Elektroautos büßen im Winter 25 Prozent an WLTP-Reichweite ein

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TCS

Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 4 min

Der Touring Club Schweiz (TCS) und der Norwegische Automobilclub NAF haben im vergangenen Winter erneut einen Reichweitentest mit Elektroautos durchgeführt und die Ergebnisse mit den Erkenntnissen aus dem gleichen Test im vergangenen Sommer verglichen. Wie erwartet erreichte im Winter kein einziges Auto die vom jeweiligen Hersteller angegeben Normreichweite, da die Heizung und andere Effekte der Kälte zusätzliche Energie kosten. Die Reichweiten der Autos lagen bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt und teils schneebedeckten Straßen durchschnittlich 25 Prozent unter den WLTP-Laborwerten.

Der in Zusammenarbeit mit dem Norwegischen Automobilclub NAF durchgeführte Reichweitentest bildet eine realitätsnahe Überlandreise ab und stellt eine Ergänzung dar zu den WLTP-Werten, den Emissionsmessungen in TCS-Fahrtests sowie den Werten aus dem GreenNCAP Programm. Während der im vergangenen Sommer durchgeführte Test durchschnittlich 5 Prozent niedrigere Reichweiten als die Normwerte ergab, waren die auf gleicher Strecke bei winterlichen Bedingungen erzielten Reichweiten ungefähr 25 Prozent niedriger als die WLTP-Werte. Eine erhebliche Einbuße, die darauf zurückzuführen ist, dass ein Teil der Batterieladung für die Heizung des Fahrzeugs verwendet wird. Auch führen tiefe Temperaturen zu erhöhten Widerständen und schränken die elektrochemischen Vorgänge in der Batterie ein. Die Reichweiten liegen jedoch auch bei Kälte deutlich über der täglichen Durchschnittsdistanz und zeigen, dass Reisen mit Elektroautos auch im Winter möglich sind.

Für den Test wurden 28 Elektroautos unterschiedlicher Hersteller eingesetzt. Neben Tesla aus den USA, den europäischen Marken Volkswagen, BMW, Mercedes, Škoda und Renault, den südkoreanischen Herstellern Kia und Hyundai sowie den japanischen Toyota und Nissan, waren auch zahlreiche chinesische Hersteller vertreten: Nio, BYD, Voyah, Maxus, MG, Hongqi und JAC, die bereits im Pilotmarkt Norwegen verfügbar sind, während in der Schweiz nur JAC erhältlich ist. Norwegen gilt aufgrund des hohen Anteils an Elektroautos bei Neuwagen (mehr als 80 Prozent) und im Fahrzeugbestand (mehr als 20 Prozent) als Vorreiter in der Elektromobilität.

In dem Test bei winterlichen Bedingungen schnitt der Tesla Model S Dual Motor mit einer Batteriekapazität von 95 kWh und einer realen Reichweite von 530 km am besten ab. Er schaffte es als einziger Testteilnehmer über die Passhöhe der gefahrenen Strecke und konnte anschließend von der langen Talfahrt bezüglich der Reichweite und dem Verbrauch profitieren. Gefolgt wird er vom Tesla Model X Plaid (95 kWh Kapazität und 437 km Reichweite) und dem BMW i4 eDrive40 mit einer 80kWh-Batterie und 433 km Reichweite. Die fünf Schlusslichter im Test schafften es auf knapp mehr als 300 km.

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Auch beim Verbrauch trumpfte der Tesla Model Y auf mit 16,6 kWh pro 100 km. Es folgen der Kia Niro EV mit 17,2 kWh/100 km und der MG 4 mit 17,3 kWh/100km. Schlusslicht bei dieser Wertung war mit Abstand der großgebaute chinesische Hongqi E-HS9 mit einem fast doppelt so hohen Verbrauch wie der Tesla von 29,1 kWh/100 km.

Die Rangliste des Verhältnisses zwischen der erzielten Reichweite und dem Neupreis wird hingegen von chinesischen Fahrzeugen angeführt. Wenn nur Autos beachtet werden, die in der Schweiz erhältlich sind, hat mit 106 Schweizer Franken pro kWh der chinesische JAC e-JS4 die Nase vorn. Gefolgt von Nissan Ariya (117 Schweizer Franken), Kia Niro EV (123 Schweizer Franken), Tesla Y (126 Schweizer Franken) und Renault Megane E-Tech electric (138 Schweizer Franken). Schlusslicht in dieser Rangliste ist die Luxuslimousine BMW i7 mit 403 Schweizer Franken für jeden Kilometer Reichweite.

