MIT-Forscher entwickeln Brennstoffzelle mit Natrium als Treibstoff

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Noch ist das System im Labormaßstab so klein wie eine Streichholzschachtel. Die nächste Natrium-Brennstoffzelle soll so groß wie ein Ziegelstein sein. / Quelle: MIT, Gretchen Ertl

Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 5 min

Während der Batterie-elektrische Antrieb bei Pkw wunderbar funktioniert und sich als alltagstauglich erwiesen hat, stößt er bei schweren Lkw auf Langstrecken und mehr noch bei Flugzeugen und Schiffen an harte Grenzen. Eine Lösung dafür wollen nun Forschende am Massachusetts Institute of Technology (MIT) zusammen mit anderen Partnern gefunden haben. Sie haben eine neuartige Brennstoffzelle entwickelt, die flüssiges Natrium nutzt, um Strom zu erzeugen.

Flüssiges Natriummetall ist kostengünstig und weit verbreitet. Als zweites Element nutzt die neuartige Brennstoffzelle die Umgebungsluft, die als Quelle für Sauerstoffatome dient. Dazwischen befindet sich eine Schicht aus festem Keramikmaterial als Elektrolyt, die Natriumionen ungehindert passieren lässt. Eine poröse, der Luft zugewandte Elektrode ermöglicht die chemische Reaktion des Natriums mit Sauerstoff und die Stromerzeugung, so die Forscher in einer aktuellen Veröffentlichung.

In einer Reihe von Experimenten mit einem Prototypen – allerdings noch im Labormaßstab – zeigten die Forscherinnen und Forscher, dass diese neue Brennstoffzelle pro Gewichtseinheit mehr als dreimal so viel Energie speichern kann wie Lithium-Ionen-Batterien, die in aktuellen Elektroautos verwendet werden. Ihre Ergebnisse werden heute in der Fachzeitschrift Joule veröffentlicht, in einem Artikel der MIT-Doktoranden Karen Sugano, Sunil Mair und Saahir Ganti-Agrawal, des Professors für Materialwissenschaft und -technik und fünf weiterer Personen.

„Wir gehen davon aus, dass die Leute diese Idee für völlig verrückt halten“, sagt Yet-Ming Chiang, Professor für Materialwissenschaft und -technik. „Wenn nicht, wäre ich etwas enttäuscht, denn wenn die Leute etwas nicht gleich für völlig verrückt halten, wird es wahrscheinlich nicht so revolutionär sein.“ Die Technologie soll tatsächlich das Potenzial haben, revolutionär zu sein, meint er. Insbesondere in der Luftfahrt, wo das Gewicht besonders entscheidend ist, könnte eine solche Verbesserung der Energiedichte den Durchbruch bedeuten, der Elektroflüge endlich in größerem Maßstab praktikabel macht.

Zwei der Forschenden mit einer Probe des Treibstoffs: Flüssiges Natriummetall. / MIT, Gretchen Ertl

„Der für eine realistische Elektroluftfahrt notwendige Schwellenwert liegt bei etwa 1000 Wattstunden pro Kilogramm“, sagt Chiang. Heutige Lithium-Ionen-Batterien für Elektrofahrzeuge erreichen etwa 300 Wattstunden pro Kilogramm – weit entfernt vom Bedarf der Luftfahrt. Zwar würden 1000 Wattstunden pro Kilogramm, so Chiang, immer noch nicht ausreichen, um etwa transatlantische Flüge zu ermöglichen. Allerdings wäre es genug für etwa 80 Prozent der Inlandsflüge in den USA, die in dem Land etwa 30 Prozent der Emissionen der Luftfahrt ausmachten. Im europäischen Maßstab gedacht könnte die Technologie einen Großteil der Flüge innerhalb Europas abdecken.

Die Technologie könnte auch für andere Sektoren von Bedeutung sein, wie etwa den Schiffs- und Schienenverkehr. „Sie alle benötigen eine sehr hohe Energiedichte und niedrige Kosten“, sagt Chiang. „Und genau das hat uns an Natriummetall gereizt.“ In den vergangenen drei Jahrzehnten wurde intensiv an der Entwicklung von Lithium-Luft- oder Natrium-Luft-Batterien geforscht, doch es war schwierig, sie vollständig wiederaufladbar zu machen. „Die Energiedichte von Metall-Luft-Batterien ist schon lange bekannt und äußerst attraktiv, wurde aber in der Praxis nie umgesetzt“, sagt Chiang.

Am Ende entsteht… Backpulver

Durch die Verwendung des gleichen elektrochemischen Grundkonzepts, nur dass die Forschenden daraus eine Brennstoffzelle statt einer Batterie machten, konnten sie die Vorteile der hohen Energiedichte praktisch umsetzen. Anders als bei einer Batterie, deren Materialien einmalig zusammengesetzt und in einem Behälter fest versiegelt werden, werden bei einer Brennstoffzelle die energietragenden Materialien ein- und ausgespeist.

Die Abgase der Brennstoffzelle sind nicht nur CO2-frei, sie binden sogar CO2 aus der Luft, da als Nebenprodukt Natronlauge entsteht, die CO2 zu Natriumbicarbonat umwandelt – auch bekannt als Backpulver. Das bringe einen zusätzlichen Vorteil mit sich: Sollte das Endprodukt, das Natriumbicarbonat, im Meer landen, könnte es dazu beitragen, das Wasser zu entsäuern und so einer weiteren schädlichen Wirkung von Treibhausgasen entgegenwirken.

