Wie entwickelt sich die internationale Wasserstoffwirtschaft?

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 5 min

Im Projekt Hypat – H2 Potenzialatlas haben neun Forschungseinrichtungen unter Leitung des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI die künftige Rolle von grünem Wasserstoff bei der Transformation der Industrie, des Verkehrssektors und der Energiewirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaneutralität untersucht. Im Projekt wurden mögliche Partnerländer Deutschlands für eine sichere und nachhaltige Versorgung identifiziert, globale Angebots- und Nachfragepotenziale für Wasserstoff und seine Syntheseprodukte ermittelt sowie Impulse für mögliche Import-, Förder- und Kooperationsstrategien gegeben. Der Endbericht wurde jetzt veröffentlicht.

Für die deutsche und europäische Energiewende sowie auch global spielt grüner Wasserstoff als Energieträger der Zukunft eine wichtige Rolle. Gerade Deutschland wird einen Großteil des grünen Wasserstoffes samt Syntheseprodukten importieren müssen, da hierzulande erneuerbare Energiequellen nur bedingt zur Verfügung stehen, aber die Nachfrage nach Wasserstoff und Syntheseprodukten hoch sein wird.

In diesem Kontext setzte sich das gerade abgeschlossene Projekt Hypat das Ziel, nachhaltige Standorte für die grüne Wasserstoffwirtschaft von morgen zu identifizieren und führte technische, ökonomische, regulatorische und soziale Analysen zur Entwicklung eines globalen Wasserstoffatlasses durch, der auf Basis gekoppelter Energiesystemmodelle detaillierte Aussagen zur Herstellung von grünem Wasserstoff und den dazu notwendigen Infrastrukturen einschließlich internationaler Transportoptionen sowie der Nachfragesituation macht. Die Analysen schlossen die Bedürfnisse der Partnerländer ein, und es wurden die sich für diese Länder ergebenden Chancen erhoben sowie Akzeptanz- und Stakeholderanalysen durchgeführt.

Ein zentrales Ergebnis ist, dass die globale Nachfrage nach grünem Wasserstoff und seinen Syntheseprodukten gerade bei ambitionierten Treibhausgasminderungszielen deutlich steigen wird. Die Bandbreite des weltweiten Wasserstoffbedarfs im Jahr 2050 liegt dabei zwischen 4 und 11 Prozent des globalen Endenergiebedarfs. Für Deutschland liegt sie unter anderem aufgrund der Industriestruktur und der großen Bedeutung des Stahl- und Chemiesektors als potenzielle Nachfrager bei circa 20 Prozent des Endenergiebedarfs.

Mehr Investitionen sind notwendig

Im Projekt durchgeführte Analysen zeigen zudem, dass das globale Angebotspotenzial an grünem Wasserstoff ausreiche, um die globale Nachfrage zu decken, selbst unter Einbeziehung von Restriktionen wie Wasserknappheit. Dies biete Deutschland gute Möglichkeiten zur Diversifizierung seiner Importe und damit zur Risikoabsicherung. Wirtschaftlich günstiger wäre es allerdings, sich eher auf wenige Lieferländer zu konzentrieren, um Skaleneffekte zu erreichen und hohe Herstellungs- und Transportinfrastrukturkosten zu vermeiden. Derzeit kommt der Markthochlauf nur langsam voran. Multiple Unsicherheiten wie geopolitische Unruhen, Versorgungsunterbrechungen, unsichere Abnahmemengen oder hohe Energie- und Rohstoffpreise führen dazu, dass notwendige Investitionen nicht getätigt werden.

Was die Kosten für den Wasserstoffimport nach Europa anbelangt, ist nach Berechnungen im Projekt mit Kosten von 3,5 bis 6,5 Euro je Kilogramm im Jahr 2030 und 2,5 bis 4,5 Euro je Kilogramm im Jahr 2050 zu rechnen. Die Großhandelspreise für Deutschland dürften mit mehr als 4 Euro je Kilogramm im Jahr 2050 langfristig vergleichsweise hoch sein. Innerhalb der EU und weltweit müsse Deutschland mit den höchsten Wasserstoffpreisen rechnen, heißt es in der Studie.

