Experte: „China will gewinnen – und China wird gewinnen“

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Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 3 min

Magnus Tessner, Partner bei der Personalberatung ifp und seit Jahrzehnten mit dem chinesischen Markt vertraut, sieht in der Transformation der chinesischen Autoindustrie einen systemischen Paradigmenwechsel – mit weitreichenden Folgen für europäische Hersteller. Nach seiner Rückkehr aus Shanghai zeichnet Tessner ein deutliches Bild: Chinas Autobauer haben die Regeln der Industrie grundlegend verändert.

„Nach dem verheerenden Markteintritt und dem Rückzug der chinesischen Autohersteller vor 20 Jahren aus Europa hat China systematisch die Wertschöpfungskette Auto verändert, neu strukturiert und revolutioniert“, so Tessner. Die Herangehensweise sei dabei ganzheitlich gewesen: Jede Zelle, jede Ebene der Wertschöpfung sei hinterfragt und neu gedacht worden – mit dem Ziel, Kontrolle und Effizienz neu zu definieren.

Im Gegensatz dazu, so der ifp-Partner, basiere das westliche System – insbesondere das deutsche – darauf, große Teile der Wertschöpfung an Zulieferer auszulagern. „Das System Auto in Deutschland basiert auf dem Gedanken, die Wertschöpfung möglichst effizient an Zulieferer und Partner zu delegieren“, erklärt Tessner. Die Autohersteller hielten zwar die Kontrolle über das große Ganze, doch Innovationen würden im rückgelagerten Teil der Kette entwickelt – ein Modell, das in Zeiten von Digitalisierung und KI an seine Grenzen stoße.

Chinesische Hersteller verfolgen laut Tessner einen diametral entgegengesetzten Ansatz: Sie setzen auf vertikale Integration, auf Eigenleistung und auf die vollständige Kontrolle über ihre Wertschöpfung. „Das Auto wird durch die Kontrolle über die Wertschöpfung zunehmend preiswerter“, sagt Tessner, „da die Losgrößen steigen und das Auto zur Commodity wird.“

„Der Wettbewerb in China ist ruinös“

Während die deutsche Industrie weiterhin ein Premium-Geschäftsmodell mit hochpreisigen Produkten und abhängiger Zulieferkette verfolge, nähmen chinesische Hersteller immer mehr Komponenten selbst in die Hand. Dies habe nicht nur Kostenvorteile, sondern ermögliche auch schnellere Reaktionszeiten auf Kundenwünsche und Markttrends. Allerdings sei der Wettbewerb in China derzeit extrem hart. „Die chinesischen Hersteller befinden sich in einem intensiven Wettbewerb, der geradezu ruinös ist und aktuell keine Gewinne produziert“, betont Tessner. Dennoch sei das Kalkül langfristig orientiert – vergleichbar mit dem Aufbau der Tech-Industrie. Wie bei Amazon oder Alibaba gehe es um Marktanteile, nicht um kurzfristige Gewinne. „Der Gewinn kommt später als Monopolrente zurück, wenn die anderen Wettbewerber ausgelöscht sind.“

Tessner beschreibt das chinesische Industrieumfeld als „schnelllebig, kundenorientiert, selbstbewusst, aggressiv im Vorwärtsstreben und intensiv im Wettbewerb“. Diese Haltung sei gepaart mit strategischer Agilität und einem ausgeprägten Überlebenswillen der Unternehmen. Für die deutsch-chinesischen Joint Ventures auf dem chinesischen Markt sieht der Personalberater wenig Zukunft. „Das Zeitalter der Joint-Venture-Marken in China geht zu Ende“, so seine Prognose. Chinesische Konsumenten erwarteten heute schnelle Updates, gutes Entertainment und starke Marken – all das könnten chinesische Hersteller zunehmend besser bedienen als die etablierten Partnerschaften mit westlichen Herstellern. Die Folge: „Die Chinesen wollen die Kontrolle – und die haben sie. Kontrolle ist entscheidend.“

Tessners Fazit fällt eindeutig aus: „China will gewinnen – und China wird gewinnen.“

Quelle: Automobilwoche – Interview mit Experte Magnus Tessner: „China wird gewinnen“

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.

