Kreislaufwirtschaft: Ein zweites Leben für Elektromotoren

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Fraunhofer / Schaeffler

Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 4 min

Immer mehr Elektroautos werden verkauft, dementsprechend steigt die Anzahl der produzierten Elektromotoren. Diese werden am Ende ihrer Nutzungsdauer geschreddert und anschließend recycelt. Einzelne Komponenten und Baugruppen können nicht mehr wiederverwendet werden. Nachhaltige Werterhaltungsstrategien, um Elektromotoren im Sinne einer modernen Kreislaufwirtschaft aufzuarbeiten und wiederzuverwerten, fehlen bislang.

Im Projekt REASSERT verfolgen Forschende am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA nun gemeinsam mit Industriepartnern verschiedene Ansätze, die die Reparatur, Aufarbeitung und erneute Verwendung von Elektromotoren ebenso umfassen wie neue Designs für die Kreislaufwirtschaft.

Die Elektrifizierung des Antriebsstrangs schreitet kontinuierlich voran. Die verbauten Elektromotoren enthalten wertvolle Rohstoffe wie Kupfer, aber auch Seltene Erden-Metalle wie Neodym, auf die China ein Quasi-Monopol hat, und die sich mit aktuellen Recyclingmethoden nicht zurückgewinnen lassen. Hinzu kommt, dass die eingesetzten Rohstoffe zum Teil mit einer schlechten CO2-Bilanz verbunden sind. Umso wichtiger sei die Verlängerung der Nutzungsphase der Motoren, so die Fraunhofer Gesellschaft in einer aktuellen Mitteilung.

Innovative Werterhaltungsstrategien bieten im Sinne der Nachhaltigkeit ein großes Potenzial zur Reduktion von Emissionen“, sagt Julian Große Erdmann, Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Bayreuth. Im Projekt REASSERT entwickeln die Forschenden gemeinsam mit dem Zulieferer Schaeffler (Konsortialführer), dem Karlsruher Institut für Technologie KIT, Bright Testing, iFakt und Riebesam innovative Methoden, um Elektromotoren aufzuarbeiten und in Fahrzeugen wiederverwenden zu können.

Dabei setzen sie auf die Werterhaltungsstrategien Reuse, Repair, Remanufacturing und werkstoffliches Recycling. Diese sind Schlüsselelemente für eine Kreislaufwirtschaft, die es ermöglicht, den Verbrauch natürlicher Ressourcen zu verringern und die Abfallmenge zu minimieren. Das Vorhaben wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert.

Verringerung von Umweltauswirkungen

Derzeit stellt das rohstoffliche Recycling die etablierte Werterhaltungsstrategie dar. Durch manuelles oder automatisiertes Recycling werden insbesondere Kupfer- und Aluminiumanteile zurückgewonnen. Dafür werden die elektrischen Traktionsmotoren ausgebaut, geschreddert, in die einzelnen Materialfraktionen sortiert und eingeschmolzen.

Das so recycelte und mit Verschmutzungen behaftete Material kann jedoch nicht mehr für den Einsatz in Motoren genutzt werden, zudem werden einzelne Komponenten und Baugruppen zerstört. Daher sollte Rohstoff-Recycling nur als letzte Möglichkeit des Recyclings gewählt und durch die hochwertigen Werterhaltungsstrategien Reuse, Repair, Remanufacturing und werkstoffliches Recycling ersetzt werden.

Wir wollen ein Closed-Loop-System gestalten, in dem wertvolle Ressourcen wiederverwendet werden, um unabhängiger von Rohstoffimporten zu werden und die Rohstoffgewinnung zu minimieren“, erklärt Große Erdmann. Unter Reuse verstehen die Projektpartner die Wiederverwendung des kompletten Motors in der Zweitnutzung, unter Repair den Austausch von defekten Komponenten und Baugruppen. Beim Remanufacturing werden alle Bauteile ausgebaut, gereinigt, aufgearbeitet und erneut eingesetzt.

Mit diesen Strategien benötigt man weniger Rohstoffe wie Seltene Erden, Kupfer und Co. Allenfalls benötigt man diese noch für Ersatzteile“, erläutert der Forscher. Mit dem werkstofflichen Recycling planen die Projektpartner das sortenreine Demontieren des Motors vor dem Schreddern. Welche Werterhaltungsstrategien jeweils angewendet werden sollen, analysieren die Projektpartner anhand von Referenzmotoren für den Pkw-Bereich.

Aufbau einer Prozesskette von der Eingangs- bis zur End-of-Line-Prüfung

Im Rahmen des Projekts soll eine komplette Prozesskette entstehen, wobei jede Station einen eigenen Demonstrator bzw. Versuchsstand erhalte – von der Eingangsprüfung für die Klassifikation des Motors über die Demontage, Entmagnetisierung, Reinigung, Befundung der Komponenten, Aufarbeitung bis hin zur Remontage und End-of-Line-Prüfung, wo die Funktionsfähigkeit des Motors untersucht wird.

Beispielsweise würde man während dieses Prozesses ein Motorgehäuse mit geringfügigen Verschleißspuren für den erneuten Gebrauch einstufen und gegebenenfalls mit zerspanenden Prozessen aufarbeiten, um die Funktionsfähigkeit zu gewährleisten. Abhängig von der gewählten Werterhaltungsstrategie fallen unterschiedliche Prozessschritte und Prozessketten an, der Aufarbeitungsaufwand kann also variieren“, erklärt der Ingenieur.

Eine Herausforderung sei beispielsweise die Demontage und Wiederverwendung der in den Motoren verbauten Magnetwerkstoffe. „Ein Rotor mit Permanentmagneten lässt sich aufgrund der Beschichtung der Magnete als auch deren Verklebung selbst im manuellen Demontageprozess nur schwer mittels mechanischer Verfahren in seine Bestandteile zerlegen. Hier gilt es, zerstörungsarme Demontageverfahren zu etablieren.

KI-Entscheidungstool unterstützt bei der Wahl der Werterhaltungsstrategie

Bei der Wahl der jeweils besten Werterhaltungsstrategie hilft zudem ein im Projekt entwickeltes Entscheidungstool auf Basis künstlicher Intelligenz (KI), das Zugriff auf die Produkt- und Prozessdaten eines E-Motors hat, die in einem digitalen Zwilling gespeichert sind.

Das im Projekt gesammelte Wissen soll für das Design neuer elektrischer Motoren genutzt werden. Ziel ist es, den Prototyp eines Motors für die Kreislaufwirtschaft zu entwickeln, der leicht demontiert werden kann und auf den sich die vier genannten Werterhaltungsstrategien problemlos anwenden lassen.

Quelle: Fraunhofer Gesellschaft – Pressemitteilung vom 02.01.2024

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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