Was der aufstrebende Batterie-Recycler Cylib für die Zukunft plant

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Cylib

Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 4 min

Seit Kurzem läuft beim Batterie-Recycler Cylib in Aachen die Pilotanlage zur Wiedergewinnung wertvoller Rohstoffe. 500 Kilogramm an Altbatterien pro Tag kann das Unternehmen verwerten, die Arbeiten für eine weitaus größere Anlage haben bereits begonnen. In einem Interview mit Battery-News sprachen zwei der Gründer, COO Gideon Schwich und CTO Paul Sabarny, über den aktuellen Stand und weitere Pläne bei Cylib.

Wir haben gerade die Pilotlinie eingeweiht, die über eine viel größere Kapazität als unser früheres Institut verfügt“, sagt Sabarny über die neue Anlage, die auf mehrjähriger Forschung an der RWTH Aachen aufbaut. Der Aufbau einer Anlage „im vollen Industriemaßstab“ soll 2024 starten, ihre Inbetriebnahme ist „in den kommenden Jahren“ geplant. „Die Erkenntnisse, die wir in der Pilotanlage sammeln, fließen parallel in die Planung der Industrieanlage ein, die schon im Gange ist“, sagt Sabarny über den Stand der Entwicklung.

Schon jetzt habe sich gezeigt, dass enormer Bedarf besteht, wie Schwich im Gespräch mit Battery-News erklärt: „Wir können jetzt schon feststellen, dass der Recycling-Kapazitätsbedarf das Volumen unserer Pilotlinie deutlich übersteigt“, so der Mitgründer. „Viele Automobilhersteller“ seien auf das Unternehmen zugekommen und man habe bereits mehrere Kooperationen sowohl mit kleinen lokalen Produzenten als auch mit deutschen Herstellern abgeschlossen.

Schwich zufolge ist es Cylib in der Konzeption unter anderem darum gegangen, einen möglichst flexiblen Prozess zu ermöglichen. Deshalb könne die Pilotanlage „sowohl normale Packs verarbeiten, die am Ende ihres Lebenszyklus stehen, als auch Produktionsausschuss“. Vor allem letzterer Bereich sei „schon jetzt äußerst interessant, weil er bereits existiert“. Bei Akkupaketen aus Elektroautos kommen die ersten Rückläufer nur in eher geringeren Stückzahlen. Der Großteil dieser „End of Life-Batterien wird in den nächsten sieben bis zehn, vielleicht zwölf Jahren zurückkommen – abhängig davon, wie die Modelle gefahren werden“, erklärt Schwich.

„Wir können im Prinzip alles verarbeiten“

Sabarny ergänzt, Cybib könne „im Prinzip alles verarbeiten – angefangen von beschichteten Folien bis hin zu kompletten Batterien“. Auch Schwarze Masse von anderen Recycling-Unternehmen könne perspektivisch in die eigenen Prozesse integriert werden. Schwich rechnet mit „sehr vielfältigen“ Materialien: „Produktionsausschuss, erste End of Life-Zellen, Prototypen- oder beschädigte Batterien“.

Dabei sei die Flexibilität der Prozesse mit mehreren Eingangsstufen sehr vorteilhaft: „Wir können verschiedene Materialien zu verschiedenen Zeitpunkten aufnehmen, sei es Black Mass zu einem späteren oder End of Life-Packs zu einem früheren Zeitpunkt“, was für die kommenden zwei bis fünf Jahre sehr wichtige Themen seien. Theoretisch könne Cylib seinen Kunden einen „Full Service“ anbieten: „Dabei nehmen wir die Packs an und geben die Rohstoffe in genau der Form zurück, die sie benötigen“, so Schwich.

Unser Schwerpunkt liegt darauf, die Rohstoffe so zurückzugewinnen, dass sie in anspruchsvollen Anwendungen wieder zum Einsatz kommen können“, ergänzt Sabarny. Der Anspruch sei eine Rückgewinnungseffizienz von etwa 90 Prozent. „Bei bestimmten Rohstoffen, wie Kobalt und Nickel, können wir sogar Rückgewinnungsquoten erzielen, die deutlich über 90 Prozent liegen“. Bei Lithium liege die Quote bei gut 80 Prozent, aber auch hier seien „höhere Werte möglich“.

Nun gehe es Cylib auch darum, seine Präsenz im europäischen Raum auszubauen, „möglicherweise Fabriken hier vor Ort zu errichten“ und ganz Europa „mit Sekundärrohstoffen zu bedienen, die in naher Zukunft eine wichtige Rolle spielen“, so Sabarny im Interview. „Das grenzüberschreitende Recycling vor allem von End of Life-Batterien ist natürlich eine Herausforderung“, merkt der Mitgründer an. Ein Hindernis aber soll das nicht sein.

Ein nachhaltiger Recyclingprozess

Die steigende Nachfrage nach Batterien für Elektroautos, Power Tools und erneuerbare Energiesysteme hat in den vergangenen Jahren zu einem starken Anstieg der Verwendung von Batterien geführt. Der Recyclingbedarf beläuft sich heute allein in Deutschland schon auf etwa 100.000 Tonnen pro Jahr. Er wird bis 2040, nach Berechnungen einer Studie des Fraunhofer ISI, auf etwa 2,1 Millionen Tonnen steigen. Gleichzeitig ist die Abhängigkeit Europas von Rohstoffimporten enorm hoch. So müssen heute fast alle für die Produktion von Batterien relevanten Elemente, wie z.B. Lithium, Graphit, Kobalt und Nickel, nach Europa importiert werden.

Doch die Effizienz zur Rückgewinnung der Rohstoffe ist beim Recycling der Batterien, trotz des wachsenden Bedarfs nach mehr Kapazitäten, der Abhängigkeit von Importen, sowie dem steigenden regulatorischen Druck, immer noch gering. Genau hier setzt Cylib an: 2022 aus der RWTH Aachen heraus gegründet, hat das Unternehmen basierend auf langjähriger Forschung eine Technologie entwickelt, die es erstmals ermögliche, Batterien ganzheitlich nachhaltig zu recyceln.

Die End-to-End Recyclinganlage in Aachen ist der erste Schritt der industriellen Umsetzung des von Cylib entwickelten Prozesses, der alle in Batterien enthaltenen Elemente wie z.B. Kobalt, Nickel und Kupfer zurückgewinnt. Die Lithium und Graphit Rückgewinnung ist dank des proprietären Prozesses wasserbasiert und ohne Chemikalien möglich.

Quelle: Battery-News – „Wir verarbeiten alles – von beschichteten Folien bis zu kompletten Batterien“

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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Helmut L.:

Mich hätte interessiert, nach welchen technisch-physikalischen Verfahren das Recycling abläuft, denn diesbezüglich gibt es ganz verschiedene Konzepte.
Leider gibt der Artikel nur das wieder, was im PR-Text des Unternehmens steht.

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