Ionity will Zahl der Schnelllader „möglichst schnell“ verdoppeln

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Michael Neißendorfer
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Sie können heute mit dem Elektroauto und unserem Netz quer durch Europa reisen“, sagte Michael Hajesch, Geschäftsführer des Schnellladeanbieters Ionity in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Bzw. einem Doppelinterview, da Michael Groll, ebenfalls Ionity-Geschäftsführer, auch Teil der Gesprächsrunde war. Und Groll kündigte in der FAZ „die nächste Ausbauwelle“ an.

Aktuell betreibt Ionity – gegründet Ende 2017 als Joint Venture der Autohersteller BMW, Ford, Mercedes und Volkswagen, später kam Hyundai-Kia hinzu – europaweit gut 500 Standorte mit 2400 Ladepunkten. Mit den Finanzierungszusagen der Anteilseigner über gut 700 Millionen Euro sollen nun, so Hajesch, „möglichst schnell“ mehr als doppelt so viele Ladepunkte neu hinzukommen: Mindestens 7000 Schnellladepunkte an mehr als 1000 Standorten sei das Ziel und soll bis 2025 erreicht werden, wie Ionity im vergangenen Herbst ankündigte.

Der klare Fokus des Unternehmens ist Groll zufolge „elek­trische Langstreckenmobilität zu ­ermöglichen“, wofür Ionity derzeit auf Standortsuche gehe, vor ­allem „an oder direkt neben der Autobahn“. Gleichzeitig sollen bestehende Standorte, wie es die jeweiligen Begebenheiten erlauben, ausgebaut werden: Von vier oder sechs Ladepunkten je Station auf zwölf, 18 oder mehr. Liest man zwischen den Zeilen, so schließt Ionity aber auch Schnelllader in Städten nicht aus: „Grundsätzlich ist das Schnellladen in der Stadt eine Chance, auf wenig Raum viele Fahrzeuge mit Energie zu versorgen“, sagt Hajesch. Hinzu kommen Elektroautos von Carsharing-Anbietern, Lieferdiensten oder anderer Flotten, die ebenfalls „schnell mit Strom versorgt werden wollen“.

Mit dem aktuellen Stand der Ladeinfrastruktur sind Elektroauto-Fahrer:innen größtenteils zufrieden, die Anbieter sind schließlich stark in Vorleistung gegangen. Doch der Ausbau verläuft derzeit deutlich zu langsam in Relation zu den viel schneller wachsenden Neuzulassungen von Elektroautos. Verzögerungen liegen Groll zufolge „fast immer an zwei Punkten: den Genehmigungsverfahren und den Netzanschlüssen“. Andere Länder seien Deutschland voraus: „Planbar und schnell lassen sich Schnellladestationen in Frankreich errichten. Gleiches gilt für Skandinavien“, erzählt Groll. Es gebe aber auch schwierigeres Terrain: „Besonders schwierig ist es in Spanien und in einigen osteuropäischen Ländern. In Polen kann es zwei Jahre dauern, bis der Netzbetreiber uns mit Strom versorgt“, klagt der Ionity-Geschäftsführer.

Positiv hervor hebt Hajesch, dass es immer mehr Unternehmen gibt, die das Geschäft mit Ladesäulen für sich entdeckt haben: „Bis 2021 gab es nur eine Handvoll Unternehmen, die ernsthaft in ­Ladeinfrastruktur investierten“, nun seien es deutlich mehr. Um eine Schnell­ladestation profitabel betreiben zu können, sei auf das Jahr gerechnet eine Auslastung von 20 bis 25 Prozent notwendig. Manche Länder liegen bereits darüber: „In Großbritannien erreichen wir bereits durchschnittlich 30 Prozent“, sagt Groll.

„Die Ladeleistungen sind viel geringer sind als angenommen“

Die an den Standorten zur Verfügung stehende, begrenzte Netzanschlussleistung scheint kein größeres Problem darzustellen, so Groll. „Die Ladekurve startet üblicherweise mit einer hohen Leistung und fällt dann mit steigendem Batteriestand ab. Es ist unwahrscheinlich, dass mehrere Autos gleichzeitig sehr viel laden“, sagt der Ionity-Geschäftsführer. Und rein statistisch sei zu beobachten, „dass die Ladeleistungen viel geringer sind als angenommen“ – schließlich kann kaum ein Auto die maximalen 350 kW der Ionity-Lader auch tatsächlich aufnehmen. „Die durchschnittliche Ladeleistung an unseren Säulen liegt momentan ­zwischen 80 und 90 Kilowatt“, sagt Groll.

Auf künftige Spitzenlasten für die Zeit, in der deutlich mehr Elektroautos auf den Straßen sind und früher oder später auch laden wollen, bereite man bereits Konzepte vor: „Langfristig kommt dem Energiemanagement zweifelsohne eine wichtige Rolle zu. Auch ein ­flexibleres ­Preissystem kann dazu ­beitragen, Spitzenlasten zu entzerren“, sagt Groll. Ionity überlegt zudem, „in eigene Stromerzeugung zu investieren“, ergänzt Hajesch. Letztendlich entscheide darüber die „Frage der Wirtschaftlichkeit“.

Ein klares Ja!“, entgegnet Hajesch auf die Frage, ob sich die Ladeinfrastruktur auch allein marktwirtschaftlich entwickeln würde: „Heute ist es möglich, Ladeinfrastruktur privatwirtschaftlich zu finanzieren. Der Kapitalmarkt hat das erkannt“, sagt er der FAZ. „Nicht ohne Grund“ ­habe Ionity ein Schwergewicht wie Blackrock als Investor gewinnen können. Nun gelte es, den Ausbau zu beschleunigen. Das scheitere oft, so Groll, an den unzähligen Vorschriften, „die sich nicht nur zwischen den Ländern, sondern teilweise sogar zwischen einzelnen Regionen innerhalb eines Staats unterscheiden. Die Behördenkommunikation bis zu einer Baugenehmigung kostet viel Zeit.

Quelle: FAZ – „Unser Fokus ist, elektrische Langstreckenmobilität zu ­ermöglichen“

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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