„Elektromobilität in der Fahrschule ist ein Megathema“

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Volkswagen

Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 7 min

Der Umstieg auf Elektroautos ist für Fahrschulen aus vielen Gründen sinnvoll: Sie sind umweltfreundlich, modern und verringern die Betriebskosten. Nicht zuletzt wächst die Nachfrage bei Schülerinnen und Schülern – auch aufgrund einer Anpassung bei der Ausbildung. Immer mehr Fahrschulen rüsten ihre Fuhrparks um.

Neu Wulmstorf bei Hamburg. Es ist ein sonniger Spätsommertag, auf dem Parkplatz im Innenhof der Fahrschule Sander stehen dicht an dicht grün beklebte Fahrzeuge – seit der Gründung im Jahr 1970 die markante Farbe der familiengeführten Fahrschule. Nur ein Fahrzeug sticht mit seiner blauen Beklebung heraus: Ein ID.3 von Volkswagen. „Das war vor rund sechs Monaten unser erstes Elektroauto und wir haben uns bewusst für die auffällige Farbe entschieden, um ein Zeichen zu setzen“, sagt Malte Sander, der die Fahrschule in zweiter Generation leitet.

Die Transformation zur elektrifizierten Fahrschule treibt der 43-Jährige seitdem Stück für Stück voran – mittlerweile gehören vier weitere Elektroautos zur Flotte. „Derzeit haben wir noch rund 30 Verbrenner-Pkw im Fuhrpark, wovon wir so viele wie möglich durch Elektroautos ersetzen möchten. Aber das muss auch in die betrieblichen Abläufe passen“, erklärt Sander. Dabei spielen nicht nur die Kosten, sondern vor allem die Ladeinfrastruktur eine Rolle. „Wir haben als Fahrschule mehrere Förderungen beantragt, die erste davon wurde jetzt genehmigt. So werden hier am Hauptsitz in einem ersten Schritt vier Ladepunkte errichtet.“

Elektroautos in Fahrschulen sind auch aus Sicht der Hersteller sinnvoll. Neben dem Absatz der Ausbildungsfahrzeuge ist es vor allem die Begeisterung bei den Fahrschülerinnen und Fahrschülern: Wer in einem Elektroauto die Ausbildung macht, möchte häufig auch im Anschluss ein elektrifiziertes Auto fahren. Nicht selten sogar exakt das Modell, auf dem gelernt und bestanden wurde – denn der positive Bezug bleibt. Gerade die junge Generation ist es, die zukünftig darüber entscheiden wird, wie schnell Elektroautos die Verbrenner auf der Straße sukzessive ersetzen. Fahrschulen können damit auch einen Beitrag zur Meinungsbildung leisten.

B197-Führerschein erleichtert Umstieg

Um das Interesse an dieser Ausbildung weiter zu steigern, soll eine seit April 2021 geltende Neuerung bei der Führerscheinprüfung helfen. Der B197-Führerschein erlaubt es, die Ausbildung auf Fahrzeugen mit Schaltgetriebe und Automatikgetriebe zu kombinieren. Lediglich zehn Mindestfahrstunden müssen handgeschaltet absolviert werden. Die praktische Prüfung kann dann auf einem Auto mit Automatikgetriebe erfolgen – dazu zählen auch elektrisch angetriebene Fahrzeuge, die nicht mit Handschaltung erhältlich sind. Mit der Änderung wird es Fahrschulen leichter gemacht, auf Elektroautos umzusteigen. Und die Nachfrage ist da: „Bei uns haben sich im vergangenen halben Jahr etwa 90 Prozent der Fahrschülerinnen und Fahrschüler für den B197 angemeldet“, sagt Sander.

