Bundesnetzagentur will verordnete Möglichkeit zur Stromdrosselung

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Iris Martinz
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  —  Lesedauer 3 min

Es klingt wie Hohn: Elektromobilität und emissionsfreie Heizungssysteme werden als Schlüsseltechnologien der Energiewende gesehen – und die Stromnetzbetreiber wollen die Stromversorgung dafür begrenzen. Eine entsprechende Möglichkeit zur temporären Stromrationierung ist Teil des Entwurfs der neuen Netzzugangsverordnung, die die Bundesnetzagentur vorgestellt hat. Unternehmen wie Tesla oder Heizungshersteller Viessmann kritisieren scharf.

Elektroautos und Wärmepumpenheizung brauchen Strom. So weit, so bekannt. Die Netzbetreiber scheinen jedoch vom Boom der letzten Jahre in beiden Technologien völlig überrascht. „Wenn weiter sehr viele neue Wärmepumpen und Ladestationen installiert werden, dann sind Überlastungsprobleme und lokale Stromausfälle im Verteilnetz zu befürchten, falls wir nicht handeln„, verteidigt der Präsident der Bundesnetzagentur seinen Plan im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Seine Strategie besteht jedoch nicht etwa im Ausbau der Netze oder der Integration smarter Lastverteiler, man möchte vielmehr eine Möglichkeit schaffen, die Stromversorgung in den Niedrigspannungs-Verteilnetzen vorübergehend zu drosseln. Elektroautos könnten dann an der heimischen Ladestation nicht mehr mit voller Leistung laden, und Wärmepumpen könnten nicht mehr die volle Heizleistung erbringen.

Gegen diese Brems-Strategie laufen sowohl Elektroautohersteller als auch Wärmepumpenlieferanten Sturm: Am Mittwoch ging bei der Netzagentur in Bonn ein gemeinsamer Brief von zehn Unternehmen ein, in dem das Vorhaben scharf kritisiert wird. Unterzeichner sind neben Tesla auch Viessmann sowie die VW-Tochter Elli. Die geplanten behördlichen Eingriffe würden die Akzeptanz für Schlüsseltechnologien der Energiewenden gefährden. Statt abzuriegeln müsse man Lösungen finden, die für eine Flexibilisierung der Stromnachfrage sorgen würden. Man fürchte außerdem, dass die Stromrationierung mancherorts zum Normalzustand werden könnte, wo die Netze schon länger zu schwach ausgelegt sind. Die Cheflobbyistin der deutschen Autohersteller, Hildegard Müller, fordert, dass die Bundesnetzagentur von dieser „verbraucherfeindlichen Idee einer zentral gesteuerten Drosselung“ Abstand nimmt.

Dass das gleichzeitige Laden von vielen Elektroautos und der Betrieb von Wärmepumpen die Netze belasten können, ist unbestritten. Ein Ausbau braucht Zeit und ist in vielen Fällen auch gar nicht notwendig. Technologien für das smarte Verteilen von Lastspitzen gibt es genug, die VW-Tochter Elli und der ostdeutsche Stromnetzbetreiber Mitnetz haben erst kürzlich in einem Piloprojekt bewiesen, dass eine intelligente anreizbasierte Lenkung der Stromnachfrage möglich ist. Diese Methoden seien außerdem „mit moderatem Aufwand und verfügbarer Technik rasch umsetzbar„. Kunden wären außerdem bereit, freiwillig zu bestimmten Zeiten zu laden, wenn ihnen dafür Anreize geboten werden. Darüber müssten die Netzbetreiber aber aktiv nachdenken, eine verordnete Drosselmöglichkeit ist jedenfalls die einfachere Variante.

Wie ungerne die Bundesnetzagentur über solche Anreizsysteme nachdenken möchte, zeigt die Reaktion des Netzagentur-Chefs Klaus Müller auf die Vorschläge: man sei offen, diese weiter zu prüfen, seiner Behörde seien aber derzeit „keine umsetzbaren Modelle bekannt„. Die Briefunterzeichner fordern daher, dass die Netzbetreiber zumindest binnen zwölf Monaten die von einer Drosselung betroffenen Netzteile technisch aufrüsten müsse. Andernfalls sollten Strafzahlungen verhängt werden.

Quelle: Frankfurter Allgemeine – Mit Anreizen gegen die Stromrationierung

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Iris Martinz

Iris Martinz

Iris Martinz ist Unternehmens- und E-Mobilitätsberaterin in Österreich, mit langjähriger Erfahrung im Recycling und Second Life von E-Mobilitätsbatterien. Fährt sowohl rein elektrisch, als auch V8, und möchte die beiden Welten etwas näher zusammenbringen. Nachzulesen unter www.mustangsontour.com.
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Daniel W.:

Das Internet verbraucht viel Strom, aber man könnte es auch nutzen, um viel Papier zu sparen, denn es sollen z.B. lastwagenweise Aktenordner mit Papier für die Genehmigung von Windrädern zu den Ämtern gefahren werden – dieses Papier und der benötigte Strom für die Herstellung ließe sich sparen.

Das Stichwort ist Digitalisierung und in Sachen Energiewende auch Bürokratieabbau, damit lässt sich viel Papier, viele Transportfahrzeuge, viel Zeit und auch viel CO2 sparen – dazu noch Dezentralisierung, damit nicht überall die große Konzerne und deren Aktionäre mit durchgefüttert werden müssen.

