Neues Gesetz sorgt für 8000 Schnellladepunkte an Tankstellen

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
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Die Elektromobilität gilt als ein entscheidender Schlüssel für mehr Klimaschutz im Verkehr. Damit der Umstieg auf ein Elektroauto klappt, müssen jedoch die Rahmenbedingungen stimmen, etwa die Ladeinfrastruktur.

Um diese Auszubauen, hat das Bundeskabinett nun eine gesetzliche Verpflichtung beschlossen, wonach große Tankstellenunternehmen mit mehr als 200 Standorten neben Benzin und Diesel auch Ladestrom anbieten müssen. Demnach müssen große Tankstellenunternehmen ab dem 1. Januar 2028 jeweils einen Schnellladepunkt mit einer Ladeleistung von mindestens 150 Kilowatt an ihren Tankstellen anbieten. Von der Verpflichtung sind laut einem Papier des Verkehrsministeriums voraussichtlich nur gut ein Dutzend Unternehmen betroffen.

Die Wirkung ist dennoch enorm: So sollen rund 8000 zusätzliche Schnellladepunkte an Tankstellen oder im direkten Umfeld entstehen – eine Maßnahme für den flächendeckenden Ausbau der Ladeinfrastruktur und damit für mehr Vertrauen in die Elektromobilität. Viele Tankstellen bieten bereits Schnellladepunkte. Allerdings ist das Angebot noch nicht flächendeckend und regional verschieden. Im März 2024 ermöglichten erst rund sieben Prozent der Tankstellen in Deutschland schnelles Laden mit Leistungen von mindestens 150 Kilowatt.

Abweichende Lösungen sollen den Ausbau optimieren

Die Bundesregierung plant der Tagesschau zufolge mit einem sogenannten Flexibilisierungsmechanismus. Demnach darf ein Unternehmen für maximal die Hälfte seiner Standorte eine abweichende Lösung umsetzen, etwa einen Schnellladepunkt an einem für E-Auto-Fahrer attraktiveren, maximal 1000 Meter von der Tankstelle entfernten Standort aufbauen. Möglich sei es auch, als Ausgleich für einen unattraktiven Standort diesen auszulassen und stattdessen an einer anderen Tankstelle zwei Ladesäulen aufzubauen. Zudem soll bei einer wirtschaftlich unzumutbaren Belastung eine Härtefallregelung greifen.

Diese Ausnahmen dürften im Sinne von Achim Bothe sein, dem Vorstandschef von Aral. Er sagte: „Wir sollten uns auf Standorte konzentrieren, an denen wir das größte Potenzial für Nachfrage und Nutzung sehen. Es wird also an vielen Aral-Tankstellen und weiteren Standorten Ladepunkte geben, aber nicht jede Tankstelle braucht eine Ladesäule.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, André Berghegger, verweist darauf, wie wichtig das neue Gesetz gerade für den ländlichen Raum sei: „Für die Bewohner ländlicher Räume, für Menschen auf der Durchreise, für Touristen und nicht zuletzt für die Wirtschaft muss auch in der Fläche ein Mindestmaß an Ladeinfrastruktur zugänglich sein“. Ähnlich sieht das der Tagesschau zufolge der ADAC, wonach aus Verbrauchersicht Tankstellen als Ort für schnelles Laden besonders gut geeignet seien.

Neue Förderung für Schnellladepunkte für E-Autos und Elektro-Lkw

Im Hinblick auf das Ziel von 15 Millionen E-Autos im Jahr 2030 wird sich der Bedarf an Ladeinfrastruktur in Zukunft weiter erhöhen. Deshalb braucht es aus Sicht der Bundesregierung eine gesetzliche Verpflichtung, die das Angebot an Lademöglichkeiten perspektivisch sichert.

