Batterieexperte: Müssen uns von „lieb gewonnenen Stereotypen“ verabschieden

Cover Image for Batterieexperte: Müssen uns von „lieb gewonnenen Stereotypen“ verabschieden
Copyright ©

shutterstock / Lizenzfreie Stockfoto- Nummer: 1013580466

Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 3 min

Professor Dirk Uwe Sauer ist unseren treuen Lesern sicher ein Begriff. Er leitet an der RWTH Aachen den Lehrstuhl für Elektrochemische Energiewandlung und Speichersystemtechnik am Institut für Stromrichtertechnik und Elektrische Antriebe und ist in diversen Funktionen an mehreren zukunftsgerichteten Energie- und Umweltprojekten beteiligt. Mit Battery News sprach Sauer unter anderem über die Bedeutung der Lithium-Ionen-Batterie sowie aktuelle technologische und wirtschaftliche Herausforderungen.

Die Herausforderungen liegen vor allem in weiteren Kostensenkungen, die weitere Verbesserung der Sicherheit ausgehend von einem bereits hohen Niveau, und der Ersatz der selteneren und entsprechend teuren Materialien“, so Sauer zu Beginn des Interviews. „Von zentraler Bedeutung“ sei auch, dass sich Deutschland und Europa „von der Abhängigkeit asiatischer Anbieter lösen können“. Bislang stammt der Löwenanteil von Batteriezellen aus China, Japan und Südkorea.

Über Zukunftstechnologien für die Zeit nach Lithium-Ionen-Akkus, wie etwa Magnesium-Ionen-, Metall-Luft- und Metall-Schwefel-Batterien, äußert sich Sauer zurückhaltend. Es seien zwar „wissenschaftlich interessante Technologien“, die allerdings in der Pkw-Mobilität „wahrscheinlich in den kommenden 15 Jahren keine wesentliche Rolle spielen“ werden. Lithium-Luft-Batterien seien „Objekt der Grundlagenforschung – interessant, aber weit weg von einem auch kommerziell erfolgreichen Produkt.“ Lithium-Schwefel-Batterien seien noch „am nächsten am Produkt und können aufgrund der besseren gravimetrischen Energiedichte im Bereich Flugobjekte schnell interessant werden“, findet der Experte.

Auch über die Festkörperbatterie, die als der Nachfolger der heute gängigen Lithium-Ionen-Batterien gilt, spricht Sauer nicht mit jenem Enthusiasmus, den man von vielen anderen Managern und Experten zu diesem Thema gewohnt ist. Die Festkörperbatterie sei lediglich „eine evolutionäre Weiterentwicklung“ der aktuellen Technologie. Sauer erwartet, „dass die Nutzer es kaum merken werden, wenn der Elektrolyt nicht mehr flüssig, sondern fest ist.“ Er sehe den Schritt „nicht als ‚game changer‘ in der Industrielandschaft und auch keine wesentlichen Performanceparameter, die die Anwendung von Batterien revolutionieren werden.“

„Recycling wird wichtige Materialquelle vor allem für Länder wie Deutschland“

Als wirksamstes Mittel gegen künftige Versorgungsengpässe bei wichtigen Batterie-Rohstoffen wie etwa Lithium sieht Sauer das Recycling: „Recycling von Batterien wird eine wichtige sekundäre Materialquelle vor allem für rohstoffarme Länder wie Deutschland werden“, sagte er in dem Interview. Tatsächlich allerdings sei es so, dass „aus aktueller Sicht keine Knappheiten an Materialien bestehen bzw. von den beteiligten Branchen erwartet werden“. Das zeige sich zum Beispiel in den Preisen für Kobalt und Lithium, die „in den letzten 18 Monaten wieder massiv gefallen“ sind, „obwohl in diesem Zeitraum die Ankündigungen und ernsthaften Investitionen gerade der Automobilindustrie massiv angestiegen sind.“ Die vorherigen, vorübergehenden Preisanstiege „waren eher auf Knappheiten bei der Verarbeitung zurückzuführen, nicht auf grundsätzliche Knappheiten an Rohstoffen.“

Über den Standort Deutschland für die Batterieproduktion sagt Sauer, dass „Bundesregierung und Bundesländer in den letzten zehn Jahren eine leistungsfähige Forschungslandschaft etabliert haben, die liefern wird, wo es notwendig ist.“ Der „eigentliche Rückstand liegt in der Erfahrung der Zellproduktion“, so der Experte. Den könne „man aber nur überwinden, wenn man ‚macht‘“, damit durch Skaleneffekte die Kosten sinken und der eine hiesige Zellproduktion finanziell sinnvoll wird. Dabei müsse „die ganze Wertschöpfungs- und Produktionskette adressiert werden“, mitsamt „energieoptimierter Produktion“, womit die Verwendung von Ökostrom in der Batterieherstellung gemeint ist, damit Elektroautos ohne schweren CO2 Rucksack auf die Straßen kommen.