Nicht erst seit der Fridays-for-Future-Bewegung wächst bei der Jugend das Interesse an Umwelt und Nachhaltigkeit – und so schließt sich ein Kreis: „Elektromobilität ist die Zukunft und es macht total Spaß“, so die 19-jährige Fahrschülerin Helena Reintsema. „Ich finde es toll, mit einem E-Auto zu fahren, weil es leicht zu bedienen ist und das Gefühl der Straße gut vermittelt. Nach der bestandenen Prüfung kann ich mir auf jeden Fall vorstellen, weiter elektrisch zu fahren, wenn es finanziell passt.

Fahrlehrer Frank Schäfer stimmt seiner Schülerin zu: „Elektromobilität in der Fahrschule ist ein Megathema. Das ist die Zukunft und ich finde es klasse, dass wir Fahrschülerinnen und Fahrschülern moderne Technik nahebringen können und sie den Umgang mit dem Fahrzeug in Theorie und Praxis lernen“, sagt der 50-Jährige. Als er gehört hat, dass in seiner Fahrschule Elektroautos im Gespräch sind, habe er innerlich „einen kleinen Freudensprung“ vollführt. Bis heute habe sich das nicht geändert. „Die Fahreigenschaften sind ideal – ob es der deutlich kleinere Wendekreis als bei einem vergleichbaren Verbrenner ist oder das Drehmoment beim Beschleunigen: Man kommt an der Ampel weg, ohne das Gefühl zu haben, dass man ein Hindernis ist.

E-Autos sind auch für Fahrschulen absolut alltagstauglich

Und wie steht es um die Reichweite? „Mit einem vollelektrisch angetriebenen Auto ändert sich im Tagesablauf gar nicht viel“, sagt Schäfer. „Man denkt oft, dass Reichweiten ein Problem sind – dem ist aber nicht so.“ Rund 300 bis 350 Kilometer wird ein Fahrschulauto im Schnitt pro Tag bewegt. „Was derzeit noch nicht möglich ist, sind vier bis fünf 90-minütige Autobahnfahrten an einem Tag ohne Ladevorgang. Aber bei meinen Kollegen und mir gibt es im Grunde immer nur gemischte Tage, und dafür sind E-Autos bestens geeignet.“ Auch weil sich Elektroautos beim Verbrauch konträr zum Verbrenner verhalten und innerorts weniger verbrauchen als außerorts. „Die Rekuperation macht es möglich“, betont Schäfer.

Und dann geht es auf die erste Fahrstunde des Tages. Konzentriert surrt Helena Reintsema in einem Stromer vom Hof. Die Fahrschülerin kennt E-Autos bereits aus der bisherigen Ausbildung und ist bislang einen ID.3 gefahren. Diesmal sitzt sie in dem etwas größeren ID.4, einem SUV. „Es ist schon ein anderes Fahrgefühl. Man sitzt höher und kann alles besser überblicken“, sagt sie zu Fahrlehrer Schäfer, der es begrüßt, wenn seine Schützlinge während der Ausbildung „so viele Autos wie möglich fahren“. Während das Duo im E-Auto dahingleitet und draußen der Spätsommer vorbeizieht, bindet Schäfer immer wieder spezifische Elemente zur Elektromobilität ein.

Elektroauto-Fahrschule-Sander
Volkswagen

Als sie sich einer geschlossenen Ortschaft nähern, sagt der Fahrlehrer: „Jetzt bitte auf die Bremse treten, die Geschwindigkeit reduzieren und dabei rekuperieren.“ Wie selbstverständlich setzt Helena die Aufforderung um. Sie und der ID.4 sind bereits nach kurzer Zeit ein eingespieltes Team. Den testweisen Wechsel vom Drive- in den Brake-Modus, in dem der ID.4 bei Gaswegnahme stärker verzögert und damit mehr rekuperiert, findet die Schülerin noch „irgendwie ungewohnt“.