Herausforderungen für die Wettbewerbsfähigkeit

Die hohen zu erwartenden Preise haben Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie – gerade auch bei industriellen Anwendungen, die künftig auf grünen Wasserstoff zur Treibhausgasminderung angewiesen sind. Länder wie die USA oder Kanada, die über große und günstige Ressourcen zur Herstellung von grünem Wasserstoff verfügen und diesen für entsprechende Industrieanwendungen nutzen können, haben hier Wettbewerbsvorteile.

Weiterhin führt das kurz- und mittelfristig knappe Angebot dazu, dass der Wasserstoffeinsatz sich auf Sektoren fokussieren sollte, in denen es kaum andere Optionen gibt – etwa die Stahl- und Grundstoffchemie, den internationalen Flug- und Schiffstransport oder Raffinerien. Um Wasserstoff und die Syntheseprodukte in Bereichen wie Gebäudewärme oder im straßengebundenen Verkehr einzusetzen, müssten die Preise hierfür sehr niedrig sein, was sich derzeit allerdings nicht abzeichne.

Im Hinblick auf die Versorgungssituation kommt das Projekt Hypat zum Ergebnis, dass sich die EU im Wesentlichen selbst wirtschaftlich mit Wasserstoff versorgen kann, während sie bei Syntheseprodukten, sowohl bezüglich der benötigten Mengen als auch aus wirtschaftlichen Aspekten heraus, auf Importe angewiesen ist. Exportländer und der Aufbau internationaler Transportkapazitäten sollten deshalb von Deutschland aktiv unterstützt werden. Innerhalb der EU finden derzeit hohe Investitionen in Ländern statt, die einen hohen Wasserstoffbedarf haben, aber weniger in Ländern mit günstigen Erzeugungspotenzialen wie Frankreich – hier gilt es künftig EU-weit die Schwerpunkte richtig zu setzen.

Deutschland als eines von wenigen Ländern mit großem Importbedarf

Da der Importbedarf global insgesamt nur mäßig ausfällt, werde auch der globale Handel zwischen 2030 und 2050 voraussichtlich nur ein Drittel des Gesamtbedarfs ausmachen. Allen voran Deutschland, aber auch die Niederlande, Belgien und Italien in der EU sowie Japan und Südkorea auf globaler Ebene werden hier demnach einen großen Importbedarf haben.

Spanien, Frankreich, Dänemark, Großbritannien und Polen bieten sich dafür an, die EU-Länder, die sich nicht selbst versorgen können, zu beliefern. Eine gut ausgebaute europäische Wasserstoffpipelineinfrastruktur sei deshalb im deutschen Interesse. Deutschland sollte zudem mit Importnationen innerhalb und außerhalb der EU kooperieren, um eine Nachfragemacht aufzubauen.

Als potenzielle Exportländer bieten sich aus techno-ökonomischer Sicht unter anderem Marokko, die Vereinigten Arabischen Emirate, Kanada, Brasilien sowie Chile an, da diese neben günstigen Voraussetzungen mit Blick auf erneuerbare Energien auch Zugang zu kostengünstigem Kapital haben. Daneben gelte es, auch andere Kriterien wie geopolitische Interessen, Menschenrechte und Demokratie-Aspekte zu berücksichtigen. Wasserverfügbarkeit, nationale Regulatorik und die heimische Energienutzung spielen hier ebenfalls eine wichtige Rolle – Wasserstoffprojekte für den Export sollten lokale Energiewende-Aktivitäten nicht verdrängen oder lokale Treibhausgasemissionen erhöhen. Die lokale Bevölkerung sollte von Ansiedlungsprojekten profitieren. Wasserstoffprojekte bieten oft ein hohes Konfliktpotenzial in diesen Ländern.

