Durchbruch für ambitionierten Ausbau der erneuerbaren Energien in der EU

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
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Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben vor wenigen Tagen im Ausschuss der ständigen Vertreter einer umfassenden Neugestaltung der EU-Erneuerbaren-Richtlinie (RED) zugestimmt. Das europäische Ziel für erneuerbare Energien wird damit von bisher 32 Prozent auf 45 Prozent in 2030 deutlich angehoben, so das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz in einer aktuellen Mitteilung. Das bedeute eine Verdoppelung des Anteils erneuerbarer Energien gegenüber dem erreichten Stand in 2021 von knapp 22 Prozent.

Dies gilt als großer Erfolg für den Ausbau der Erneuerbaren: Der vorgesehene Ausbau der erneuerbaren Energien bis 2030 wird damit ungefähr verdoppelt. Für die neuen Ziele sollen in der EU jedes Jahr mehr als 100 GW an neuen Windrädern und Solaranlagen installiert werden. Für Deutschland heißt das, dass die in 2022 stark erhöhten Ausbauziele für Wind- und Solarenergie durch europäische Vorgaben untermauert und verbindlich werden.

Die höheren EU-Ziele bilden außerdem den Rahmen für weitergehende Maßnahmen und Ziele in der EU, beispielsweise die Solarstrategie der EU, die ungefähr eine Verdreifachung der PV-Kapazität bis 2030 auf 600 GW vorsieht.

Die überarbeitete Richtlinie wird den Ausbau der erneuerbaren Energien in der ganzen Europäischen Union massiv beschleunigen. Wir heben das Erneuerbaren-Ziel für 2030 von 32 Prozent auf 45 Prozent an. Insbesondere Wind- und Solarenergie werden doppelt so schnell wie bislang vorgesehen ausgebaut. Die neuen europäischen Regeln werden einen Boom von Investitionen in die Erneuerbaren auslösen und rechtsverbindlich machen“, sagt Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck. „Das bedeutet für uns: Unsere im letzten Jahr massiv erhöhten Ausbauziele für Wind- und Solarenergie werden jetzt durch europäische Vorgaben untermauert. Damit werden wir unabhängiger von Energieimporten“.

Für Habeck zentral sei, dass es „nicht nur um Ziele, sondern auch um Maßnahmen“ gehe. „Darum habe ich mich dafür eingesetzt, dass wir viele der Genehmigungsbeschleunigungen für Erneuerbare-Energien-Projekte, auf die wir uns in der Energiekrise 2022 geeinigt haben, nun verstetigt und dauerhaft fortgeschrieben haben. Genehmigungen kommen schneller, Planungen werden beschleunigt. Daher freue ich mich, dass die Europäische Union die Kraft hat, solch einen Erfolg für die erneuerbaren Energien zu ermöglichen.

Verbindliche Ziele auch im Verkehrssektor – Quote für E-Fuels bei Flugzeugen

Die Einigung soll darüber hinaus den Durchbruch der erneuerbaren Energien künftig auch in anderen Sektoren als nur dem Stromsektor ermöglichen. Im Wärmesektor, in der Industrie und im Verkehr gelten jetzt in jedem einzelnen Land verbindliche Ziele für die Nutzung der erneuerbaren Energien. Der Umstieg auf erneuerbare Energien in allen Sektoren werde europäisch verpflichtend. Alleine in Deutschland muss beispielsweise in 2030 die Industrie in großem Umfang Wasserstoff aus erneuerbaren Energien nutzen, rund 20 bis 25 TWh. Damit die Ziele auch in Maßnahmen umgesetzt werden, drohen Vertragsverletzungsverfahren, wenn ein Land seine Sektorziele nicht einhält.

Zusätzlich sollen Genehmigungsverfahren deutlich und dauerhaft beschleunigt werden. Dafür werden unter anderem konkrete Fristen festgelegt: Genehmigungsprozess für neue Erneuerbaren-Projekte in bestimmten Gebieten dürfen nicht mehr länger als zwölf Monate dauern. Wichtig ist zudem, dass auch weiterhin keine Anrechnung von Wasserstoff aus Atomstrom auf EU-Ziele stattfindet – die RED rechnet ausschließlich erneuerbare Energien auf die Ziele an.

Außerdem gab es eine Einigung auf den Markthochlauf insbesondere der E-Fuels im Flugverkehr, die so genannte „ReFuelEU Aviation“. Die EU führt eine Quote für den Markthochlauf von E-Fuels („RFNBOs“) im Flugsektor ein, von 1,2 Prozent E-Fuels in 2030 hin zu 35 Prozent E-fuels in 2050. Insgesamt müssen dann 70 Prozent der Flugkraftstoffe in 2050 erneuerbar sein. Im Flugverkehr sind synthetische Kraftstoffe besonders wichtig, da eine direkte Elektrifizierung nur begrenzt möglich ist.

Hintergrund der Einigung zur Erneuerbare-Energien-Richtlinie

Anhebung des Gesamtziels: Die jetzt erfolgte Einigung auf eine Novelle der EU-Erneuerbaren-Richtlinie (RED III) sieht vor, dass das EU-2030-Ziel für erneuerbare Energien auf insgesamt 45 Prozent des gesamten Energieverbrauchs (Bruttoenergieverbrauch) steigt. 42,5 Prozent sind wie bisher als verbindlich durch die Mitgliedsländer zu erbringen. Dabei stellt die bereits existierende Governance-Verordnung sicher, dass dieses Ziel auch tatsächlich erreicht wird. Dafür werden beispielsweise konkrete Maßnahmen ergriffen, wenn sich andeutet, dass der Ausbau der Erneuerbaren noch nicht ausreicht.

