Zeitenwende für die Automobilindustrie: Die Präferenzen von Autokunden verändern sich grundlegend. Immer mehr Kunden wollen in Zukunft auf Elektroautos umsteigen, sie legen großen Wert auf digitale Services und können sich den Online-Kauf eines Autos vorstellen. Die Markentreue sinkt deutlich. Das sind die wichtigsten Ergebnisse der internationalen Verbraucherstudie „Was Autokäufer wollen: Ein globaler Leitfaden für Automobilhersteller“, die die Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG) in Zusammenarbeit mit NielsenIQ erstellt hat.
Elektroautos setzen sich zunehmend durch
71 Prozent der Nutzer von batterieelektrischen Fahrzeugen weltweit geben an, dass sie in Zukunft wieder ein Elektroauto kaufen wollen. In Europa und den USA lehnt zwar rund ein Viertel der Autokunden Elektroautos grundsätzlich ab. Die meisten Skeptiker in der „Nie-im-Leben-Elektroauto-Fraktion“ sind allerdings älter. So haben beispielsweise 39 Prozent der US-amerikanischen Befragten und 33 Prozent der europäischen Befragten über 61 Jahren niemals die Absicht, auf Elektroautos umzusteigen, verglichen mit 10 Prozent (US) und 14 Prozent (EU) der befragten 18- bis 30-Jährigen.
In Deutschland ist die Bereitschaft, auf ein Elektroauto umzusteigen noch niedriger: Hierzulande lehnen 45 Prozent der über 61-Jährigen den Umstieg ab und 25 Prozent der 18- bis 30-Jährigen (35 Prozent „Nie-im-Leben-Elektroauto“ über alle Altersgruppen hinweg).
„Die Verbraucherpräferenzen wandeln sich deutlich. Automobilhersteller müssen dies antizipieren und schnell handeln“, so Albert Waas, Leiter des Bereichs Automobil und Mobilität bei BCG in Europa, dem Nahen Osten, Südamerika und Afrika und Co-Autor der Studie. „Die Gewinner des nächsten Jahrzehnts werden diejenigen sein, die auf die Verbraucher hören, ihre Produkte lokalisieren und in den Bereichen Software und Technologie führend sind.“
Digitale Fahrzeugfunktionen sind wichtiges Kaufkriterium
Verbraucher wünschen sich digitale Fahrzeugfunktionen, die den Alltag vereinfachen. Besonders gefragt sind Over-the-Air-Updates – also drahtlose Softwareaktualisierungen, mit denen sich Funktionen wie Navigation, Beleuchtung oder Kamerasysteme verbessern oder erweitern lassen. In Europa erwarten 51 Prozent der Befragten solche Updates, in den USA 54 Prozent und in China sogar 73 Prozent. Viele Modelle bieten diese Möglichkeit bislang nicht an. In China, wo die Nachfrage besonders hoch ist, gilt das als klarer Nachteil. Hersteller müssen daher verstärkt in moderne Fahrzeugarchitekturen investieren, um diesen Erwartungen gerecht zu werden.
Chinesische Kunden sind auch besonders aufgeschlossen gegenüber neuen Technologien. 61 Prozent würden beispielsweise vollständig autonome Fahrdienste nutzen. Die Europäer sind hier mit 30 Prozent deutlich zurückhaltender. In Deutschland gibt es mit 24 Prozent die wenigsten Befürworter für selbstfahrende Taxen und Busse.
Junge Menschen wollen ihr Auto online kaufen
Auch beim Autokauf selbst verändern sich die Wünsche. Jeder Dritte Verbraucher kann sich vorstellen, das nächste Auto vollständig digital zu kaufen – unter den 18- bis 30-Jährigen sind es bereits 44 Prozent. Gleichzeitig spielt die Kombination aus digitaler und persönlicher Beratung weiterhin eine Rolle: Viele Käufer informieren sich im Autohaus und nutzen zusätzlich Empfehlungen aus sozialen Medien. Vor allem in den USA, China und Norwegen beeinflussen Online-Plattformen die Kaufentscheidung stärker als Händler. In Europa und Brasilien vertrauen die meisten weiterhin auf persönliche Beratung, doch auch hier wächst der Einfluss sozialer Medien spürbar.
