BYD bringt den Kombi zurück – als Super-Hybrid. Klappt das?

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BYD | Europa-Premiere des BYD Seal 6 DM-i Touring

Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 8 min

Die Europapremiere des BYD Seal 6 DM-i Touring in München, gut eine Woche vor der IAA Mobility, war mehr als die Vorstellung eines neuen Modells. Der Auftritt des chinesischen Herstellers markierte eine strategische Weichenstellung: BYD nutzt den deutschen Markt gezielt, um Plug-in-Hybride als Brücke in die Elektromobilität zu etablieren. Hinter dieser Entscheidung stehen Marktanalysen, technologische Argumente und ein klarer Fahrplan für Europa.

Plug-In-Hybride als Einstieg in den europäischen Massenmarkt

Lars Bialkowski, Geschäftsführer von BYD Deutschland, ordnete die Bedeutung ein: „Noch vor zehn Jahren hatten wir in Europa kaum nennenswerte Zahlen, heute reden wir über mehr als vier Millionen Hybride. In Deutschland sind es inzwischen annähernd eine Million Fahrzeuge. Diesen Markt bedienen wir schon – und jetzt mit dem Seal 6 DM-i Touring in besonderem Maße.“ Für ihn ist klar: „Wir bringen zum richtigen Zeitpunkt die richtige Technologie, das richtige Fahrzeug.“

Der deutsche Markt gilt als besonders anspruchsvoll, weil er große Metropolen mit hoher Dichte an Elektrofahrzeugen ebenso umfasst wie ländliche Regionen, in denen Ladeinfrastruktur rar ist und die Reichweitenangst stärker wirkt. Viele Kunden hängen zudem noch an ihren Verbrennern. Genau an dieser Stelle setzt BYD mit der DM-i-Technologie an, die den Alltag elektrisch abdeckt und zugleich die Flexibilität des Verbrenners bereithält.

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Bialkowski machte deutlich, dass es sich nicht um eine kurzfristige Taktik handelt: „Wir wollen in Deutschland nachhaltig wachsen, Schritt für Schritt und immer auf Augenhöhe mit unseren Handelspartnern.“ Der Seal 6 DM-i Touring sei daher bewusst so entwickelt worden, dass er eine Lücke im Markt füllt – ein Kombi mit hoher elektrischer Reichweite und der Möglichkeit, auch längere Strecken ohne Ladepause zu meistern.

Dass BYD Plug-in-Hybride nicht als Auslaufmodell betrachtet, sondern als strategische Technologie, ist auch Teil der Markenpositionierung in Europa. „Hybride sind längst kein Nischenprodukt mehr, sondern ein Massenmarkt“, so Bialkowski. Der Touring soll daher nicht nur technologische Kompetenz unter Beweis stellen, sondern auch Vertrauen aufbauen. Zielgruppe sind vor allem jene Kunden, die den Schritt ins reine Elektroauto noch scheuen, aber den Einstieg in eine elektrifizierte Mobilität suchen.

Pionierrolle bei Plug-in-Hybriden macht den Unterschied

Fabian Ulbrich, Head of Product bei BYD, erinnerte in München daran, dass der Konzern nicht erst seit Kurzem im Bereich Plug-in-Hybride aktiv ist. „BYD hat 2008 den ersten serienmäßig gefertigten Plug-in-Hybriden auf den Weltmarkt gebracht“, erklärte er. Gemeint ist der F3DM, der damals vor allem in China für Aufmerksamkeit sorgte und den Anspruch des Unternehmens als Technologieführer untermauerte. Seitdem habe sich die Technologie stark weiterentwickelt. Heute setze man mit dem Seal 6 DM-i Touring auf das, was BYD als „Super-Hybrid“ bezeichnet: ein Antriebskonzept mit einer rein elektrischen Reichweite von bis zu 100 Kilometern nach WLTP.

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Die Grundlage bildet eine Architektur, die konsequent auf elektrisches Fahren ausgelegt ist. Zwei Elektromotoren arbeiten dabei mit einem 1,5-Liter-Benziner zusammen, der nicht in erster Linie für den Antrieb, sondern überwiegend als Generator eingesetzt wird. „Das Auto denkt für den Fahrer mit“, betonte Ulbrich. „Der Fahrer muss keine eigenen Entscheidungen treffen. Das Auto sorgt selbst für den optimalen Ladestand.“ Die Software steuert, ob das Fahrzeug rein elektrisch fährt, der Benziner Strom erzeugt oder beide Antriebe zusammenwirken. So soll das Beste aus beiden Welten vereint werden: leises und effizientes elektrisches Fahren im Alltag sowie die Flexibilität, ohne Ladepause auch weite Strecken zu meistern.