Die Bundesregierung unterstützt auch Unternehmen dabei, Möglichkeiten für das schnelle Laden von Elektroautos und Elektro-Lkw zu schaffen. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr setzt ein entsprechendes Förderprogramm fort. Es finanziert gewerblich genutzte Schnellladepunkte sowie die dafür notwendigen Netzanschlüsse. Ab dem 3. Juni 2024 können Unternehmen wieder eine Förderung beantragen.

„Laden ist nicht Tanken“

Eine Verpflichtung für Tankstellenbetreiber, Schnellladesäulen aufzubauen, braucht es nicht. Beim Umstieg auf Elektromobilität gilt es auch, sich teils von bestehenden Denkmustern zu lösen: Laden ist nicht Tanken, der Lademarkt ist ein ganz anderer als das Tankstellen-Geschäft mit Kraftstoffen“, kritisiert Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, das Vorhaben.

Das Laden von Elektrofahrzeugen findet überall dort statt, wo die Fahrzeuge länger stehen, z.B. auf dem Supermarkt-Parkplatz, am Hotel, beim Arbeitgeber oder zu Hause. Dazu kommt das Laden an Fernverkehrsstraßen oder an Schnelllade-Hubs“, sagt Andreae. „Das heißt, die Anwendungsfälle sind deutlich diverser als beim Tanken. Erkennbar wird marktgetrieben Ladeinfrastruktur bedarfsgerecht aufgebaut. Dort, wo es sinnvoll ist, bauen Tankstellenbetreiber bereits eigeninitiativ Ladesäulen auf, eine Verpflichtung ist jedoch weder zielführend noch bedarfsgerecht“, so die BDEW-Chefin.

Andreae vermisst angesichts einer positiven Marktentwicklung die notwendige Begründung für „eine derart harte ordnungsrechtliche Maßnahme. Wir haben in Deutschland bereits doppelt so viel Ladeleistung installiert, wie die europäischen Mindestziele vorgeben. Und die Unternehmen bauen trotz der aktuell noch geringen Belegung der Ladepunkte engagiert weiter aus.“ Anstatt weiter Regelungen für den funktionierenden Lademarkt zu entwickeln, müsse die Bundesregierung „endlich einen Fokus auf die Fahrzeugseite legen. Wir brauchen dringend mehr bezahlbare Elektroauto-Modelle, um das 15 Millionen-E-Auto-Ziel zu erreichen.“

Quelle: Bundesregierung – Pressemitteilung vom 29.05.2024 / BDEW – Pressemitteilung vom 29.05.2024 / Tagesschau – Ladesäulen-Pflicht für große Tankstellen

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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Philipp:

„wie wäre es mit der Erlaubnis für kleine E-Fahrzeuge bis 25 km/h auf Radwegen?“

Hatte ich dir schon einmal geschrieben: Bitte nur dort wo heute auch steht: „Mofas frei“.

Ansonsten haben 150kg+ Fahrzeuge auf Radwegen wo Kinder fahren nichts zu suchen. Oder dürfen Kinder und Rentner

Wolfbrecht Gösebert:

„Der Gesetzgeber sollte auch mehrspurige E-Fahrzeuge mit bis zu 25 km/h und einer maximaler Breite von z.B. 80 cm auf allen Radwegen zulassen, das würde viele Gefahren auf normalen Straßen reduzieren.“

Nur könnte ich (auf meinen Strecken) leider jetzt schon den Eindruck haben, als würden diejenigen, die ganz klassisch ein Fahrrrad ohne Hillfsmotor fahren (wollen!) auch *jetzt schon* durch Pedelcs und E-Roller massiv unter Druck geraten!

Zusätzliche, mehrspurige Fahrzeuge (mit dann gar noch in »Schutz-Kabinen« Sitzenden) würden die Aggressivität und das Unfallrisiko auf den ohnehin oft mangelhaften, schmalen „Wegen zweiter Klasse“ womöglich noch weiter erhöhen.