Das MIT-Team (v.l.): Saahir Ganti-Agrawal, Karen Sugano, Sunil Mair, und Yet-Ming Chang. / MIT, Gretchen Ertl

Das System soll zudem sicherer als Batterien sein, da mit der Luft nur eine Seite der Reaktion ständig verfügbar ist. Das verringere das Risiko von Explosionen bei Unfällen. Außerdem sind die einzelnen Zellen austauschbar, da sie wie eine Gasflasche wiederaufgefüllt werden können. Die Forscher beschreiben die Anordnung wie gestapelte Tabletts in einem Regal.

Darüber hinaus stammt Natrium hauptsächlich aus Natriumchlorid, also Salz, und ist daher reichlich vorhanden, weltweit weit verbreitet und leicht zu gewinnen – im Gegensatz zu Lithium und anderen Materialien, die in heutigen Elektroautobatterien verwendet werden.

Propel Aero arbeitet an der Skalierung des Systems

Aktuell gibt es nur einen kleinen Einzelzellen-Prototypen, doch Chiang ist zuversichtlich, dass sich das System recht einfach auf praxistaugliche Größen für die Kommerzialisierung skalieren lässt. Mitglieder des Forschungsteams haben bereits das Unternehmen Propel Aero gegründet, um die Technologie zu entwickeln. Das Unternehmen ist derzeit im Startup-Inkubator des MIT „The Engine“ untergebracht.

Das geplante System soll eine nachfüllbare Kartusche verwenden, die mit flüssigem Natriummetall gefüllt und versiegelt wäre. Nach dem Entladen würde sie zu einer Nachfüllstation zurückgebracht und mit frischem Natrium befüllt. Natrium schmilzt bei 98 Grad Celsius, knapp unter dem Siedepunkt von Wasser, sodass es leicht bis zum Schmelzpunkt erhitzt werden kann, um die Kartuschen wieder aufzufüllen.

Zunächst ist geplant, eine etwa ziegelsteingroße Brennstoffzelle zu entwickeln, die etwa 1000 Wattstunden Energie liefern kann – genug, um eine große Drohne anzutreiben –, um das Konzept in einer praktischen Form zu erproben, die beispielsweise in der Landwirtschaft eingesetzt werden könnte. Das Team hofft, eine solche Demonstration innerhalb des kommenden Jahres fertigstellen zu können.

Quelle: MIT – New fuel cell could enable electric aviation

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
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Jens:

Das stieß mir auch auf und konnte daher den Rest nicht mehr so richtig ernst nehmen.

Egon_meier:

„Flüssiges Natriummetall ist kostengünstig und weit verbreitet“

Das ist schon mal eine ganz steile These ..
Ich möchte mal die Kostenberechnung zu Gewinnung von flüssigem Natium sehen und dann das Transport- und Laderrisiko auch nur ansatzweise diskutiert/gelöst haben.
Und wie kriege ich das flüssig in den Tank? Schmelztemperatur knapp 100 Grad und Ladetemperatur 150 bis 200? Wie sehen die Schläuche und Kupplungen aus? Wer kühlt die?

so nebenher (dank KI)
„Flüssiges Natrium kann in der Technik für Kühlung, z.B. in schnellen Brüterreaktoren, eingesetzt werden. Es hat jedoch auch einige Probleme. Dazu gehören die Korrosion von Materialien und die Gefahr von Explosionen durch Reaktion mit Wasser.“

Flüssiges Natium ist saugefährlich …

Johannes:

Geht es konkreter? Im Gegensatz zu dir habe ich die strittigen Aussagen zitiert

Daniel W.:

Natrium ist flüssig bei 98° Celsius, d.h. es müsste entweder in Isolierbehältern gelagert und auf Temperatur gehalten werden oder es müsste fortlaufend der benötigte Anteil an Natrium für die Brennstoffzelle erhitzt und verflüssigt werden, damit das BZ-System mehrere Stunden am Stück arbeiten kann.

Wie hoch ist der Energieaufwand für die Verflüssigung des Natrium und wurde das bei den 1000 Wattstunden pro Kilogramm schon berücksichtigt?

Es gab da Fahrräder mit BZ-Antrieb, für die man den benötigten Wasserstoff in Kartuschen kaufen können sollte – man hört nichts mehr davon.

Es ist ein Forschungsvorhaben und noch ganz am Anfang, aber die BZ-Freunde dürfen schon mal träumen von der Alternative zu Batterien.

Jeff:

Genaues lesen des Artikels würde die ersten beiden Punkte des Kommentars überflüssig machen.

Johannes:

Bestimmt ein wichtiger Meilenstein für Schiffe und Flugzeuge. Man sollte seine eigene Glaubwürdigkeit nicht durch sinnlose Argumente torpedieren:
„…stößt er bei schweren Lkw … an harte Grenzen“ – tut er nicht
„…dass diese neue Brennstoffzelle pro Gewichtseinheit mehr als dreimal so viel Energie speichern kann…“ – Die Brennstoffzelle speichert Energie? Aha
„…Das System soll zudem sicherer als Batterien sein…“ – Ganz dünnes Eis dieses Angstthema anzureißen

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