Kia EV6 GT: Mehr als ein Kilowatt-Bolzer – Fahrbericht

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Stefan Grundhoff
Stefan Grundhoff
  —  Lesedauer 5 min

Jetzt wird Kia nicht nur den Volumenherstellern gefährlich. Die Modellbezeichnung des Kia EV6 GT hört sich so langweilig an, wie die einer müden Ausstattungsvariante. Doch der EV6 GT ist ein wahrer Neutronenbeschleuniger. Einsteigen und ab geht die Post!

Die zahlreichen Modelle auf dem modularen Elektrobaukasten des Volkswagen Konzerns mühen sich redlich, die 300-PS-Marke zu überspringen. Abgeregelt wird ohnehin frühzeitig bei 160 oder allenfalls 180 km/h. Darüber kann man in Korea nur lachen. Der Kia EV6 sorgte ebenso wie das Schwestermodell des Hyundai Ioniq 5 für allerhand Gesprächsstoff. Jetzt bringt Kia seinen 4,70 Meter langen EV6 als GT-Version mit 430 kW / 585 PS und 740 Nm zu den Kunden. Da schaut die europäische Konkurrenz nur noch verschämt zu Boden. Mit diesem Leistungspotenzial überflügelt Kias EV6 GT selbst die meisten Modelle von Premiumherstellern wie Audi, BMW, Polestar, Cadillac oder Mercedes.

So viel Mut verlangt nach Applaus und auch wenn das 585 PS starke Topmodell eher Image und Positionierung hilft, als dass es die Verkaufszahlen nennenswert nach oben schrauben wird. Vorwerfen kann man Hyundai-Tochter Kia allein, dass der EV6 in Sachen Design genauso mutig ist wie sein breites Antriebsspektrum, jedoch das Topmodell genauso aussieht wie die zahmere Motorvariante mit 325 PS. Da ausgestellte Radhäuser, üppige Spoilerwerk oder auffällige Lufteinlässe fehlen, mutet der Kia EV6 eher wie ein GT-Designpaket an, das die Händler spielend an die Kunden von schwächer motorisierten Versionen loswerden.

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Wie schon ein BMW i4 M50 oder ein Mercedes AMG EQS 53 fehlen auch dem Topmodell des Kia EV6 GT innen wie außen entsprechende Insignien der Macht als Zeichen, dass unter der Haube oder besser an den Achsen ein gewaltiges Maß an Sportlichkeit arbeitet. Hier ein paar Applikationen, da ein Signet und dann die zugegeben 21 Zoll großen Räder – das war es auch schon.

An der Vorderachse arbeitet ein Elektromotor mit 160 kW / 218 PS, während an der Hinterachse ein zweites Kraftpaket mit 270 kW / 367 PS wahre Wunder in Sachen Antrieb vollbringt. Wenn man auf der Landstraße lässig cruist, deutet abgesehen von dem gelb-grünen Taster am Zweispeichenlenkrad nicht viel auf mögliche Kraftausbrüche hin. Ein Druck auf selbigen und der Warpantrieb wird gezündet. In Bruchteilen von einer Sekunde legt der EV6 GT die Ohren an, spannt seine Muskeln und wirkt wie ein völlig anderes Auto.

Ein Vergleich mit Michael Knights Filmauto Kitt drängt sich auf, der im Laufe seines cineastischen Lebenszyklus den zweifelhaften Super-Pursuit-Modus implantiert bekam. Dagegen war der Boostmodus nur ein zahmes Lüftchen, doch bei Kias Vorzeige-Elektromodell fahren keine mächtigen Spoiler aus, verbreitert sich keine Karosserie, sondern das Fahrzeug wird ohne optischen Nachdruck zu einem rasenden Spaßmacher.

