Fahren. Gefühlt stand die maximale Fahrerassistenz bereits vor zehn Jahren vor dem Durchbruch und das unfallfreie Fahren schien für Neufahrzeuge nur eine Frage der Zeit zu sein. Doch die Realität sieht anders aus, denn wirklich große Schritte fehlen nach wie vor. Erste Level-drei-Systeme funktionieren gerade einmal in bestimmten Verkehrssituationen vom Stau bis knapp 100 km/h. Doch hier soll die KI endlich jene Datenflut abbilden können, die für den flächendeckenden Einsatz der Assistenzsysteme benötigt wird.

„Wir stärken die menschlichen Fähigkeiten“

Toyota arbeitet seit zwei Jahren an einer bestmöglichen Kombination aus KI-gesteuertem Training und entsprechender Fahrerunterstützung. Gill Pratt, CEO des Toyota Research Institute: „Unser auf den Menschen ausgerichteter Ansatz zeigt bessere Wege für die Zusammenarbeit von Mensch und KI auf. Wir stärken die menschlichen Fähigkeiten, indem wir Modelle entwickeln, die das Verhalten des Fahrers vorhersagen und seine Leistung verbessern.“ Mit datengesteuerten Lernverfahren analysiert das Human Interactive Driving das menschliche Verhalten und erstellt Modelle, um den Fahrer mit entsprechender Technologie auf möglichst natürliche Weise zu unterstützen.

Gleichzeitig legt künstliche Intelligenz den Grundstein für autonomes Fahren, indem es die persönlichen Fahrfähigkeiten gezielt ausbaut und so bei der Unfallvermeidung hilft – zum Beispiel durch entsprechende Unterstützung oder den Hinweis auf Gefahren wie Hindernisse, Glatteis oder andere gefährliche Straßenverhältnisse.

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Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff ist Firmeninhaber und Geschäftsführer von press-inform und press-inform consult. Er ist seit frühester Kindheit ausgemachter Autofan. Die Begeisterung für den Journalismus kam etwas später, ist mittlerweile aber genau so tief verwurzelt. Nach Jahren des freien Journalismus gründete der Jurist 1994 das Pressebüro press-inform und 1998 die Beratungsfirma press-inform consult.
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