Die technischen Daten unterstreichen diesen Anspruch. Der kombinierte Verbrauch liegt laut WLTP bei lediglich 1,7 Litern pro 100 Kilometer – ein Wert, der für viele Fahrer entscheidend sein dürfte. Gleichzeitig verspricht BYD eine Gesamtreichweite von bis zu 1350 Kilometern bei voller Batterie und vollem Tank. Ulbrich stellte klar: „Wenn man sich die täglichen Fahrzyklen in Deutschland ansieht, fährt der Kunde im Grunde elektrisch – und hat die Flexibilität, jederzeit auch lange Strecken zu bewältigen.“ Mit diesem Konzept will BYD vor allem jene Kunden abholen, die bisher wegen Reichweitenangst oder fehlender Ladeinfrastruktur vor einem vollelektrischen Auto zurückgeschreckt sind.

Der Seal 6 DM-i Touring von BYD sei ein Statement für den Kombi-Markt

Auch Patrick Schulz, Sales Director Deutschland, stellte in seiner Ansprache die strategische Bedeutung des Seal 6 DM-i Touring heraus. „Wo werden die meisten Kombis in Europa verkauft? In Deutschland. Dieses Fahrzeug ist nicht nur ein tolles Auto, es ist vor allem ein Statement der Marke in diesem Markt“, sagte er. Mit 4,84 Metern Länge, 675 bis 1535 Litern Ladevolumen und großzügigen Platzverhältnissen im Fond soll der Touring eine Zielgruppe bedienen, die von vielen Herstellern zuletzt vernachlässigt wurde.

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Besonders für Flottenkunden sei das Modell interessant. Taxi- und Uber-Betreiber stünden im Fokus, da hier neben den Betriebskosten auch Zuverlässigkeit, Reichweite und Platzangebot entscheidend sind. Schulz betonte, dass der Seal 6 DM-i Touring diese Kriterien erfülle und damit eine echte Alternative für gewerbliche Nutzer sei. Aber auch für Familien und Dienstwagenfahrer sei das Auto attraktiv, weil es Alltagstauglichkeit, Komfort und Effizienz miteinander verbinde.

Dass BYD bewusst ein Segment besetzt, das bei deutschen Herstellern an Bedeutung verloren hat, unterstrich auch der deutsche Geschäftsführer Bialkowski: „60 Prozent der Dienstwagenfahrer bevorzugen einen Touring oder Kombi.“ Für ihn ist der Seal 6 DM-i Touring daher nicht nur eine Modellneuheit, sondern ein bewusst gesetztes Differenzierungsmerkmal im deutschen Markt. Während Wettbewerber vor allem auf SUVs setzen, nutzt BYD den Kombi, um sich von der Konkurrenz abzugrenzen und gleichzeitig ein klares Signal an deutsche Kunden zu senden.

Rasanter Aufstieg und globale Expansion soll weiter verfolgt werden

Die Premiere des Seal 6 DM-i Touring fand vor dem Hintergrund eines beispiellosen Aufstiegs von BYD statt. Das Unternehmen hat sich in weniger als zwei Jahrzehnten vom Batteriehersteller zum weltweit größten Produzenten elektrifizierter Fahrzeuge entwickelt. Im Geschäftsjahr 2024 erzielte BYD einen Umsatz von 101 Milliarden Euro. Allein im ersten Halbjahr 2025 waren es bereits 47 Milliarden Euro – ein Plus von 23 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Mit 2,07 Millionen verkauften New Energy Vehicles, also Elektro- und Plug-in-Hybridfahrzeugen, sicherte sich der Konzern einen globalen Marktanteil von 21 Prozent und liegt damit vor allen Wettbewerbern. „Jedes fünfte elektrifizierte Auto weltweit kommt von BYD“, erklärte der Geschäftsführer von BYD Deutschland, in München.

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Die Internationalisierung folgt dabei einer klaren Logik: BYD will möglichst nah an den Kunden produzieren. Neue Werke entstehen aktuell in Brasilien, Usbekistan, Kambodscha und Thailand. Besonders wichtig ist aber das Werk in Ungarn, das noch 2025 die Produktion für Europa aufnehmen soll. „Wir wollen in den Märkten produzieren, in denen wir unsere Kunden haben. In Europa für Europa“, so Bialkowski. Mit dieser Strategie will BYD die Abhängigkeit von langen Lieferketten reduzieren, die Versorgungssicherheit stärken und zugleich Vertrauen in die Marke schaffen. Wie man am Rande der Veranstaltung erfahren konnte, sollen dort zunächst der BYD Atto 2 sowie der Dolphin Surf vom Band laufen.