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Die Parameter Reichweite und Energieverbrauch wurden auf einer kontrollierten Testfahrt unter realen Bedingungen ermittelt, bei welcher die Autos unter gleichen Voraussetzungen die gleiche Strecke gefahren sind. Minimale Unterschiede gab es lediglich bei der Beladung der Autos, dem Verkehrsfluss an Ampeln, Kreuzungen und Kreiseln sowie bei der Bereifung der Autos. Zudem wirkten sich auch Gelände und Wetter auf die Testergebnisse aus. Im Zentrum standen dabei weniger die absoluten Werte der gemessenen Größen, sondern die Abweichung gegenüber der Standardwerte nach WLTP und der Vergleich zu Fahrten auf der gleichen Strecke im vergangenen Sommer.

Quelle: TCS – Pressemitteilung vom 15.03.2023

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
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Frank:

Der Strom wird in Kohlekraftwerken erzeugt, die geben immer Wärme ab und die Magnetisierung-, Trafoverluste … kommen noch dazu. Wenn wir 100% Ökostrom haben sieht es anders aus.

Josef:

Dass Elektroautos „im Winter 25 % an WLTP-Reichweite einbüßen“, ist kein Nachteil, sondern ein Vorteil der Elektroautos. Es ist allein ihrer überaus hohen Energieeffizienz geschuldet.

Denn im Unterschied zu Verbrennern, deren Ineffizienz so weit geht, dass ganzjährig ca. 75 und mehr % des Energieeinsatzes als Wärme an den Innenraum und die Umgebung abgegeben wird, geben Elektroautos nur, falls diese Wärme tatsächlich gebraucht wird, also „im Winter“, einen nennenswerten Anteil ihres Energieeinsatzes an Wärme ab.

panib:

Das kannst du nicht wirklich ernst meinen, oder? Diese alberne Tabelle gibt MIR allenfalls einen groben Hinweis darauf, dass der Audi Spruch ‚Fortschritt durch Technik‘ endlich mal ad acta gelegt werden sollte.

panib:

Du denkst da doch nicht etwa an die Teslafahrer?

panib:

Wunderbar. Bin vorgestern 500 km Autobahn gefahren. Mich hat dabei kein Tesla überholt. Deiner war also auch nicht dabei. War aber klar bei Deinem Verbrauch.

panib:

Mein Q4 e-tron 45 quattro soll eine Reichweite von ? 480 km haben. Vorgestern vor Antritt einer Langstreckenfahrt zeigte der Tacho bei 100 % SOC und 6 Grad Außentemperatur 314 km an. Die hat er dann nicht annähernd geschafft. Also nix mit nur 25 % bei dem Stromfresser.

Jürgen Baumann:

Winter wird es bald nicht mehr geben.

Marc:

Freigeben von Reserve ist genau richtig gewählt als Begriff. Mir scheint, dir fehlen beim Thema NMC-Zellen Grundkenntnisse. Dann wollen wir mal:

Richtig ist, dass Batteriezellen altern und das mit der Anzahl der Zyklen zu tun hat. Dabei wird als Industriemaß der Zyklus als 0-100% definiert. Und zweimal 0 auf 50 % laden ist wie einmal 0 auf 100 % laden zu bewerten. Allerdings kann man gar nicht von 0 auf 50 % laden. Denn es verhält sich nicht so, wie in deinem Beispiel, dass eine Zelle mit 80 % Nettokapazität auch nur auf 80 % geladen ist.

Reserven bildet der Hersteller primär nach unten. Das hat zwei Gründe: Die größte Schädigung bewirkt Tiefentladung. Und nach oben muss man nahe 100% kommen, um besser formieren zu können.

Per Datenblatt sind NMC Zellen ab 2,5 V belastbar Aber der Bereich unter 3 V wird von keinem Hersteller angefasst, manche nehmen gar 3,1 oder 3,2 V als Schlussspannung, also als Wert, wo das BMS abschaltet. Da gibt es also schon eine Reserve. Theoretisch gehört sie zur Bruttokapazität, tatsächlich wird sie nicht erwähnt, Die Differenz zwischen brutto und netto wird zum großen Teil in dieses untere Ende investiert, erhöht die Schlussspannung weiter.