Norbert Seebach:

Das ist doch wohl ein absoluter Hohn gegenüber Allen, die die Energiewende voranbringen wollen und auch privat erheblich investiert haben: erst alles elektrifizierten wollen (was ich gut und richtig finde wenn es sich um regenerativ erzeugten Strom handelt) – und dann den Strom bei Bedarf einfach abschalten/reduzieren. Ist ja auch einfacher als Ausbauhemmnisse für EE endlich ernsthaft auch gegen Widerstände von Fossil-Lobbyisten, vermeintlichen Umweltschützern und ewig Gestrigen zu beseitigen, Genehmigungen für Windräder erheblich zu beschleunigen und Einspruchsmöglichkeiten gesetzlich zu begrenzen. Vor allem gilt es, den Bau von Stromtrassen endlich massiv voranzutreiben, damit nicht wie bisher jährlich Strom im Wert von fast einer Milliarde Euro zwar von den Stromkunden bezahlt werden muss, aber mangels Leitungskapazitäten nicht genutzt werden kann. Gleiches gilt für den Ausbau von Speichern und Eletrolyseuren bis hin zur Einbindung von E-Autobatterien in das Energiesystem (V2G, V2Home). Bürgerbeteiligung darf sich nicht auf Einsprüche und Verhinderung von Projekten beschränken, vielmehr müssen die Menschen vor Ort (und nicht wenige Großkonzerne) an dezentralen, regionalen Energieprojekten partizipieren und auch finanziell unmittelbar profitieren. Auch im Bereich der Fotovoltaik sind längst nicht alle Potenziale ausgeschöpft. So wurden in der unsäglichen Ära Altmeier extra noch massive bürokratische und steuerliche Hindernisse auf den Weg gebracht, um Privatleuten die Erzeugung ihres eigenen Stroms so unattraktiv wie möglich zu machen! Zu dumm auch für unsere Politiker-Kaste, dass die Zeit der Energie-Monopolisten sich nun offenbar ihrem Ende zuneigt: schlecht für Großspenden an wohlgesonnene Parteien und lukrative Jobs zur „Anschlussverwendung“ – aber gut für alle Übrigen!

Michael Neißendorfer:

Danke für den Hinweis Niko, der ist uns durchgerutscht. Wir haben jetzt aber editiert, was hier keiner lesen will. Schöne Grüße, Michael

Tom 1:

Ihr habt Alle Recht mit eurer Meinung,aber schnellerer Ausbau der regenerativen Energien ohne Bürokratie ob Privat oder Wirtschaft, Speichersysteme,Energiegenossenschaften wo sich auch der Bürger beteiligen kann,usw. .
Was aber auch vergessen wurde,ein riesiger Stromverbraucher das ,, Internet,,
Wer verzichtet da rauf????

Niko8888:

Ich fahre, wie die meisten, Max 20 Tkm um Jahr. Da kann man meine Wallbox gerne stundenweise abschalten- juckt mich und die meisten anderen überhaupt nicht.
wenn das dann noch durch einen finanziellen Vorteil versüßt wird ist das ein intelligentes Konzept und spart nachhaltig Ressourcen.

Niko8888:

Bitte keine Beschimpfungen hier. Das ist komplett daneben

Reinhard Wenzel:

DIe netzabhängige Abschaltung bestimmter Verbraucher ist keine Idee dieser Zeit, sondern uralt : Wärmepumpen, Nachtspeicherheizungen und andere große Verbraucher können seit Jahrzehnten vom Netzbetreiber temporär abgechaltet werden.

So gesehen nichts neues und nur der Aufschrei der üblichen Verdächtigen, der noch lauter wird, wenn die Kosten eines schnellen Netzausbaus auf die Strompreise umgelegt werden…

PS: ich habe mit den Netzbetreibern nichts zu tun, außer mich regelmäßig mit ihnen, teils mit anwaltlicher Hilfe, zu streiten…

Kona64:

Die ggf. mögliche Drosselung ist eine sinnvolle Maßname, um das Netz zu stabilisieren. Es ist ja nicht gesagt, dass es dazu kommt und die längste Drosselung würde 2h dauern. In der Zeit stünden immer noch 3,7kW zur Verfügung. Das würde immer noch reichen den Tagesbedarf in der Zeit zu laden. Praktisch gibt es für BEV Fahrer keine wesentlichen Einschränkungen. Die Industrie soll dass nicht aufbauschen. Auch bei Wärmepumpen dürfte das kein Problem sein. Mit einer Arbeitszahl von 3 liefert die dann immer noch 10kW Wärme.

S. Eckardt:

Obwohl sachlich richtig und letztlich der einzig nachhaltige Ansatz, gibt es ein großes Problem:
Er steht im Widerspruch zum kapitalistischen Wirtschaftssystem, wo Profit = Erfolg ist und zum Maß des persönlichen Wohlstands wird.
Weniger neotwendige Arbeit für alle würde eine andere Verteilung des erwirtschafteten gesellschaftlichen Reichtums erfordern …

rotzlöffel:

Sag ich ja!
Eine Smartmeterinstallation im eigenen Haus oder Wohneigentum:
Entspricht der energetischen Enteignung und dem Verzicht auf Selbstbestimmung. Ich plädiere ernsthaft auf eine Maximalzahl an Insellösungen und Autarkie. Man muss sich halt möglichst breitgefächert aufstellen. Das E-KFZ muss eben bidirektional funktionieren und als Puffer für die Insel fungieren. Mein solidar-ökologisches Mitleid mit den Regierenden* ist mittlerweile ziemlich am Ende.
*sh. hierzu auch: https://www.spiegel.de/kultur/bruno-frey-zur-zukunft-der-demokratie-ist-das-populistische-elitenbashing-etwa-berechtigt-a-aa951c97-843a-4eeb-912e-289e2cb7c4cf

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