Für Deutschland geben 58 Prozent der Befragten an, mehr auf Händlerempfehlungen zu vertrauen, 32 Prozent nennen Soziale Medien als wichtigere Informationsquelle (10 Prozent sind noch unentschlossen). Hersteller, die ihre digitale Kundenansprache ausbauen, können sich damit klar vom Wettbewerb abheben.
Markentreue schwindet – neue Anbieter gewinnen Marktanteile
Etablierte Unternehmen können sich nicht mehr auf die Loyalität ihrer Kunden verlassen. Rund 63 Prozent der europäischen Verbraucher geben an, dass sie beim Kauf ihres nächsten Autos die Marke wechseln werden. Davon suchen 34 Prozent nach einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis, während weitere 32 Prozent einfach etwas Neues ausprobieren möchten.
Eine Ausnahme bildet der deutsche Markt. Hier ist die Markentreue mit rund 50 Prozent am höchsten. Dies gilt für den Massenmarkt und das Premium-Segment gleichermaßen. Die niedrigste Markenbindung hat China mit nur neun Prozent im Massenmarkt und 14 Prozent bei Premium-Fahrzeugen.
„Die Ergebnisse zeigen einen klaren Pfad zur Elektromobilität“
Weltweit können sich die Autohersteller nicht allein auf ihre Marke als Schutz vor neuen Marktteilnehmern verlassen. Da die Loyalität schwindet, gewinnen neue, auf Elektroautos spezialisierte und wertorientierte Marken Marktanteile hinzu. Für die etablierten Originalhersteller (OEMs) ist die Botschaft klar: Tradition schützt nicht vor Marktanteilsverlusten – entscheidend sind Innovation und eine optimierte Customer Experience.
„Die Ergebnisse zeigen einen klaren Pfad zur Elektromobilität. Die Gewinner des nächsten Jahrzehnts werden diejenigen sein, die heute bereits auf die Bedürfnisse der jüngeren Verbraucher hören“, so Maximilian Sandholzer, BCG-Partner und Co-Autor der Studie. „In China, wo der durchschnittliche Neuwagenkäufer um 20 Jahre jünger ist als in den USA und Europa, haben wir den schnellen Umbruch bereits erlebt.“
Die Konkurrenz aus China gewinnt an Einfluss
Chinesische Hersteller bauen derweil weltweit ihren Marktanteil aus. Das Interesse der Käufer steigt – auch dort, wo der Anteil bisher gering ist. In Europa ziehen 10 bis 20 Prozent der Verbraucher den Kauf eines chinesischen Autos in Betracht, bei einem aktuellen Marktanteil von rund vier Prozent. In Deutschland geben 16 Prozent das Befragen an, ein chinesisches Auto in Betracht zu ziehen, bei einem aktuellen Marktanteil von rund zwei Prozent.
Anders in den USA: Nur sieben Prozent der befragten Verbraucher würden ein chinesisches Fahrzeug in Betracht ziehen. Auch in China selbst, jahrelang ein wichtiger Markt für die deutsche Autoindustrie, hat sich das Kaufverhalten stark verändert. Deutsche Marken sind längst kein Statussymbol mehr. 85 Prozent der chinesischen Konsumenten stehen mittlerweile inländischen Marken offen gegenüber. Diese erreichen inzwischen einen Marktanteil von 69 Prozent – mit weiter steigender Tendenz.
„Der Markt wandelt sich gerade grundlegend“, sagt Albert Waas zusammenfassend. „Die Erwartungen der Kundinnen und Kunden verändern sich, Markentreue schwindet, neue Wettbewerber aus China setzen etablierte Hersteller unter Druck – und Elektroautos bestimmen zunehmend das Tempo. Wer künftig erfolgreich sein will, muss Transparenz schaffen, Qualität erlebbar machen und digitale Kundenerlebnisse nahtlos ermöglichen.“
Für die Studie „What Car Buyers Want: A Global Guide for Automotive OEMs“ hat NielsenIQ GfK im Auftrag von BCG 9000 Verbraucherinnen und Verbraucher in zehn Ländern (Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Norwegen, Spanien, Großbritannien, USA, China und Brasilien) befragt.
Quelle: BCG – Pressemitteilung vom 11.11.2025







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