Daimler-Betriebsratschef kritisiert Vorstand harsch u.a. für zu zaghaften E-Mobility-Kurs

Cover Image for Daimler-Betriebsratschef kritisiert Vorstand harsch u.a. für zu zaghaften E-Mobility-Kurs
Copyright ©

shutterstock / Lizenzfreie Stockfoto-Nummer: 760079188

Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 3 min

Daimler-Betriebsratschef Michael Brecht gehört zu den mächtigsten Gewerkschaftern der Republik. Im Gespräch mit dem Handelsblatt hat Brecht nun – was ungewöhnlich ist für ihn – ordentlich Dampf abgelassen. Der Grund für seine ersichtlich schlechte Laune waren einige Entscheidungen der Daimler-Führungsetage, mit denen der oberste Interessenvertreter von mehr als 170.000 Daimler-Mitarbeitern in Deutschland nicht einverstanden ist.

Zum Beispiel baut Daimler gemeinsam mit seinem chinesischen Investor Geely ab 2024 im großen Stil Vierzylinder-Benzinmotoren. Allerdings nicht hierzulande, sondern in Fernost, obwohl in Deutschland laut Brechts Meinung ausreichend Kapazitäten vorhanden wären: Im Daimler-Stammwerk in Stuttgart-Untertürkheim etwa sollen aufgrund der Antriebswende 4000 Arbeitsplätze wegfallen. Gleichzeitig sei der Standort für die Vierzylinder-Fertigung noch nicht einmal in Erwägung gezogen worden. „Das ist ein schlechter Stil, mit dem wir uns leider immer häufiger konfrontiert sehen“, sagte der sonst als sehr besonnen geltende Brecht dem Handelsblatt. Mit der Folge, dass die Beschäftigten gereizt seien und die Stimmung im Betrieb insgesamt schlecht sei.

Der Vorstand schießt übers Ziel hinaus. Die Belegschaft ist doch nicht der Feind“, kritisierte Brecht die Entscheidung des Vorstands im Handelsblatt. Es sei für die Mitarbeiter wichtig, „dass die deutschen Standorte bei weitreichenden Produktentscheidungen wie beispielsweise der neuen Motorengeneration eine faire Chance erhalten und beim Zuschlag in Betracht gezogen werden“, erklärte Brecht. Dies sei beim Zuschlag für den Standort in China nicht der Fall gewesen.

Die neuen Vierzylinder-Aggregate hätte Daimler Brecht zufolge auch im Motorenwerk in Berlin-Marienfelde produzieren können, in dem in den kommenden Jahren aufgrund eines weitgehenden Investitionsstopps mehr als die Hälfte der 2500 Arbeitsplätze wegfallen könnten. So polternd wie jetzt sei Brecht noch nie in Erscheinung getreten, so das Handelsblatt weiter. Daimlers Betriebsratschef habe zuvor kritische Themen mit dem Management meist im Vorfeld entschärft und auf diese Weise versucht, jedwede Eskalation zu vermeiden.

Aktuell allerdings würden sich alle Beschäftigten bedroht fühlen, erklärt Brecht seine schlechte Laune und schickt eine deutliche Warnung an die Konzernspitze: „Wenn der Vorstand weiter einseitig Entscheidungen fällt und uns nur noch über das Ergebnis informiert, wird das schwerwiegende Folgen für die Beziehung zu uns Arbeitnehmervertretern haben.“ Brecht sei der Überzeugung, dass Daimlers Wandel zu einem klimaneutralen Fahrzeughersteller bis 2039 nur im Schulterschluss mit der Belegschaft gelingen. Um darauf hinweisen, seien in der kommenden Woche konzertierte Aktionen über alle Standorte und Tochterfirmen hinweg geplant.

