Europa wird vom Export- zum Importmarkt für Autos

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Michael Neißendorfer
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  —  Lesedauer 3 min

Die Elektro-Transformation der Autobranche setzt sich trotz angespannter Wirtschaftslage unvermindert fort. Die hohe Nachfrage nach Elektroautos und die daraus resultierend vollen Auftragsbücher könnten die drohende Rezession der Branche abmildern. Das zeigen die Ergebnisse des aktuellen „Electric Vehicle Sales Review“ von PwC Autofacts und Strategy&, der Strategieberatung von PwC, in dem die Neuzulassungszahlen in weltweit 14 ausgewählten Märkten ausgewertet werden.

Im dritten Quartal 2022 wurden demnach weltweit 74,7 Prozent mehr rein elektrische Fahrzeuge (Battery Electric Vehicle, BEV) zugelassen als im Vorjahreszeitraum. Im zweiten Quartal 2022 hatte das Wachstum noch bei lediglich 61,7 Prozent gelegen. Zugleich bauten BEVs ihre Anteile in fast allen Kernmärkten aus und könnten bereits 2035 weltweit mehr als die Hälfte aller Neuzulassungen ausmachen. In China könnte ihr Anteil dann bei 73 Prozent, in Europa bei sogar 93 Prozent liegen.

Europa entwickelt sich vom Exporteur zum Importeur von Autos

Während chinesische Hersteller wie Aiways, BYD, MG, Nio sowie Ora und demnächst auch XPeng und Zeekr immer mehr BEVs in Europa verkaufen, verlagern sowohl europäische als auch amerikanische Hersteller und Marken (Smart, Polestar, Tesla) ihre BEV-Produktion zunehmend nach China – und verschieben die Rolle Europas vom Exporteur zum Importeur von Autos. Bereits 2025 könnten in Europa knapp 800.000 Autos aus chinesischer Produktion verkauft werden, davon mehr als 330.000 von Marken europäischer Hersteller. Noch im vergangenen Jahr hatten europäische Hersteller lediglich 35.000 BEVs aus China nach Europa exportiert. Für 2022 prognostiziert die Studie mit 66.000 BEVs bereits eine Verdopplung.

Diese Entwicklung führt dazu, dass Europa 2025 bereits einen Importüberschuss von mehr als 221.000 Fahrzeugen (Verbrenner und Elektroautos) erreichen könnte. Noch vor wenigen Jahren verzeichnete Europa einen Exportüberschuss mit Autos – 2015 lag dieser bei knapp 1,7 Millionen Fahrzeugen.

Die europäischen Hersteller kämpfen nach wie vor mit Lieferschwierigkeiten und setzen vor allem auf BEV-Modelle im oberen Preissegment. Die chinesischen Hersteller haben ihre Produkte dagegen im heimischen Markt optimiert und weiterentwickelt, sodass sie inzwischen günstige BEV-Modelle, innovative Technologie und neuartige Konzepte nach Europa bringen. Als Ergebnis sehen wir, dass es kein europäisches Modell in die Top 5 der meistverkauften E-Autos weltweit schafft“, sagt Felix Kuhnert, Partner und Automotive Leader bei PwC Deutschland. „Um ihre Strukturen zu halten, das Momentum der Elektro-Transformation für sich zu nutzen und weiterhin von Skaleneffekten zu profitieren, müssen die europäischen Hersteller deswegen jetzt dagegenhalten und ihre Lieferketten unter Kontrolle bekommen sowie ihre Entwicklungs- und Anlaufprozesse im In- und Ausland beschleunigen.“

China wird zum E-Auto-Exporteur

Die deutschen Autobauer konnten ihre Marktanteile in China in den ersten drei Quartalen dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 3,8 Prozent auf 4,1 Prozent ausbauen. Doch im heimischen Automobilmarkt erleben sie eine wachsende Konkurrenz durch chinesische OEMs. Obwohl diese in Europa bislang nur eine untergeordnete Rolle spielen, könnten sie 2030 etwa 5 Prozent des europäischen BEV-Marktanteils erobert haben.