„Einseitige Abhängigkeiten sollten vermieden werden“

Prof. Dr. Martin Wietschel, der am Fraunhofer ISI das Competence Center Energietechnologien und Energiesysteme leitet und das Hypat-Projekt koordinierte, zieht am Projektende folgendes Fazit: „Im Projekt Hypat wurde klar, dass sich Deutschland als großer künftiger Nachfrager um eine stabile und nachhaltige Versorgung mit dem zukunftsträchtigen Energieträger Wasserstoff kümmern muss – gerade auch mit Blick auf seine künftige Wettbewerbsfähigkeit, da der Wasserstoffeinsatz zur Dekarbonisierung in wichtigen Industriebereichen alternativlos ist. Daher gilt es, sich um internationale Kooperationen sowohl mit anderen importierenden Ländern als auch mit Exportländern zu bemühen. Fehler aus der Vergangenheit wie einseitige Abhängigkeiten sollten vermieden werden und bei der Auswahl künftiger Partner neben ökonomischen auch soziale und politische Faktoren eine zentrale Rolle spielen.

Im Projekt Hypat – H2 Potenzialatlas forschten unter Leitung des Fraunhofer ISI der Lehrstuhl für Umwelt-/ Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit der Ruhr-Universität Bochum (RUB), die Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG, das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, das German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Energy Systems Analysis Associates (ESA²), das Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS), die Deutsche Energie-Agentur (Dena) und die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Das Projekt wurde im Rahmen des Ideenwettbewerbs Wasserstoffrepublik Deutschland vom Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF gefördert.

Quelle: Fraunhofer ISI – Pressemitteilung vom 06.12.2024

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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Tom 1:

Viele Erdbewohner sehen das leider nicht so dramatisch, ,,,,wird schon gut gehen,,,,, tut es aber wohl nicht, fängt gerade erst richtig an .
Krieg,Habgier, Umweltkatastrophe, Völkerwanderung.

Daniel W.:

—–
Die Großhandelspreise für Deutschland dürften mit mehr als 4 Euro je Kilogramm im Jahr 2050 langfristig vergleichsweise hoch sein.
—–

In 25 Jahren soll Wasserstoff im Großhandel in Deutschland mehr als 4 Euro/kg kosten – nimmt man Faktor 3 für Endverbraucher, dann wäre es 12 Euro/kg.

Wenn 1 kg H2 im FCEV etwa 20 kWh im BEV entspricht, dann würde es mehr als 20 Cent/kWh entsprechen – mit Faktor 3 wären es mehr als 60 Cent/kWh.

Wasserstoff in Fahrzeugen dürfte sich auch im Jahr 2050 nicht rechnen, erst recht nicht bei den Wasserstoff-Verbrennern mit schlechterem Wirkungsgrad.

2050 ist noch lange hin – genug Zeit für noch mehr CO2 in der Luft und noch größere Klimakatastrophen.

Wie die politische Lage in Deutschland, in der EU und weltweit ist, das lässt sich noch gar nicht abschätzen.

Ich habe die Hoffnung, dass Asien, Afrika und Südamerika die E-Mobilität für sich entdecken und CO2 sparen.

Bei uns wird vermutlich die Autoindustrie längst „den Bach runter“ sein und wir importieren günstige E-Autos.

Die Wärmepumpen sind zugleich Heizung und Klimaanlage für heiße Sommer, weit verbreitet und günstig.

– – – – –

Das Jahr 2050 könnte auch so aussehen – nach dem 4. Weltkrieg sitzt die halbe Welt auf Trümmern.

Die andere Hälfte ist verhungert, verdurstet oder in den jahrzehntelangen Kriegen gestorben.

Die Menschen beginnen den Wiederaufbau mit Fahrrädern, Handkarren und zu Fuß.

Einige Leute haben sich aus Resten solarbetriebene Fahrzeuge gebastelt.

Die aufgewühlte, von Minen befreite Erde wird von Hand bearbeitet.

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