„Das gab es bei Daimler noch nie“

Das gab es bei Daimler noch nie“, sagte Brecht dem Handelsblatt über den bevorstehenden Protest und schob eine weitere Drohung hinterher: „Wenn auch dieser Protest nicht verfängt, werden die Entscheidungen schwerer werden, bei denen der Vorstand unsere Zustimmung benötigt.“

Der nun öffentlich gewordene Dissens zwischen dem Daimler-Betriebsrat und dem Vorstand fußt zwar auf der Produktion von Verbrennungsmotoren, Brecht allerdings hat die Antriebswende im Blick und betont wie wichtig es sei, in neue Technologien und Geschäftsfelder zu investieren. „Wir brauchen mehr Fertigungstiefe bei der Elektromobilität“, zeigt sich Brecht enttäuscht von dem aus seiner Sicht mangelndem Interesse der Daimler-Führungsetage an elektrifizierten Fahrzeugen.

Der Betriebsrat und auch einige Manager seien der Meinung, dass Daimler dringend in eigene Fertigungen für Batteriezellen und andere Komponenten für Elektrofahrzeuge investieren müsse – anstatt sie von Zulieferern einzukaufen. Es sei „ein Irrglaube anzunehmen, draußen wäre alles viel günstiger“, so Brecht. Daimler könne viele Produkte fürs Elektroauto-Zeitalter selbst genauso gut herstellen – sogar besser und billiger, findet Brecht.

Quelle: Handelsblatt – „Absolut beratungsresistent“: Daimler-Betriebsratschef greift Vorstände frontal an

worthy pixel img
Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
Sidebar ads

Artikel teilen:

Schreib einen Kommentar und misch dich ein! 🚗⚡👇


S. Eckardt:

So ein Statement vor 10 Jahren – vielleicht auch noch vor 5 Jahren – und der (damalige) Daimler-Betriebsrats-Chef wäre ein Held gewesen … Jetzt – wo es auch der Letzte kapiert hat – gilt leider nur noch: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Leider werden das wohl in erster Linie die Arbeitnehmer sein und nicht die Manager und (leider) auch nicht die Gewerkschafts-Chefs … die allesamt ausgesorgt haben werden.

Aber versuchen sollte man die Wende bei Daimler trotzdem – vielleicht schafft man es … mit Autos, die die Welt wirklich braucht!

Daniel W.:

Die Chinesen brauchen eigentlich nur den guten Namen, der Rest ist egal. Falls Daimler nicht aufpasst, dann wird er zum „Markennamen-Lizenzgeber“ und dafür reicht auch ein Büro und wenige Mtarbeiter.

Wenn die Arbeitsplätze abgebaut werden, dann dürfte auch die Unterstützung der Politik kleiner werden und der grüne Ministerpräsident und seine Partei müsste keine Rücksicht mehr auf Daimler nehmen.

Vielleicht erleben wir hier in Baden-Württemberg den Untergang vom Daimler und eine schnellere Energiewende hinzu zu Fahrradstrassen, ÖPNV, Güterverkehr auf Schienen und E-Autos, da die Verbrenner-Lobby im „Ländle“ keinen Geldkofferträger mehr hat.

Peter Bigge:

Daimler kann zwar gut, aber nicht klimafreundlich.
Es gibt zwar Ansätze zur eMobilität, aber viele die es besser können.
Daimler ist zwar Entwickler des ersten Autos mit Verbrenner, aber die Verbrennerära geht mit dem dadurch verursachten Klimaschaden zu Ende. Fortbestand kann nur durch Wandel erreicht werden, welches die Gewerkschaft erkannt hat.

Stefan:

Noch Schlimmer wird es, wenn die Chinesen Daimler nicht mehr brauchen. Das wird nicht mehr lange dauern. Management Bug 2.0. Nach dem Chrysler Abenteuer.

Uwe:

Die „Klitsche“ baut die erfolgreichen E-Modelle und erweitert rechtzeitig die Modellpalette.

Daimler Deutschland glänzt vor allem im Automobil-Museum.

Egon Meier:

Dieses Gejammer der Betriebsräte kann ich nicht hören.
In Wolfsburg haben sie sich mit den Petrolheads im Unternehmen verbündet um möglichst viel Wandel zu verhindern und Diess jeden denkbaren Stein in den Weg zulegen und hier heulen sie wegen mangelndem Engagement in Sachen E-Mobilität.