Für Schäfer ist allerdings wichtig, dass seine Fahrschülerinnen und Fahrschüler wissen, welche technischen Möglichkeiten das Fahrzeug bietet. Helena weiß das zu schätzen: „Als ich zum ersten Mal das Elektroauto sah, habe ich mich gefreut. Es war meine erste Fahrstunde und es hat mich ein bisschen entlastet, weil ich wusste, dass ich mit dem Automatikgetriebe easy anfangen kann.“

Nach 60 Minuten Fahrtzeit und einer Strecke von rund 30 Kilometern über die Landstraßen im Umland hat der Stromer zehn Prozent Akkuladung eingebüßt. Kein Grund zum Laden. Und auch keine Zeit. Denn es wartet schon die nächste Schülerin auf ihre Fahrt im Elektro-SUV. „Für mich ist es eine tolle neue Erfahrung, elektrisch zu fahren. Im ersten Moment war es ein relativ großer Unterschied zum Verbrenner, aber es macht mehr Spaß und es fährt sich auch leichter“, sagt Lara Albes und fährt behutsam an. Die Freude wird auch nicht durch den einsetzenden Regen und die damit erschwerten Bedingungen getrübt.

Fahrschule-Elektroauto
Volkswagen

Die 17-Jährige freut sich bereits auf ihren Führerschein, den sie dann gleich in der Praxis anwenden kann: „Wir haben zu Hause einen Verbrenner und ein Elektroauto und so zahlt es sich auf jeden Fall aus, dass ich die Ausbildung auch auf einem E-Fahrzeug machen kann. Künftig werde ich sicher beide fahren.“ Ob sie den Führerschein überhaupt macht, stand für die Schülerin nie zur Debatte: „Es war mein Wunsch, so früh wie möglich die Ausbildung zu machen, damit ich noch ein Jahr begleitet von meinen Eltern fahren kann. Auto fahren macht mir sehr viel Spaß und wir sind viel damit unterwegs.“ So wie Lara geht es vielen: Im Jahr 2020 wurden in Deutschland rund 840.000 neue Führerscheine für Pkw ausgestellt.

Nach 90 Minuten und rund 40 Kilometern in und um Buxtehude hat Lara ihre Übungsstunde fehlerfrei beendet und dabei nur acht Prozent der Akkukapazität verbraucht. Der Rekuperation sei Dank. Für die anstehende praktische Prüfung ist sie damit bestens gerüstet. Rund 30 Fahrschülerinnen und Fahrschüler haben in diesem Jahr allein bei der Fahrschule Sander ihre Prüfung in einem E-Auto absolviert.

„Fahrschule der Zukunft“ in Planung

Laut Malte Sander wird dieser Wert künftig deutlich steigen, da der Fokus immer stärker auf Automatikgetriebe und Elektroautos liege. Der Fahrschulleiter kann sich vorstellen, dass es künftig mehr Ausbildungen nur auf E-Autos geben wird. „Um dafür gut gerüstet zu sein, brauchen wir mehr Platz, denn es fehlt noch an der nötigen Infrastruktur“, sagt Sander. Die Zahl seiner Ladesäulen möchte er signifikant erhöhen und den für die Ladeprozesse benötigten Strom über eine PV-Anlage am liebsten selbst erzeugen. Die Pläne dafür existieren und schon bald soll die „Fahrschule der Zukunft“ Realität werden – mit Elektromobilität als zentralem Baustein.

Quelle: Volkswagen – Pressemitteilung vom 18.11.2021

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
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Rüdiger:

Wolfbrecht, du sprichst mir aus der Seele! Ich würde dir gerne noch mindestens 10 „Daumen hoch“ geben.
Leider gibt’s immer noch zu viele „ewig Gestrige“.

Robert:

ein echtes autonom fahrendes Auto hat kein Lenkrad und keinerlei Bedienelemente fürs fahren, nur eine bedieneingabe für das Fahrziel und ansosnten nur unterhaltungselektronik um sich die Zeit zu vertreiben oder liegesitze um eine runde zu pennen bis man am ziel ist

Farnsworth:

Ein autonomes Fahrzeug ist für mich erst autonom, wenn es damit klarkommt. Ohne irgendwelche Car To X Tricks oder spezielle Leitsysteme. Im Zweifelsfall muss das System halt anhalten.

