Chalmers-Studie warnt: EU-Vorgaben für Wasserstoff-Tankstellen könnten zu Millionenverlusten führen

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Michael Neißendorfer
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  —  Lesedauer 3 min

Bis 2030 sollen laut EU-Vorgabe im Abstand von 200 Kilometern entlang der wichtigsten Verkehrsachsen sowie in allen urbanen Knotenpunkten Wasserstoff-Tankstellen aufgebaut werden. Doch eine aktuelle Studie der renommierten Universität Chalmers in Schweden stellt dieses einheitliche Vorgehen infrage – und warnt vor massiven Fehlinvestitionen.

Die Forscher:innen haben auf Basis von Daten aus 600.000 Lkw-Fahrten ein Modell entwickelt, das den Infrastrukturbedarf für den Wasserstoff-Langstreckentransport bis 2050 abbildet. Ihr Fazit: Die pauschalen AFIR-Vorgaben (Alternative Fuels Infrastructure Regulation) berücksichtigen weder regionale Unterschiede noch reale Verkehrsströme.

So müsste Frankreich beispielsweise bis 2050 eine siebenmal höhere Tankstellenkapazität aufbauen, als nach aktuellem EU-Recht vorgesehen ist. Auch in Deutschland müssten etwa viermal mehr Wasserstoff-Tankstellen aufgebaut werden, als nach den EU-Vorgaben vorgesehen. In Ländern mit geringem Verkehrsaufkommen wie Bulgarien, Griechenland, Rumänien und Irland hingegen drohen jährliche Verluste in zweistelliger Millionenhöhe – weil Wasserstoff-Tankstellen entstehen, die kaum genutzt würden.

Ein weiterer Punkt der Forschenden: Die EU setzt in ihrer Infrastrukturplanung für die Versorgung mit Wasserstoff auf reine Entfernungen, während das Chalmers-Modell zusätzlich auch die Topografie entlang der Strecke, Fahrverhalten und Energieverbrauch berücksichtigt – Faktoren, die gerade im Lkw-Bereich einen entscheidenden Einfluss auf den Energiebedarf haben. „Viele Modelle gehen von einem Durchschnittsverbrauch pro Kilometer aus, doch Steigungen, Geschwindigkeiten und Streckenprofile verändern diesen Verbrauch massiv“, erklärt Studienautor Joel Löfving. Eine intelligente Verteilung von Wasserstoff-Tankstellen erfordere daher mehr als nur lineare Vorgaben.

Zugleich bestätigt die Studie den aktuellen Entwicklungstrend: Während batterieelektrische Antriebe für Transportdistanzen unter 360 Kilometer die zentrale Rolle spielen dürften, könnte Wasserstoff insbesondere im Fernverkehr ein notwendiger Baustein der Dekarbonisierung werden.

Die Grafik zeigt den prognostizierten Bedarf an Wasserstoff-Tankstellen in den einzelnen Ländern. In den meisten droht eine Unterversorgung. / Quelle: Chalmers University

Die Ergebnisse der Chalmers-Studie fließen der Universität zufolge bereits in politische Diskussionen ein – sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene. Für Schweden sei AFIR zwar ein sinnvoller Anfang, so Löfving, doch eine langfristig tragfähige Infrastrukturstrategie müsse stärker auf realen Bedarf und wirtschaftliche Nachhaltigkeit setzen. Die vollständige Studie mit dem Titel „Geospatial distribution of hydrogen demand and refueling infrastructure for long-haul trucks in Europe“ wurde im International Journal of Hydrogen Energy veröffentlicht.

Hintergrund zu AFIR

Die Alternative Fuels Infrastructure Regulation ist Teil des EU-Klimapakets „Fit for 55“ und verpflichtet die Mitgliedsstaaten, eine alternative Tank- und Ladeinfrastruktur entlang des TEN-T-Kernnetzes (Trans-European Transport Network) aufzubauen – unter anderem für Wasserstoff und Strom. AFIR trat 2023 in Kraft und zielt darauf ab, bis 2050 einen vollständig klimaneutralen Straßenverkehr zu ermöglichen. Die erste Evaluierung der Regelung ist für 2026 geplant.

Quelle: Chalmers University of Technology – Pressemitteilung vom 04.07.2025

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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Johannes:

„Während batterieelektrische Antriebe für Transportdistanzen unter 360 Kilometer die zentrale Rolle spielen dürften, könnte Wasserstoff insbesondere im Fernverkehr…“

Den Autoren sei der Elektrotrucker ans Herz gelegt. Der sitzt wirklich im LKW und nicht am Bildschirm. Und er zeigt, dass Fernverkehr kein Problem ist.
H2 ist im Straßenverkehr schlicht raus, komplett

Gregor:

die Reiche und die cdu arbeiten bestimmt schon an Plänen wie noch mehr Geld für H2 Lösungen verschwendet werden kann. Steuergelder sind doch unendlich vorhanden.

stueberw:

Genau so sehe ich das auch.

Daniel W.:

Vielleicht sollte die EU die Anbieter von Wasserstoff-Fahrzeugen verpflichten Wasserstoff-Tankstellen zu bauen, dann wäre das Thema FCEV schnell erledigt.

Wasserstoff in Straßenfahrzeugen ist ein teuerer Unsinn – am Ende blieben Wasserstoff-Tankstellen-Ruinen oder die EU müsste H2 subventionieren.

Der nächste Unsinn der EU wäre die Pflicht bestehende Tankstellen auf E-Fuels umzustellen, um die Energieverschwendung zu erhöhen.

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