Hinzu kommt ein indikatives zusätzliches Ziel von 2,5 Prozent. Dieses „Top-up“ soll durch weitergehende freiwillige Beiträge der Mitgliedsstaaten oder durch gesamteuropäische Maßnahmen erreicht werden. Ersten Hochrechnungen zufolge sind die deutschen Ziele ausreichend, um die neuen EU-Ziele zu erfüllen. Nun müsse alles daran gesetzt werden, um die nationalen Ausbauziele auch zu erreichen.

National verbindliche Sektorziele für 2030: Die Einigung führt weitere verbindliche, nationale Sektorziele für die Nutzung erneuerbarer Energien ein. Sie sollen dafür sorgen, sorgen dass erneuerbare Energien nicht nur im Stromsektor zum Einsatz kommen. Hält ein Mitgliedsstaat diese verbindlichen Sektorziele nicht ein, so drohen Vertragsverletzungsverfahren. Der Anteil erneuerbarer Energien muss zwischen 2021 bis 2025 jedes Jahr um 0,8 Prozentpunkte wachsen und anschließend jährlich um 1,1 Prozentpunkte. Hinzu kommt ein neues, indikatives Gebäudeziel von 49 Prozent erneuerbare Energien am Wärmebedarf in Gebäuden.
Im Verkehrssektor erhöht sich das bereits verbindliche Ziel von 14 Prozent auf 29 Prozent. Ein neues verbindliches Unterziel im Verkehr umfasst eine Kombination von strombasierten erneuerbaren Kraftstoffen (RFNBOs) und fortschrittlichen Biokraftstoffen. Dieses Unterziel liegt bei 5,5 Prozent, davon soll 1 Prozent durch Wasserstoff und andere strombasierte Brennstoffe (RFNBOs) abgedeckt werden.

Im Industriesektor wird ein neues verbindliches Ziel beim Einsatz von Wasserstoff und anderen strombasierten Brennstoffen (RFNBO) vorgegeben. 42 Prozent des in 2030 verbrauchten Wasserstoffs in der Industrie muss aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Dies entspricht einer Steigerung auf etwa 20 bis 25 TWh. Bis zum Jahr 2035 soll der Anteil auf 60 Prozent steigen. Hierfür werden in Deutschland je nach Szenario etwa 41 bis 83 TWh Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen benötigt, da parallel die Industrie immer mehr Wasserstoff nutzt. Zusätzlich ist als neues indikatives Ziel vorgesehen, dass der Anteil von erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch in der Industrie jedes Jahr um 1,6 Prozent steigen soll.

Regelungen zur Beschleunigung des Erneuerbaren-Ausbaus: Die Regelungen zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für den Ausbau von erneuerbaren Energien und Netzen, die in der EU-Notfallverordnung beschlossen wurden, werden weitestgehend festgeschrieben. Beispielsweise liegt der Erneuerbaren- und der Netzausbau im überragenden öffentlichen Interesse und es kann in den Vorranggebieten auf zeitaufwendige Prüfschritte verzichtet werden (keine zweite Umwelt- und Artenschutzprüfung auf Projektebene, wenn es auf der Planungsebene bereits eine Prüfung gab). Das gilt aber nur, wenn angemessene Vermeidungs- oder Ausgleichsmaßnamen getroffen wurden, das Naturschutzniveau also hoch bleibt.

Neuer Schwung bei grenzüberschreitenden EE-Projekten: Jeder Mitgliedstaat muss mindestens ein grenzüberschreitendes Kooperationsprojekt angehen, damit die gemeinsame Zusammenarbeit innerhalb der EU gestärkt wird. Zu solchen Kooperationsprojekten gehören beispielsweise gemeinsame Offshore-Projekte. Deutschland gehört mit dem kürzlich unterzeichneten deutsch-dänischen Offshore-Projekt „Bornholm Energy Island“ zu den Vorreitern in der EU.

Low carbon Fuels werden nicht auf die EE-Ziele angerechnet: Bei der lange strittigen Frage, der Anrechnung von kohlenstoffarmen Brenn- und Kraftstoffen (sog. „low-carbon fuels“), wie etwa Wasserstoff auf Basis von Atomstrom, wurde ebenfalls ein Kompromiss gefunden. Low carbon Fuels werden nicht auf die EE- Ziele angerechnet. Es wird also weiterhin klar zwischen grünem Wasserstoff und Low Carbon H2 unterschieden. Dafür hatte sich die Bundesregierung im Vorfeld mit Nachdruck eingesetzt. Mitgliedstaaten, die ihren nationalen Zielbeitrag zum EU-2030-Ziel erfüllen, und deren Industrie nahezu ausschließlich dekarbonisierte Brennstoffe nutzt, erhalten einen Abschlag auf das Wasserstoff-Unterziel in der Industrie und damit etwas mehr Flexibilität.

Quelle: BMWK – Pressemitteilung vom 16.06.2023

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
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MMM:

Die EU führt eine Quote für den Markthochlauf von E-Fuels („RFNBOs“) im Flugsektor ein, von 1,2 Prozent E-Fuels in 2030 hin zu 35 Prozent E-fuels in 2050.

Na, dann müssen die EFuel-Jünger aber richtig Gas geben, damit für das Auto überhaupt was übrig bleibt.
Und die noch knappere Verfügbarkeit ist dann eher kontraproduktiv für sinkende Preise…

 42 Prozent des in 2030 verbrauchten Wasserstoffs in der Industrie muss aus erneuerbaren Energiequellen stammen.

… und direkt der nächste Nackenschlag… ;-)

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