Farnsworth

Wolfbrecht Gösebert:

„In 2030 werden z.B. auf gar keinen Fall nur autonome Autos fahren. Da haut der KI dann immer noch noch unberechenbare Mensch dazwischen.“

Klar: Die KI scheitert auch 2030 schon viel früher, z.B. auf Feld-, Wald- und Wiesen-Wegen und – noch viel banaler – schon auf dem Parkplatz unseres Gartenvereins … :P

Wolfbrecht Gösebert:

Wenig netter und zudem untauglicher Versuch der Diffamierung einer aus meiner Sicht beispielhaften Umweltschutz-Bewegung!

Frank:

In 10 Jahren gibt es keine Fahrschule mehr, die „Fridays-for-Future-Bewegung“ wird nicht glauben, dass Autoreifen oder Straßenbrücken CO² neutral hergestellt werden, die machen erst recht keinen Führerschein und begeben sich bestimmt nicht auf eine Reise.

KaiGo:

Es ist auch die große Frage, ob man am Ende nicht einen Führerschein braucht um mit einem autonomen Fahrzeug „mitzufahren“. Das ist rechtlich sicherlich im Laufe der Jahre auch noch zu klären. Ggf. muss man ja im Notfall Situationen selber eingreifen. Die Frage ist ja, wie sicher das autonome Fahren dann auch wirklich am Ende sein wird. In 2030 werden z.B. auf gar keinen Fall nur autonome Autos fahren. Da haut der KI dann immer noch noch unberechenbare Mensch dazwischen.

Wolfbrecht Gösebert:

„Bis Ende des Jahrzehnts wird es sicher selbstfahrende Autos geben.“

Das glaube ich nicht, Tim … äh, Jan!
Assistiertes Fahren –>ja, aber 100% aller denkbaren Strecken –>nein!
Da wird’s dann immer noch einen „Führerschein“ brauchen.

KaiGo:

Bei uns fahren ein/ zwei weniger Fahrschulen mittlerweile mit einem Elektroauto rum. Primär würde ich mal sagen, dass sich das für die Fahrschulen am Ende finanziell lohnt. Laut Artikel fährt das Auto etwa 300-350km pro Tag. Sagen wir mal ein kleinerer Betrieb fährt 46 Wochen im Jahr, 5 Tage pro Woche, macht rund 230 Tage pro Jahr, also 230 Tage x 300km/Tag = 69.000km pro Jahr. Was wird ein Diesel bei der Fahrschul-typischer Fahrweise verbrauchen (3. Gang bei 50km/h usw)? 6 Liter/100km mit Sicherheit bei den ganzen Stadtfahrten. Macht also bei den aktuellen rund 1,50€/Liter (wenn man Glück hat) etwa 9€/100km = 6210€ pro Jahr für Sprit + Wartungskosten. Das Elektroauto dürfte man wohl locker mit <20kWh/100km fahren. Macht bei 30ct/kWh = 6€/100km (eher weniger), also 4140€ pro Jahr für Strom, bei geringeren Wartungskosten. Also pessimistisch gerechnet sind das 2000€ pro Jahr minimum an Ersparnis von Strom vs. Sprit. Dazu kommen Steuer und Wartungskosten. Dazu der Fakt, dass die Spritpreise steigen und man beim Strom die Option hat den teilweise aus der eigenen PV zu Erzeugen (womit man dann bei 2€/100km oder drunter wäre und das auch Dauer über 20-30 Jahre).

KaiGo:

Solange ich die Dinger noch nicht rumfahren sehe und auch noch die absolute Mehrzahl der Leute selbst fährt, sehe ich so einen krassen Umbruch noch nicht.

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