Warum gehen die Hersteller nahe an 100 %? Weil, das hast du vielleicht schon mal beobachtet, gerade am HPC-Lader das Auto manchmal scheinbar Schwierigkeiten hat, die 100 % zu erreichen. In Wirklichkeit hat es keine Schwierigkeiten, sondern es balanced seine Zellen, synchronisiert also Zellspannungen. Es wäre zu kompliziert das zu erklären, aber es funktioniert bei aktuellen BMS zuverlässiger, wenn das BMS einen Referenzwert nehmen kann, der nahe bei 100 % liegt. Denn tatsächlich balanced das System ständig. Aber grob.

Das beides zusammengefasst ergibt, ein NMC Akku mit 80 % Nettokapazität wäre in der Praxis nicht so ausgelegt, dass er nur auf 80 % laden kann, sondern würde unter 15 % abschalten und bis 95% laden. Beim BMW i4 scheint es so zu sein, dass man je nach Modell und Learnings unterschiedlich Kapazität freigibt. Die Suche findet immer das gleiche brutto, 83,9 kWh, aber das netto ist entweder mit 80,7 kWh, 81,1 kWh und 81,5 kWh angegeben. Spannend, da spielt also jemand mit den Limits.

Beim Thema Tesla ist es übrigens keinesfalls so, dass sie damit davonkommen, keine Brutto- und Nettokapazität anzugeben. Es gibt in allen Ländern auf Tesla spezialisierte Anwälte, die stets gleich vorgehen, wenn es in diesem Thema Probleme gibt. Tesla musste im Prozess der Zulassung, im Prozess der Verbrauchseinstufung und bei Transporten (Gefahrgut) häufig die Bruttokapazität und Nettokapazität angeben. Auf diese Daten von Tesla fordern sie mit berechtigtem Interesse Zugriff, ist gerichtlich schon mehrfach durchexerziert worden. Indessen kennt Tesla das, sperrt sich nicht mehr. Wobei man die Nettokapazität mit Scan my Tesla ganz einfach ermitteln kann, wenn man das Auto leer fährt, den internen Zähler für geladene Kilowattstunden AC oder DC abliest, das Auto volllädt und noch einmal abliest. Dann hast du den Wert, den das Auto aufgenommen hat, ohne Ladeverluste. In Deutschland ist es sogar so, dass die Kapazität Anfang letzten Jahres noch in der Zulassungsbescheinigung stand.

Damit kommen wir zu den Kapazitäten: Es waren 2021 mal 82 kWh brutto und sind jetzt 79 kWh brutto. Sollte es hierzulande die 4680 Batterien geben, sinkt es noch einmal auf 76 kWh brutto. Denn keineswegs hat man eine höhere Packungsdichte hinbekommen. Bisher war die Nettokapazität best case 75 kWh, nachher 72 bzw. 73 kWh gewesen. Zum Thema Gewicht: Ja, das Akkugewicht spielt eine wichtige Rolle beim Fahrzeuggewicht. Die 84 kWh Batterie vom BMW i4 wiegt 550 kg. Was wiegt die 82 kWh-Batterie vom Tesla? 552 kg. Kam neulich heraus, als man die Strukturbatterie mit 46800 Zellen gewogen hat. Und die ist kaum leichter – 8kg. Hat ja auch nur 76 kWh. Dieses Thema zeigt, es macht Sinn, mehr netto aus dem brutto zu holen. BMW: 6,74 kg pro kWh. Tesla 82/75 kWh: 7,36 kg.

brainDotExe:

Abseits vom guten abschneiden des i4, schlägt sich auch der iX1 sehr gut.

Er büßt weniger Reichweite ein als ein Model Y, dessen Wärmepumpe von den Befürwortern doch immer in den Himmel gelobt wird.

brainDotExe:

„Sonderling“ würde ich jetzt nicht unbedingt sagen, aber ja, Otto Normal trägt dort keine Werte ein.

Prinzipiell sind die Werte bei Spritmonitor mit Vorsicht zu genießen.
Gerade bei E-Autos ist der Verbrauch extrem von der Fahrweise und Streckenprofil abhängig.

Ich fahre den i4 M50 jetzt seit Mitte Dezember.
Wenn ich es auf der Pendelstrecke (80% Autobahn ohne Tempolimit, 300 Höhenmeter) sparsam angegangen bin, also 120-130 km/h maximal, bin ich so bei 19 kWh/100km gelandet.

Wenn ich fahre wie bisher mit dem Verbrenner sind es 26-28 kWh/100km und wenn ich wirklich „die Sau raus lasse“ sind es 35-40 kWh/100km.

Wohl gemerkt im Winter. Ich bin auf den Sommerverbrauch gespannt.

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