Parallel baut der Konzern seine Präsenz im Handel konsequent aus. Aktuell ist BYD bereits in 29 Ländern vertreten, zwölf weitere sollen noch in diesem Jahr hinzukommen. In Deutschland arbeitet das Unternehmen daran, innerhalb kurzer Zeit ein dichtes Händler- und Servicenetz aufzubauen. „Der deutsche Markt ist ein sehr spezieller Markt“, sagte Bialkowski. „Wir brauchen eine langfristige Serviceabdeckung und eine vertriebliche Struktur, die dafür sorgt, dass unsere Kunden überall vor Ort einen Ansprechpartner haben.“ Bis Ende 2025 sollen deshalb 120 Standorte erreicht werden, langfristig strebt BYD rund 300 an.

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Die Geschwindigkeit, mit der der Hersteller dieses Netz aufbaut, ist ungewöhnlich hoch. Bialkowski räumte ein, dass es anfänglich Zweifel gegeben habe, ob die Ziele realistisch seien. „Die Menge der Skeptiker war groß, doch diese Gruppe wird immer kleiner. Die 120 Standorte bis Ende des Jahres werden wir auf jeden Fall schaffen.“ Damit positioniert sich BYD in Deutschland nicht nur als Anbieter neuer Modelle, sondern als Hersteller, der in Infrastruktur, Servicequalität und Kundennähe investiert. „Alles, was vor uns liegt, müssen wir uns erarbeiten“, fasste er zusammen. Genau darin sieht BYD den Schlüssel, um aus einer globalen Erfolgsstory auch eine europäische zu machen.

BYDs Ziel: Europäischer Hersteller. Nicht mehr, nicht weniger.

Mit dem Seal 6 DM-i Touring verfolgt BYD nicht nur das Ziel, ein weiteres Modell auf dem europäischen Markt zu platzieren. Vielmehr soll er Teil einer übergeordneten Strategie sein, die den Hersteller innerhalb von fünf Jahren „als europäischen Hersteller wahrgenommen“ sehen will – so die Formulierung von Bialkowski. Damit macht BYD deutlich, dass es nicht um den Verkauf einzelner Modelle geht, sondern um eine umfassende Positionierung im größten und zugleich härtesten Automarkt Europas.

Das Konzept des Plug-in-Hybrids dient in diesem Zusammenhang als Türöffner. Während viele europäische Wettbewerber ihre PHEV-Angebote zuletzt zurückgefahren haben, setzt BYD bewusst auf diese Technologie. Der Grund: Sie baut Brücken. Sie nimmt jene Kund:innen mit, die für ein vollelektrisches Auto noch nicht bereit sind, sei es aus Sorge um Ladeinfrastruktur oder aus Gewohnheit am Verbrenner. „Wir wollen Zweifel an Ladegeschwindigkeit und Reichweitenangst begegnen – und gleichzeitig die Liebe vieler zum Verbrenner respektieren“, lautete die Botschaft von der Bühne.

Für Deutschland hat dieser Ansatz besondere Relevanz. Hier ist der Markt von einer hohen Dienstwagenquote geprägt, Kombis machen einen großen Anteil der Flottenbestellungen aus. Dass 60 Prozent der Dienstwagenfahrer Touring-Modelle bevorzugen, betonte Bialkowski ausdrücklich. Mit einem PHEV-Kombi, der dank 100 Kilometern elektrischer Reichweite auch steuerliche Vorteile in Anspruch nehmen kann, besetzt BYD genau die Schnittstelle zwischen individueller Vorliebe und betriebswirtschaftlicher Rationalität.

Die Strategie ist aber nicht auf das einzelne Modell beschränkt. Sie reiht sich ein in einen globalen Wachstumsplan, der auf lokaler Fertigung, dichten Servicenetzen und einem gezielten Produktausbau basiert. Weitere PHEV-Modelle sollen in den kommenden Monaten folgen. Ob die Strategie schlußendlich aufgeht, wird man spätestens in fünf Jahren sehen. Dann möchte man nicht mehr als ein Hersteller aus China, sondern als europäischer OEM wahrgenommen werden. Mit Fahrzeugen, die sich verkaufen, unabhängig vom Antrieb.

Disclaimer: BYD hat zum Kennenlernen des BYD SEAL 6 DM-i Touring eingeladen. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf unsere hier geschriebene ehrliche Meinung.

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.

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