Erst treiben sie die Firmentarifverträge und Betriebsvereinbarungen ins Groteske und und dann wundern sie sich, dass ein Fahrzeugunternehmen keine Gelddruckmaschine ist.

An dem Anspruchswahn der Gewerkschaften ist seinerzeit GM kaputt gegangen (übrigens auch die Partnerschaft zwischen MB und Chrysler).

Mitverantwortlich ist mit Sicherheit auch die Geschäftsleitung, die in guten Zeiten sich alles abpressen ließ. Zudem ist zuviel schief gegangen: Chrysler, EQC, lächerliche Zusammenarbeit mit der der Klitsche Renault ..
Die Anteilseigener haben ihren Aktienverlust gehabt, die AN haben sich jahrzehntelang die Taschen vollgesteckt und dürfen jetzt auch mal etwas kürzer treten. Sie können sich ja bei Tesla bewerben. Die haben es ja viel besser gemacht.
Allerdings können sie sich da nicht beim Laufen die Schuhe besohlen lassen.

Tesla-Z:

Waren es nicht auch die Betriebsräte, die jahrelang am Status quo festgehalten haben? Gejammert, weil mit E viele Arbeitsplätze wegfallen würden? Jetzt fallen sie weg, aber nicht wegen E, sondern wegen dem Zögern.

Strauss:

Brecht hat natürlich vollkommen Recht , und zeigt dass es in den Firmen nicht einfach ist, das Ruder voll auf E umzuwerfen.

Ähnliche Artikel

Cover Image for MG zündet nächste E-Auto-Stufe: IM5 und IM6 setzen auf 800-Volt-Technik

MG zündet nächste E-Auto-Stufe: IM5 und IM6 setzen auf 800-Volt-Technik

Michael Neißendorfer  —  

Auf einer 800-Volt-Plattform aufbauend, versprechen die Elektroautos nicht nur flotte Ladezeiten sondern auch hohe Reichweiten und viel Leistung.

Cover Image for Munro Series M startet mit 20 Millionen Euro Auftragsvolumen

Munro Series M startet mit 20 Millionen Euro Auftragsvolumen

Sebastian Henßler  —  

Für härteste Einsätze gemacht: Munros elektrischer 4×4 bietet Nutzlast, Zugkraft und drei Aufbauformen – wartungsarm, geländetauglich und alltagstauglich.

Cover Image for Mit V2G und Heimladen bares Geld sparen: Ford zeigt, wie sich Elektromobilität rechnet

Mit V2G und Heimladen bares Geld sparen: Ford zeigt, wie sich Elektromobilität rechnet

Michael Neißendorfer  —  

Ein entscheidender Gamechanger in der Elektromobilität spielt sich nicht auf der Straße ab – sondern in der Einfahrt, wie Zahlen von Ford zeigen.

Cover Image for Rivian: Quad-Motor mit 754 kW Leistung für R1S und R1T

Rivian: Quad-Motor mit 754 kW Leistung für R1S und R1T

Sebastian Henßler  —  

Vier Motoren, 1625 Nm Drehmoment und Launch Cam: Rivian stattet R1T und R1S mit verbesserter Technik für Alltag und Offroad aus.

Cover Image for Wie Accumotive die Batterien für den Mercedes-Benz CLA fertigt

Wie Accumotive die Batterien für den Mercedes-Benz CLA fertigt

Michael Neißendorfer  —  

Mit der Serienproduktion der Batterien für den vollelektrischen CLA setzt die Mercedes-Benz Tochter Accumotive in Kamenz einen großen Meilenstein.

Cover Image for Nur 1990 Stück: VW bringt ID.3 GTX Fire + Ice

Nur 1990 Stück: VW bringt ID.3 GTX Fire + Ice

Sebastian Henßler  —  

Ultra Violet trifft auf Flaming Red: Der ID.3 GTX Fire + Ice erinnert an den Golf-Klassiker von 1990 – jetzt mit Elektroantrieb, Design von Bogner und 240 kW Power.