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CarVision:

Es ist ja ein offenes Geheimnis, dass die Hersteller eigentlich nicht die Entwickler waren. Die Zulieferer mussten innovativ und günstig sein, die Marge hat sich aber immer der hersteller eingestrichen. Dieses selbstherrliche geschäftsmodel kommt natürlich an die Grenzen wenn des sich für die Zulieferer nicht mehr lohnt und in Rente gehen… das muss der hersteller auf einmal Ersatz finden oder selber machen. Wenn man es selber macht sieht man das Ergebnis an cariad.von vw…. alle wollen reden keiner machen….natürlich haben wir ein problem… mich wundert nur wie lange das schon gut ging….

Groß:

Entschuldigung einmal jemand der die Augen aufmacht und die Wahrheitsgemäße sieht.
Es werden aber zu viele gegen ihn, Magnus Tessner schreiben. Weil immer noch zu viele ihre Augen vor der Wahrheit verschließen.
Ein sehr gutes Beispiel hierfür sind die Kommentare der deutschen Autobauer nach der diesjährigen Autoshow in Shanghai. Welche immer noch den Hochmut zeigen mit welchen gedacht wird.
Stetig sinkende Verkaufszahlen und verloren Marktanteile lassen sich so nicht zurück gewinnen.
Am Ende wird immer der Gewinnen welcher sich flexibel dem Markt und dem Kunden anpasst. Zu erwarten, dass sich der Kunde die Vorgaben der deutschen Autobauer anpasst für in den Abgrund.
Sehr die Strategie von Audi mit der neuen Automarke in China an. Dort kann sich Audi im Gegensatz zu Deutschland mit der Ausstattung dem Markt anpassen und erwartet nicht mehr wie von den deutschen Kunden das sie sich ihren Modellen anpassen.

Groß:

Deine typische Antwort der deutschen Autobauer zeigt nur, dass sie mit fehlenden Fahnen und großen Geschrei unter gehen wird.
Nichts hören , nichts sehen aber mit großem Geschrei sterben.

Matthias Geiger:

Die Wertschöpfungstiefe, die konsequente Reduzierung der Teilevielfalt, das Platformkonzept mit der richtigen Software das sind die Erfolgsfaktoren. Den chinesischen Herstellern fehlen nur noch die Servicewerkstätten und der direkte Zugriff zu Ladeparks so wie bei Tesla. CCS Stecker rein, keine App, keine Ladekarte, defekte Ladesäulen werden zuverlässig angezeigt und die Abrechnung erfolgt automatisch.
Das bekommen die chinesischen Hersteller wie Tesla oder noch besser hin.

Uwe Bosse:

Das muß nicht unbedingt über staatliches Lenken gehen, sich nicht von Zuliefer-Industrie abhängig zu machen oder diese einfach zu übernehmen. In der Corona-Zeit hat sich das mit den Zulieferungen, die manchmal irgendwo hängen geblieben sind, als Hemmnis erwiesen.

KleinFritzchen:

‚… denn was einen nicht umbringt, macht einen stärker.‘

Das sind schon mal 5€ ins Phrasenschwein!

‚… der Zeiger dreht sich gerade auf ein starkes Europa, und dieses in Zusammenarbeit mit China.‘

Und das willst Du WIE begründen/belegen?

Peter Bigge von Berlin:

Nö, China wird nicht gewinnen, denn was einen nicht umbringt, macht einen stärker.
Was nämlich daran gut, der Zeiger dreht sich gerade auf ein starkes Europa, und dieses in Zusammenarbeit mit China.

Peter Pan:

…. zumal unsere Hersteller keine Synergieeffekte nutzen wie zb Aufbau und Produktion von Batteriezellen.

Rolando:

Tesla hat es vorgemacht das die vertikale Kontrolle der Produktion sehr gut funktioniert und das ahmen die Chinesen nur nach und ja die chinesischen Autohersteller haben den längeren Atem und den Staat im Hintergrund. Dagegen kommt eine Benz, VW, BMW,,,,,, nicht an.

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