Gehört alles zwar nicht zum Artikel-Thema, aber – mit Verlaub – soweit mal kurz O.T. :)

Daniel W.:

Es sollte eine Chancengleichheit geben bei kleinen Fahrzeugen bis 25 km/h mit E-Motor auf Radwegen und nicht wie jetzt, dass nur die Fahrzeuge mit Pedalbewegungen auf den Radweg dürfen, egal wie groß sie sind, aber die kleinen und langsamen E-Fahrzeuge müssen auf der Straße fahren.

Gerade Pedelecs mit Dach sind mit 12.000 bis 13.000 Euro schweineteuer, während Seniorenmobile mit Dach schon für 2.600 Euro zu haben sind und auch für Leute mit geringem Einkommen erschwinglich wären. Es wären Leute, die körperlich keine Pedale treten können, auf den Radwegen unterwegs.

Lastenräder sind teilweise sogar größer als Seniorenmobile und können genauso schnell fahren. Der Gesetzgeber sollte auch mehrspurige E-Fahrzeuge mit bis zu 25 km/h und einer maximaler Breite von z.B. 80 cm auf allen Radwegen zulassen, das würde viele Gefahren auf normalen Straßen reduzieren.

Wolfbrecht Gösebert:

„»Das Laden von Elektrofahrzeugen findet überall dort statt, wo die Fahrzeuge länger stehen, z.B. auf dem Supermarkt-Parkplatz, am Hotel, beim Arbeitgeber oder zu Hause. Dazu kommt das Laden an Fernverkehrsstraßen oder an Schnelllade-Hubs«, sagt Andreae“

Ja – der zitierten Aussage von Frau Andreae (BDEW) stimme ich voll zu!

An Deinen Vorschlag:
„… Erlaubnis für kleine E-Fahrzeuge bis 25 km/h auf Radwegen? – dies könnte einen noch größeren Boom auslösen als den bei Pedelecs und den Ausbau von Radstraßen massiv vora[nt]reiben …“

allerdings glaube ich nicht. Das wäre eher – wenn überhaupt – nur ein Boom für Zweitfahrzeuge!

Gregor:

es gibt eine Härtefall Regelung? Die großen Ölkonzerne werden alle Härtefälle sein. ;)

Daniel W.:

Das Wichtigste steht am Ende.

—–
„Das Laden von Elektrofahrzeugen findet überall dort statt, wo die Fahrzeuge länger stehen, z.B. auf dem Supermarkt-Parkplatz, am Hotel, beim Arbeitgeber oder zu Hause. Dazu kommt das Laden an Fernverkehrsstraßen oder an Schnelllade-Hubs“, sagt Andreae.

… Anstatt weiter Regelungen für den funktionierenden Lademarkt zu entwickeln, müsse die Bundesregierung „endlich einen Fokus auf die Fahrzeugseite legen. Wir brauchen dringend mehr bezahlbare Elektroauto-Modelle, um das 15 Millionen-E-Auto-Ziel zu erreichen.“
—–

Günstige E-Autos statt noch mehr Bürokratie.

Die Regierungen in Deutschland tun so als würden sie sich für die Energie- und Verlehrswende einsetzen, aber meistens behindern sie diese mit ihren Gesetzen und Vorschriften sowie der daraus folgenden Bürokratie, die sehr viel Zeit und Geld kostet oder die Vorhaben sogar ganz verhindert.

Die Chancen auf günstige E-Autos aus China will man mit Strafzöllen verhindern, damit deutsche Autohersteller weiterhin große, schwere und teure E-Autos verkaufen können, obwohl die Mehrheit sich nur günstige E-Autos leisten kann.

Wenn die Regierungen so gerne Regelungen machen wollen – wie wäre es mit der Erlaubnis für kleine E-Fahrzeuge bis 25 km/h auf Radwegen? – dies könnte einen noch größeren Boom auslösen als den bei Pedelecs und den Ausbau von Radstraßen massiv voran treiben, um die Blechberge im Land zu reduzieren.

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