Fahrbericht: Renault Scénic Electric

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Joaquim Oliveira
Joaquim Oliveira
  —  Lesedauer 5 min

Auch beim Scénic wechselt Renault von einem etablierten Familienvan auf einen Crossover und macht ihn dabei zum Mégane-Zwilling. Mal schauen, was ab kommendem Frühjahr die Kunden zu der französischen Metamorphose sagen.

Renault konzentriert sich weiterhin auf die Umstellung seiner Modellpalette auf SUV-Formen und hat mit dem elektrischen Scénic ab nächstem Jahr einen neuen kompakten Crossover im Programm. Erst mutierte der Mégane zum SUV, dann folgte der Espace und bald rollt der neue Scénic an, der die gleiche Wandlung vollzogen hat. Silhouette, Kabinenkonzept, Antriebsart – nahezu alles ist neu bei diesem Crossover, der einst ein Ableger der Mégane-Familie war. Der Renault Scénic ist 27 cm länger, 10 cm breiter und 6 cm höher als der Mégane und zeigt Proportionen, die man von Konkurrenten wie einem Volvo XC40 oder einem Kia e-Niro kennt.

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Bei dem neuen Franzosen – unterwegs auf der variablen CMF-EV-Plattform – stehen zwei Versionen zur Auswahl: eine mit einer 60-kWh-Batterie und einer Motorleistung von 125 kW / 170 PS und eine größere mit 87 kWh und 160 kW / 218 PS. Der Antrieb erfolgt ausschließlich über die Vorderachse und etwas überraschend soll auch keine 4×4-Version folgen. Beide Akkupakete mit Nickel-Mangan-Kobalt-Chemie werden von Zulieferer LG Chem hergestellt und bieten im Vergleich zum Mégane eine um sechs Prozent verbesserte Energiedichte. Bei aktivem Navigationssystem konditioniert sich die Batterie vor, um Ladezeiten zu reduzieren. Die maximalen Reichweiten der beiden Batteriepakete liegen bei 425 sowie 625 Kilometer, bis es an die nächste Ladesäule geht. Die maximale Ladegeschwindigkeit ist mit 150 Kilowatt nur Durchschnitt.

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Der Innenraum ist dem des Mégane sehr ähnlich – jedoch luftiger, was auch daran liegt, dass die Taster für die Fahrmodi, das Bordambiente und der Wählhebel für das Getriebe auf der Vorderseite des Lenkrads platziert wurden, wodurch der Bereich zwischen Fahrer und Beifahrer frei wird. Der digitale Instrumentenbildschirm und das Infotainment-Display sind praktisch gleich groß (12,3 bzw. 12,0 Zoll).

Die veraltete Satellitensteuerung, die hinter der Lenksäule angebracht ist, wirkt in diesem modernen Innenraum ebenso als Fremdkörper wie das fehlende Head-up-Display oder die schlechte Sicht des Fahrers nach hinten. Immerhin hilft ein digitaler Innenspiegel und eine Rückfahrkamera beim Handling. Besser: die bequemen Sitze mit ausreichend Seitenhalt. Auch hier kommt das intuitive Android-Betriebssystem zum Einsatz, an dessen Google-Funktionen man sich schnell gewöhnt, wenn man diese nicht ohnehin kennt.

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Das Raumangebot in der zweiten Sitzreihe ist sehr großzügig: Eine ausgestreckte Handfläche passt bei einem 1,80 Meter großen Fondpassagier zwischen die angewinkelten Knie und die Rückenlehne der Vordersitze und auch über den Kopf ist Platz bis zum Innendach. Zudem besteht die Möglichkeit, ein Panoramadach mit variabler Lichtdurchlässigkeit zu ordern, das in der ersten Reihe undurchsichtiger und in der zweiten Reihe transparenter sein kann oder umgekehrt. Viel Platz bieten die zahlreichen Ablagen und Stauräume mit einem Gesamtvolumen von 39 Litern. In der zweiten Reihe sticht eine funktionale Armlehne hervor, mit einer Ablage für Smartphones oder Tablet, zwei Getränkehaltern und zwei USB-C-Steckdosen. Der Kofferraum bietet ein Fassungsvermögen von 545 Litern, das sich durch Umlegen der Rücksitze erweitern lässt.

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Der 4,45 Meter lange Fronttriebler ist alles andere als ein Kraftprotz, doch man ist dank 300 Nm Drehmoment flott unterwegs. Zumindest bis 170 km/h, denn hier wird der Tatendrang eingebremst. Egal in welchem Tempo man unterwegs ist, die Lenkung fühlt sich unabhängig vom angewählten Fahrprogramm zu leicht und auch zu unpräzise an. Während der Unterschied im Ansprechverhalten des Motors zwischen den Programmen Eco und Comfort deutlich ausfällt, ist zwischen Comfort und Sport kaum etwas zu spüren.

Die Federung ist straff abgestimmt; ein Effekt, der bei Elektroautos durch das hohe Gewicht der Batterie noch verstärkt wird und die Stabilität fördert. Das unterstreichen nicht zuletzt die optionalen Räder im Format 235/45 R20, die die Komforteinbußen mit Vorteilen bei sportlicher Fahrweise ausgleichen. Doch bei einem Familienmodell dürfte es gerne etwas kommoder sein.

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Ein weiterer Aspekt, der nicht überzeugen kann, ist das Ansprechen der Bremse. Im ersten Viertel des Pedalwegs gibt es kaum Verzögerung und der rechte Biss kommt erst nach dieser Schwelle. Dazu ist das Pedalgefühl des stattlichen 1,8 Tonnen schweren Renault Scénic in seinen vier Stufen der Energierückgewinnung schwammig. Der Verbrauch auf der knapp 100 Kilometer langen Teststrecke war deutlich höher als von den Franzosen angekündigt: Selbst mit einem reduzierten Autobahnabschnitt endete die Fahrt mit durchschnittlich 22 kWh/100 km, was deutlich über den von Renault angegebenen 16,8 kWh liegt. Statt der avisierten 625 Kilometer wären so gerade einmal 500 Kilometer drin, ehe es an die Ladesäule geht. Die Preise des neuen Scénic sind bisher nicht bekannt, aber für die Version mit einer 60-kWh-Batterie ist von einem Aufpreis von etwa 3.000 Euro gegenüber dem Mégane auszugehen, was ein Einstiegsniveau von etwa 40.000 Euro bedeutet.

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Joaquim Oliveira

Joaquim Oliveira

Der gebürtige Brasilianer arbeitet seit Jahren als internationaler Korrespondent für verschiedene Automagazine, wie das brasilianische "Quatro rodas", das englische "AutoExpress" oder den chinesischen "Car & Driver". Für Elektroauto-News.net verfasst er regelmäßig entsprechende Fahr- und Erfahrungsberichte aktueller Elektroauto-Modelle.
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Dieter Gebhardt:

Leider wird nur mit dem Megane, aber nicht mit dem aktuellen Scenic verglichen. Es wäre wünschenswert, wenn hier ein realer Vergleich zwischen dem alten und dem Elektro-Modell gemacht würde. Auf den vom Autoren angesprochenen „fehlenden“ Elektro-Schnick-Schnack kann ich dagegen sehr gut verzichten.

MKU:

Die alte Karosserieform als elektro Variante hätte mir deutlich besser gefallen

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