Besonders wichtig sei es auch, sich von „lieb gewonnenen Stereotypen wie ‚in Deutschland sind Arbeitskraft und Energie zu teuer oder Umweltschutzstandards sind zu hoch’“ zu verabschieden, „wenn Unternehmen wie CATL in Deutschland große Zellfertigungen mit bis zu 100 GWh Kapazität pro Jahr aufbauen wollen. Die werden schon gerechnet haben, ob sich das lohnt.“

Quelle: Battery News — „Die Lithium-Ionen-Batterien ist eine wissenschaftliche und kommerzielle Erfolgsgeschichte“

worthy pixel img
Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
Sidebar ads

Artikel teilen:

Schreib einen Kommentar und misch dich ein! 🚗⚡👇


InfoMoin:

Wir müssen viel größer denken. Für Fernfahrten ist induktives Laden während der Fahrt auf Autobahnen schon lange bekannt.

Peter:

Das netz hat vor Jahrzehnten schon Millionen Nachspeicherheizungen überlebt.
Und in BadenWürttemberg hats ein Versorger real ausprobiert, das Szenario „alle laden gleichzeitig“ findet schlicht nicht statt.

Peter:

Es gab eine Firma aus Israel die genau sowas entwickelt hat/entwickeln wollte.

Tsimit Po:

Das Konzept Zusatzakku macht ja gerade aus einem Kurz- und Mittelstreckenauto bei Bedarf ein Langstreckenauto. Die Statistik besagt, dass 95% der täglichen privaten PKW-Fahrten in den Bereich unter 100km fallen. Das Langstreckenauto wird also nur für max. 5% der Fahrten benötigt. Warum soll ich dann ständig einen teuren und schweren Akku mit rumschleppen und dafür noch extra Energie verbrauchen?
Es stimmt, dass gegenwärtig größere Akkus wegen der geringeren Anzahl Ladezyklen eine längere Lebensdauer haben. Das verbessert sich aber mit der Weiterentwicklung der Akkus. Die Ladegeschwindigkeit ist bei diesem Konzept ja gerade kein Thema mehr (übrigens auch mit positiven Auswirkungen auf die Lebensdauer).
Das Gewichtsproblem wird durch Weiterentwicklungen zwar tendenziell geringer, wird aber prinzipbedingt in absehbarer Zukunft bestehen bleiben. Dies könnte durch Zusatzakkus sofort gelöst werden.
Akkus sind bei den BEV das Bauteil, was die Umweltbilanz gegenwärtig am meisten belastet. Klar wird auch das langsam besser, aber eben auch nur in bestimmten Grenzen. Und gegenwärtig werden diese Verbesserungen gerade nicht zur Entlastung der Umwelt genutzt, sondern zur Reichweitenerhöhung. Das Problem wird sich potenzieren, wenn die BEV massenhaft eingeführt werden.

Wolfgang:

Es gibt sicher Bereiche in denen Wasserstoff oder gar E-Fuel Sinn machen. Ich denke da mal an den Fernverkehr, Baustellen oder Flugverkehr, aber für den Standard Verkehr ist wohl meist ein EV sinnvoll (weil effizient und eine Steckdose ist meistens leichter zugänglich als eine teure Wasserstoff Tankstelle).
Im Endeffekt wird der Preis entschieden und da werden/sind EV günstiger.

Wolfgang:

Ich hab in Österreich eine Marktpreis abhängigen Strompreis und da ist es häufig der Fall dass in der Nacht der Strompreis ins Minus geht. Das nutze ich zum Beispiel für meine Wärmepumpe, gibt übrigens auch Wallboxen die man über den Strompreis Regeln kann.

Markus Doessegger:

1+, bin ganz Ihrer Meinung

Helnut:

Natürlich ist Deutschland nicht zu teuer. Herr Sauer hat es mit Tesla oder CATL in Deutschland ja angedeutet.
Ergänzend sollte man aber hinzufügen, dass damit der Faktor Bildung und Weiterbildung leider noch nicht das Gewicht in der Wahrnehmung erhält die es hat und in Zukunft noch mehr haben wird. Tesla und CATL brauchen gut ausgebildete Ingenieure, Leute die kreativ sind, Innovationen mit befördern, neue Techniken können.

Es ist mir ein Rätsel, wie sich ein Land wie unseres der Bedeutung seiner Ausbildungssysteme so wenig bewusst ist. Wir brauchen die besten der besten Lehrer, Lehrorte, Ausstattungen. Wir brauchen die wirkungsvollsten Lernsysteme die die Erkenntnisse der Wissenschaft umsetzen und keine 1500 Lehrpläne, die von ideologischen politischen Interessen geleitet werden. Jeder investierte Euro macht sich in diesem Bereich hundertfach bezahlt. Der ROI ist unglaublich hoch. Warum überlässt man das noch immer Politikern, die fast nur Laien im Bildungsbereich sind?

An dieser Stelle sollten die Deutschen lernen sich auch mal umzusehen und von den Systemen anderer europäischer Länder lernen. Um Deutschland zu einer Wissensgesellschaft zu machen, fehlt mir die Wertigkeit der Ausbilder und Ausbildung. In diesem Punkt unterscheiden wir uns fundamental von anderen sehr erfolgreichen Ländern, in welchen diese Berufe hoch angesehen und bezahlt sind. Lehren ist eine Berufung und nicht jeder ist geeignet in diesem Bereich auf meist junge Menschen oder Kinder losgelassen zu werden.