Wir beobachten momentan, wie der Automobilstandort Europa gleich von mehreren Seiten unter Druck gerät“, analysiert Jörn Neuhausen, Director und Leiter Elektromobilität bei Strategy& Deutschland. „Neben den gestörten Lieferketten machen den Herstellern in Europa vor allem die gestiegenen Energiepreise zu schaffen. Hinzu kommt ein geopolitisches Umfeld, in dem Staaten wieder aktiv Industriepolitik betreiben, um bestimmte Branchen zu fördern und Lieferketten zu lokalisieren, wie wir es etwa in den USA mit dem Inflation Reduction Act (IRA) sehen. Umso entscheidender ist es nun, eigene und autarke europäische Wertschöpfungsketten auszubauen; falls möglich, teils sogar bis zu den Rohstoffen.“

Quelle: PwC Strategy& – Pressemitteilung vom 04.11.2022

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
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LRC:

Es sind nicht so viele Arbeitsplätze wie immer behauptet wird. Die gesamten Autobranche incl. der Zulieferer machen nur 5% des produzierenden aus. Der deutschen Wirtschaft macht das nichts aus wenn die old boys weg sind.

Läubli:

Ganz genau, so ist es. Jeder einigermaßen loyal (hier im Patriotischen Sinne) denkende Deutsche Staatsbürger sollte das genauso machen, wie Sie, Herr Geiger schreiben. Mit EU-Modelle und Autos von Tesla unterstützen wir alle den EU-Markt und auch den Deutschen Markt stark, weil sehr viel Arbeitsplätze daran hängen und die großen Gigabetriebe ausgelastet sein sollten. Das dies in Deutschland super funktioniert und was alles in rekordverdächtiger, kurzer Bauzeit möglich ist, das hat Tesla in Grünheide gegenwärtig bewiesen. Warum machen da die großen deutschen Hersteller nicht mit??

matthias.geiger@t-online.de:

Insbesondere die deutschen Autobauer konzentrieren sich auf die Luxussegmente und geben somit den volumenstarken Markt z.B. Kleinwagen, Mittelklasse preis. Das halte ich für einen grossen Fehler da somit Skaleneffekte verloren gehen und die E-Mobilität in der Mitte der Gesellschaft ausgebremst wird. Auch tausende Arbeitsplätze stehen in Deutschland so auf dem Spiel. Wir sollten uns mit aller Macht gegen die Importe aus China in die EU stemmen und europäische Modell inkl. Tesla kaufen.

RK3:

Es sind nicht nur die Lieferkettenprobleme. Die europäischen Hersteller haben sehr lange versucht, die notwendige Transformation hin zu Elektromobilität zu bremsen, gehofft, dass sie noch lange Verbrenner verkaufen können und dass die Transformation langsam von statten geht.

Dabei haben Sie verpasst rechtzeitig in Rohstoffbeschaffung, Zellherstellung und Elektroantriebe zu investieren. China ist hier viele Jahre voraus.
Viele haben prophezeit, dass die deutschen Hersteller untergehen werden. Das werden Sie nicht. Sie führen die Transformation nun aber gewzungenermaßen durch, in dem Sie den Vorsprung von China bei Batterietechnologie nutzen und dort immer stärker investieren und die alte Technologie hier zurückfahren.

BMWs iX3 wird heute schon vollständig in China gebaut, ebenso der Dacia Spring. Die Akkus vieler europäischer Modelle kommen ebenso aus China oder im weiteren Sinne aus Asien (z.B. Südkorea).

Aus Konzernsicht ist die Verlagerung nach China zwar nachvollziehbar, um den jahrelangen Tiefschlaf betriebswirtschaftlich in den Griff zu bekommen. Volkswirtschaftlich ist es für Deutschland/Europa aber bedenklich.

Läubli:

Als Ergebnis sehen wir, dass es kein europäisches Modell in die Top 5 der meistverkauften E-Autos weltweit schafft

“, sagt Felix Kuhnert, Partner und Automotive Leader bei PwC Deutschland.
Ja, diesen Trend kann man schon eine ganze Weile verfolgen, wenn man aufmerksam den Markt liest. Die Europäer scheinen einfach nicht in der Lage zu sein, ihre Lieferprobleme lösen zu können – das ist schlecht für den EU-Markt. Dieser wird sich nun mit Alternativen, also den Importautos abfinden müssen… aber das ist nicht mal so schlecht, da eben diese Marken viel neue, moderne Technik, Servicelösungen und Ideen der neuen Mobilität mitliefern. Das bringt den Markt in Schwung und piekst den „Hiesigen“ ordentlich in den schlafenden hintern, damit auch diese endlich, endlich was bieten! Ich möchte nämlich auch ein EU Produkt fahren… aber es gibt einfach nichts für meine Ansprüche in Leistung, Modernität und Preis!

heinr:

die Folgen der Globalisierung wiederholen sich eben. Wenn Europa bald nix mehr zu exportiern hat können wir ja freundlich um Aufnahme nach China bitten…

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