Seit zwei Jahren ist Gernot Döllner CEO bei Audi und begleitet den Transformationsprozess, der die schwächelnde Marke wieder auf Erfolgskurs bringen soll. Im Interview mit der Zeit zieht Döllner eine Zwischenbilanz und spricht vor allem über Audis künftige Pläne und Strategien.
Audi ist „der wohl komplizierteste Fall der ohnehin in Schwierigkeiten steckenden deutschen Autobranche“, schreibt die Zeit. Die Volkswagen-Tochter hat in der ersten Hälfte dieses Jahres mit 738.000 Autos sechs Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum verkauft, während die Gewinnmarge um drei Prozent zurückgegangen ist. Im vergangenen Jahr entschied sich die Premiummarke, ein Werk in der belgischen Hauptstadt Brüssel zu schließen.
„Die größte Herausforderung ist die Summe der Herausforderungen“, sagt Döllner gegenüber der Zeit. Im Fall von Audi waren in den vergangenen Monaten vor allem die hohen US-Zölle, neue Konkurrenten und Restrukturierungsaufwendungen herausfordernd, aber auch der Dieselskandal hing dem Hersteller aus Ingolstadt noch nach.
„Natürlich haben uns die Aufräumarbeiten Kraft gekostet, mittlerweile sind sie aber komplett abgeschlossen“, sagt Döllner. Dazu gehörten der Abbau der „selbstgemachten Bürokratie“, die Streichung von 7500 Stellen in der Verwaltung und die Abschaffung einer Hierarchieebene, wodurch 400 Managementpositionen wegfielen.
Motivierte Mitarbeiter als Schlüssel zum Erfolg
Der Audi-Chef ist überzeugt, dass flachere Hierarchien die Mitarbeiter motivieren, weil sie spüren, dass sie mit ihren Ideen direkten Einfluss nehmen können. Dadurch würden Produkte zum einen besser, aber auch schneller entwickelt. Als Beispiel nennt Döllner das neue Concept C, bei dem es nicht einmal ein Jahr gedauert habe, bis ein fahrtüchtiges Konzeptauto präsentiert werden konnte. Die Gesamtentwicklungszeit soll etwa 30 Monate betragen, weshalb man bei Audi sogar von einem „China-Speed“ spricht, was zeigen soll, dass die Marke es mit der chinesischen Konkurrenz aufnehmen kann.
Während Audi in China einst Oberklasse-Fahrzeuge baute, die bei hohen Beamten der Kommunistischen Partei begehrt waren, konnte Audi bei den jungen Käufern bisher nicht punkten und kämpfte in der ersten Jahreshälfte 2025 mit rückläufigen Verkaufszahlen in Höhe von 10 Prozent. Den Markt will Audi durch die Zusammenarbeit mit chinesischen Firmen und einer neuen Untermarke zurückerobern, die sich nicht mit den vier Ringen, sondern mit einem AUDI-Schriftzug in Großbuchstaben präsentiert. Zudem bringt Audi eine Reihe neuer Modelle auf den chinesischen Markt und setzt dabei auf einen Mix aus Elektroautos und Verbrennern.
US-Strafzölle als Herausforderung
Ganz anders als in China entwickelt sich laut Döllner der US-Automarkt. Dort seien die Verkäufe von elektrischen Modellen in den vergangenen Monaten rückläufig. „Nicht verwunderlich, weil die staatliche Förderung für Elektroautos in Höhe von 7500 Dollar weggefallen ist und stattdessen womöglich Verbrenner mit 3000 Dollar entlastet werden“, erklärt der Audi-CEO.
In den Vereinigten Staaten hofft Döllner vor allem auf mehr Klarheit über die Regularien, denn nur so kann Audi entscheiden, wie es auf dem US-Markt weitergeht. Man könne nur einen Teil der massiv gestiegenen Zölle auf die Preise aufschlagen. Mit einer Fabrik in den USA könnte die Marke den Zöllen entgehen, müsste aber Hunderte Millionen Euro investieren. Diese Entscheidung ist aktuell noch offen.
Gute Chancen für Elektromobilitätswende in Europa
Den ursprünglich angestrebten Verbrennerausstieg für 2033 hat Audi inzwischen aufgeschoben, „weil wir schlicht nicht absehen können, wie die Regeln in der Welt aussehen werden“, kommentiert Döllner die Entscheidung. Bei den Antrieben wolle man „flexibel bleiben“. Mit dem Verkauf von Elektroautos lässt sich seiner Ansicht nach ohnehin erst ab dem Ende dieses Jahrzehnts so viel verdienen wie heute mit einem Benzin- oder Dieselauto.
Im Gegensatz zu vielen Mitstreitern in der Automobilbranche sieht Döllner in Europa gute Chancen, den vollständigen Wechsel zur Elektromobilität noch hinzubekommen. Dafür wünscht er sich vor allem Klarheit und Stabilität, und ergänzt: „Auch wegen eines Aspekts, der gerade gern vergessen wird: Es geht bei der Dekarbonisierung um den Schutz unseres Klimas“. Die Wende könne geschafft werden, wenn langfristig der Strompreis sinkt und Elektromobilität attraktiver wird.
Quelle: Die Zeit – Altes Eisen