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Der Schub des 470 kW / 585 PS starken Koreaners ist gewaltig. Auch wenn es im Alltag keinerlei Bedeutung hat – aus dem Stand kann der Elektroallradler in 3,5 Sekunden auf Tempo 100 spurten und knackt auf dem Digitaltacho die 260-km/h-Marke. Ein elektronisches Sperrdifferenzial sorgt dafür, dass die üppige Leistung nicht nur auf gerader Strecke in idealen Vortrieb umgewandelt wird. Das Rad, was die beste Traktion hat, bekommt auch das meiste Futter – so muss es sein.

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Die Bremsleistung des knapp 2,3 Tonnen schweren Crossovers könnte hingegen besser sein. Zwar packen die Bremsen (vorne 38 / hinten 36 cm Durchmesser) durchaus engagiert zu, doch beim Dosieren bleiben Wünsche offen. Ähnlich sieht es mit dem Lenkverhalten aus. Der Kia EV6 GT wankt auch bei schnellen Lastwechseln wenig, könnte aber eine direktere Rückmeldung von der Vorderachse bieten. Und das Zweispeichensteuer ist nicht nur optisch eine mäßige Besetzung.

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Trotz des gewaltigen Schubs will der EV6 GT nicht nur ein Kilowatt-Bolzer sein. Er kann gerade in den anderen Fahrmodi abseits des GT-Programms überzeugen und bietet eine ansprechende Reichweite. Doch da das Akkupaket mit 77,4 kWh nicht gerade üppig dimensioniert ist, muss der Fahrer der Sportmaschine nach spätestens 424 Kilometern an die Ladesäule. Das wird durch die flotte 800-Volt-Akkutechnik nur partiell ausgeglichen, denn aus kaum mehr als 400 Kilometern werden bei kalten Wintertemperaturen und entsprechenden Verbrauchern schnell kaum mehr als 300 Kilometer. In knapp 20 Minuten erstarkt das zwischen den beiden Antriebsachsen verbaute Akkupaket von 10 auf 80 Prozent, wenn die Ladesäule mitspielt. Das ist ein allemal schneller Wert.

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Angesichts der üppigen Leistung und der sportlichen Fahrleistungen sollte man die Komfortqualitäten des mindestens rund 70.000 Euro teuren EV6 GT nicht unterschützen. Man sitzt in den guten Sportsitzen etwas zu hoch, doch mit guten nennenswerten Langstreckenqualitäten. Zudem blicken die Insassen auf zwei 12,3-Zoll-Displays und auch die Bedienung über Taster am Lenkrad, Touchscreen und die etwas unübersichtliche Doppelschalterleiste an der Mittelkonsole klappt ganz ordentlich.

Allein bei der Sprachbedienung haperte es beim EV6 zum wiederholten Male in einem Modell aus dem Hause Kia / Hyundai. Hier sind die Koreaner nicht auf dem Stand von Marken wie Polestar, Audi oder BMW – leider. Der gute Eindruck im Innenraum setzt sich im Fond weiter. Auch hier können zwei Erwachsene bequem sitzen, auch wenn die Rücksitzbank konturierter sein dürfte. Das 480 Liter große Ladevolumen lässt sich durch Umklappen der Rücksitze auf bis zu 1.260 Liter erweitern. Vorne im Frunk gibt es spärliche 20 Liter Volumen. Achtung: die Zuladung liegt bei gerade einmal 350 Kilogramm.

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Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff ist Firmeninhaber und Geschäftsführer von press-inform und press-inform consult. Er ist seit frühester Kindheit ausgemachter Autofan. Die Begeisterung für den Journalismus kam etwas später, ist mittlerweile aber genau so tief verwurzelt. Nach Jahren des freien Journalismus gründete der Jurist 1994 das Pressebüro press-inform und 1998 die Beratungsfirma press-inform consult.
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Jennss:

Leider hat der GT ggü. der 325 PS-Version recht viel an Reichweite verloren. Das kann ein BMW i4 M50 besser. Ansonsten ein klasse Auto.

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