Sollten wir an dieser Stelle nicht hinzulernen, wird sich der Trend zur elitären Privatschule verstärken, was wiederum die sozialen Unterschiede noch weiter auseinander klaffen lässt, anstatt in der kompletten die breite zu bilden.

Sorry, etwas OT, aber eben auch in diesem Zusammenhang leider zu selten erwähnt.

Matthias K.:

@ Tsimit Po
Es ist nicht mit der Entwicklung hin zu SUV zu vergleichen.
Größere Akkukapazitäten heißt hier auch gleichzeitig, nicht nur größere Reichweiten zu bekommen, sondern auch eine längere Haltbarkeit und schnellere Ladegeschwindigkeit. Das ist technisch so.

All das ist nötig, damit E-Autos nicht nur als Zweitauto oder als Kurz- bis Max. Mittelstreckenauto herhalten können.
Millionen von Leuten verreisen mit dem Auto oder viele lange Stopps.
Dass es heute Videos von Tesla’s und Ioniqs gibt, wo „Langstrecke bewiesen“ wird, liegt zum Teil an deren größeren Akkus.

Wenn der Akku auf gleicher Größe und Gewicht mehr Kapazität hat, hat dies auch keine Konsequenz in Sachen Umweltbilanz, außer etwas mehr Rohstoffeinsatz, minimal mehr CO2 bei der Produktion.
Der 22kWh-Akku von einst ist der 52kWh-Akku von heute.

Julia Richter:

Was passiert wohl, wenn alle 47 Mio PKWs abends an die 14500 Tankstellen in Deutschland fahren, damit morgens der Tank wieder voll ist? Eben, dass passiert nicht, weil es eine unsinnige Annahme ist für den Alltag.
Um morgens einen vollen Akku zu haben, reicht 7,2 oder 3,7kW völlig aus, eher noch weniger, da dein Akku ja jeden Tag voll sein soll (auch eine unsinnige Voraussetzung). Ein E-Herd braucht auch 4kW, bricht jeden Abend das Stromnetz zusammen, weil ganz Deutschland kocht? Dein Argument ist Panikmache ohne jegliche Substanz. EnBW als Netzbetreiber in Süddeutschland hat bereits mit Studien überprüft, dass heute 10 Millionen BEVs kein Problem für das jetzige Stromnetz wären. Aktuell haben wir 120.000 in Deutschland. Da ist also noch reichlich Spielraum.

Ähnliche Artikel

Cover Image for MG zündet nächste E-Auto-Stufe: IM5 und IM6 setzen auf 800-Volt-Technik

MG zündet nächste E-Auto-Stufe: IM5 und IM6 setzen auf 800-Volt-Technik

Michael Neißendorfer  —  

Auf einer 800-Volt-Plattform aufbauend, versprechen die Elektroautos nicht nur flotte Ladezeiten sondern auch hohe Reichweiten und viel Leistung.

Cover Image for Munro Series M startet mit 20 Millionen Euro Auftragsvolumen

Munro Series M startet mit 20 Millionen Euro Auftragsvolumen

Sebastian Henßler  —  

Für härteste Einsätze gemacht: Munros elektrischer 4×4 bietet Nutzlast, Zugkraft und drei Aufbauformen – wartungsarm, geländetauglich und alltagstauglich.

Cover Image for Mit V2G und Heimladen bares Geld sparen: Ford zeigt, wie sich Elektromobilität rechnet

Mit V2G und Heimladen bares Geld sparen: Ford zeigt, wie sich Elektromobilität rechnet

Michael Neißendorfer  —  

Ein entscheidender Gamechanger in der Elektromobilität spielt sich nicht auf der Straße ab – sondern in der Einfahrt, wie Zahlen von Ford zeigen.

Cover Image for Rivian: Quad-Motor mit 754 kW Leistung für R1S und R1T

Rivian: Quad-Motor mit 754 kW Leistung für R1S und R1T

Sebastian Henßler  —  

Vier Motoren, 1625 Nm Drehmoment und Launch Cam: Rivian stattet R1T und R1S mit verbesserter Technik für Alltag und Offroad aus.

Cover Image for Wie Accumotive die Batterien für den Mercedes-Benz CLA fertigt

Wie Accumotive die Batterien für den Mercedes-Benz CLA fertigt

Michael Neißendorfer  —  

Mit der Serienproduktion der Batterien für den vollelektrischen CLA setzt die Mercedes-Benz Tochter Accumotive in Kamenz einen großen Meilenstein.

Cover Image for Nur 1990 Stück: VW bringt ID.3 GTX Fire + Ice

Nur 1990 Stück: VW bringt ID.3 GTX Fire + Ice

Sebastian Henßler  —  

Ultra Violet trifft auf Flaming Red: Der ID.3 GTX Fire + Ice erinnert an den Golf-Klassiker von 1990 – jetzt mit Elektroantrieb, Design von Bogner und 240 kW Power.