Rheinmetall plant E-Fuel-Netzwerk mit Hunderten Anlagen

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Sebastian Henßler
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E-Fuels sind seit Jahren ein umstrittenes Thema in der Mobilitätswende. Für den Straßenverkehr sind sie zu teuer und ineffizient, für den Flug- und Schiffsverkehr dagegen oft die einzige klimafreundliche Option. Nun rückt ein weiterer Sektor in den Fokus: das Militär. Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat gemeinsam mit drei deutschen Partnerunternehmen ein Bündnis gegründet, das synthetische Kraftstoffe künftig im industriellen Maßstab direkt in Europa produzieren will. Das Projekt trägt den Namen „Giga PtX“ – Power-to-X in großem Maßstab.

Die Initiative soll laut Rheinmetall mehrere Hundert dezentrale Anlagen umfassen, die jährlich jeweils zwischen 5000 und 7000 Tonnen E-Fuels herstellen sollen. Diese Mengen sind zwar überschaubar, könnten aber für Militär und kritische Infrastrukturen entscheidend sein. Denn beide Bereiche benötigen Energieträger, die auch in Krisen verfügbar bleiben, unabhängig von globalen Lieferketten und fossilen Importen. Rheinmetall will das Projekt als Generalunternehmer leiten, von der Systemintegration über den Bau bis hin zum Betrieb. „Wir bieten unseren Kunden eine ganzheitliche Lösung – von der Engineering-Phase bis zum langfristigen Betrieb“, heißt es aus dem Unternehmen.

Drei Firmen bilden Basis der E-Fuel-Allianz von Rheinmetall

Zum Konsortium gehören drei Firmen, die entlang der gesamten Wertschöpfungskette arbeiten. Sunfire aus Dresden liefert die Elektrolyseure, mit denen Wasserstoff erzeugt wird. Das Start-up Greenlyte Carbon Technologies aus Essen steuert Technologie zur Abscheidung von Kohlendioxid bei, während Ineratec aus Karlsruhe die chemische Umwandlung in synthetische Kraftstoffe übernimmt. „Wir haben genau die Partner, die wir brauchen“, erklärt Birgit Görtler, Vice President Sales Hydrogen bei Rheinmetall. „Wir sind bereit und können sofort loslegen.“

Besonders die Rolle von Sunfire ist zentral. Das Unternehmen nutzt neben klassischen Druck-Alkali-Elektrolyseuren auch seine Hochtemperatur-Technologie, die bei rund 850 Grad Celsius arbeitet. Diese Form der Elektrolyse nutzt Wärme oder Dampf, um Wasserstoff effizienter zu erzeugen. Laut Sunfire erreichen die Anlagen Wirkungsgrade von bis zu 84 Prozent, künftige Generationen sollen noch höher liegen. Je mehr Wasserstoff sich mit gleichem Energieeinsatz gewinnen lässt, desto mehr E-Fuels können entstehen.

Für die anschließende Synthese ist Ineratec zuständig. Das Unternehmen setzt auf Reverse-Water-Gas-Shift- und Fischer-Tropsch-Prozesse, bei denen Wasserstoff und CO₂ zu flüssigen Kohlenwasserstoffen reagieren. Greenlyte wiederum liefert das CO₂ über seine Direct-Air-Capture-Technologie, die Kohlenstoff direkt aus der Umgebungsluft filtert. Dieses Verfahren macht die Produktion ortsunabhängig und könnte Anlagen in der Nähe militärischer oder industrieller Standorte ermöglichen. Rheinmetall spricht in diesem Zusammenhang von einer neuen „Kraftstoffresilienz“ für Deutschland und Europa.

Hinter dem Projekt steht mehr als eine technische Vision. E-Fuels könnten für Streitkräfte eine Brücke zwischen Versorgungssicherheit und Klimaschutz schlagen. Laut einer Studie der Scientists for Global Responsibility verursacht das Militär weltweit etwa 5,5 Prozent der CO₂-Emissionen – ähnlich viel wie die gesamte Luft- und Schifffahrt zusammen. Eine Umstellung auf synthetische Kraftstoffe könnte diesen Anteil senken, ohne die Einsatzfähigkeit zu gefährden. Sunfire-Chef Nils Aldag betont: „Grüner Wasserstoff als lokaler, erneuerbarer Energieträger verschafft Europa die Freiheit, unabhängig zu handeln.“

Jedoch bleibt unklar, wann das Vorhaben realisiert werden kann. Rheinmetall betont, erste Anlagen seien „kurzfristig realisierbar“, sobald die politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen feststehen. Konkrete Standorte oder Finanzierungszusagen gibt es bislang nicht.

Auch außerhalb von Krisenzeiten könnte E-Fuel-Infrastruktur genutzt werden

Das Vorhaben lässt sich auch als Signal über den Verteidigungssektor hinaus lesen. Eine in Friedenszeiten aufgebaute Infrastruktur für synthetische Kraftstoffe könnte in Krisen den Betrieb kritischer Einrichtungen sichern – und in stabilen Zeiten zivil genutzt werden. Davon könnte auch der vorhandene Bestand an Autos mit Verbrennungsmotor profitieren, denn E-Fuels sind als drop-in Kraftstoffe konzipiert und können ohne Umrüstung eingesetzt werden. Das mindert die Abhängigkeit von fossilen Importen, hält Einsatzfahrzeuge, Rettungsdienste, Landwirtschaft und Notstromaggregate betriebsfähig und schafft eine Brücke, bis elektrische Alternativen in allen Anwendungsfeldern verfügbar sind. Damit greift „Giga PtX“ eine Idee auf, die bislang vor allem theoretisch diskutiert wurde: die doppelte Nutzung erneuerbarer Energieträger für Sicherheit und Versorgungssicherheit im Alltag.

Zur Größenordnung: Setzt man für E-Benzin eine Dichte von rund 0,75 Kilogramm pro Liter an, entsprechen 5000 Tonnen etwa 6,6 Millionen Litern synthetischem Kraftstoff. Ein Auto mit einem durchschnittlichen Verbrauch von 6,5 Litern auf 100 Kilometer benötigt bei einer Jahresfahrleistung von 15.000 Kilometern rund 975 Liter Kraftstoff pro Jahr. Damit könnte eine einzelne Anlage rechnerisch etwa 6800 Autos ein Jahr lang versorgen. Bei Anlagen mit einer Kapazität von 7000 Tonnen wären es rund 9500 Autos.

Quelle: Ingenieur.de – Rheinmetall plant Hunderte E-Fuel-Anlagen für Europas Streitkräfte / Concawe – Role of e-fuels in the European transport system – Literature review / Manabaft – Unleaded Gasoline 

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.

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