Der Bundesrechnungshof hat die Fortschritte und Herausforderungen beim Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in Deutschland geprüft. Für die Bundesregierung nimmt Wasserstoff eine Schlüsselrolle in der Energiewende ein: Deutschland soll bis 2045 klimaneutral sein und gleichzeitig als Industriestandort zukunftsfähig bleiben. Klimaneutral hergestellter (grüner) Wasserstoff soll fossile Energieträger dort ersetzen, wo Strom aus erneuerbaren Energien nicht direkt genutzt werden kann. Zudem sollen wasserstofffähige Gaskraftwerke zur sicheren Stromversorgung beitragen.
Der Bund hat bereits in den Jahren 2024 und 2025 mehr als 7 Milliarden Euro vor allem an Subventionen bereitgestellt. Vorbindungen in Milliardenhöhe bestehen bis Ende des Jahrzehnts. Zusätzlich sichert er den Aufbau der Netzinfrastruktur finanziell ab. Die Ziele der Wasserstoffstrategie erreicht die Bundesregierung trotz dieses finanziellen Engagements bisher nicht.
Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft nicht im Plan
Der Bundesrechnungshof stellte bei seiner Prüfung fest, dass sich Angebot und Nachfrage von grünem Wasserstoff in Deutschland bislang nicht wie geplant entwickelt haben: Ein ausreichendes Angebot an Wasserstoff sollte durch inländische Erzeugung und mindestens zur Hälfte über Importe sichergestellt werden. Die Bundesregierung werde jedoch ihre inländischen Erzeugungsziele für grünen Wasserstoff bis 2030 nicht erreichen. Auch werde der erwartete Bedarf nicht durch Importe gedeckt werden können.
Zugleich entwickle sich die Nachfrage langsamer als erwartet. Die von der Bundesregierung initiierten Förderungen der industriellen Nutzung von Wasserstoff hätten nicht zu der erhofften Nachfrage geführt, insbesondere aus der Stahlbranche. Es fehle außerdem ein wesentlicher Nachfrageimpuls, solange Gaskraftwerke – anders als in der Vergangenheit von der vorherigen Regierung geplant – nicht zwingend auf Wasserstoff umzurüsten sind.
Der Ausbauplan für das Wasserstoff-Kernnetz berücksichtige diese Entwicklungen bislang nicht, so der Bundesrechnungshof. Angesichts der tatsächlichen Entwicklung von Angebot und Nachfrage sei der Aufbau des Wasserstoff-Kernnetzes zu ambitioniert geplant.
Preisgünstige Versorgung nicht gewährleistet, finanzielle Risiken durch Dauerförderung
Grüner Wasserstoff ist weiterhin deutlich teurer als fossile Energieträger wie Erdgas. Da er absehbar nicht zu wettbewerbsfähigen Preisen erzeugt oder importiert werden kann, sei eine staatliche Dauerförderung absehbar, wie die Prüfung ergeben hat. Um die Preisdifferenz zwischen Wasserstoff und Erdgas auszugleichen, könnten 2030 allein für Importe Belastungen für den Bundeshaushalt in Höhe von 3 bis 25 Milliarden Euro entstehen.
Auch der Aufbau des Wasserstoff-Kernnetzes sei mit erheblichen Risiken für den Bundeshaushalt verbunden. In einer Hochlaufphase erhalten die Kernnetzbetreiber einen Teil ihrer Netzkosten statt von den Netznutzern aus einem staatlich abgesicherten Darlehen. Das Darlehen soll später aus überschießenden Netzentgelterlösen getilgt werden. Dies setzt jedoch voraus, dass sich ausreichend Nutzer an das Netz anschließen. Scheitert der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft, könne der Finanzierungsmechanismus den Bundeshaushalt zusätzlich mit einem zweistelligen Milliardenbetrag belasten.
Klimaneutralität und Umweltverträglichkeit gefährdet
Grüner Wasserstoff hat grundsätzlich das Potenzial, klimaneutral erzeugt und genutzt zu werden. Ob die gewünschte positive Klimawirkung eintritt, ist aber unsicher, so der Bundesrechnungshof. Insbesondere beim Import von grünem Wasserstoff können erhebliche Vorkettenemissionen entstehen. Die Bundesregierung will aber mindestens die Hälfte des Wasserstoffbedarfs über Importe decken. Zudem hat die Bundesregierung bei internationalen Ausschreibungen Zugeständnisse bei Nachhaltigkeitsanforderungen gemacht, um überhaupt ausreichend Gebote zu erhalten. Damit bleiben auch Risiken für die Umweltverträglichkeit der Wasserstoffwirtschaft.
„Trotz milliardenschwerer Förderungen verfehlt die Bundesregierung ihre ambitionierten Ziele beim Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft. Angebot und Nachfrage bleiben deutlich hinter den Erwartungen zurück. Dies gefährdet das Erreichen der Klimaneutralität bis 2045 und die Zukunftsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland. Und solange nicht absehbar ist, dass Wasserstoff preislich wettbewerbsfähig wird, droht eine staatliche Dauerförderung die bereits aus den Fugen geratenen Bundesfinanzen weiter unter Druck zu setzen“, kommentiert der Präsident des Bundesrechnungshofes, Kay Scheller, anlässlich der Veröffentlichung eines Sonderberichts zur Umsetzung der Wasserstoffstrategie des Bundes. „Es ist Zeit für einen Realitätscheck.“
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie habe zwar erkannt, dass es handeln muss. Jedoch halte es die von ihm geplanten Maßnahmen selbst nicht für ausreichend, damit Wasserstoff absehbar ein wettbewerbsfähiger Energieträger wird.
Der Bundesrechnungshof empfiehlt der Bundesregierung daher,
- die Wasserstoffstrategie und deren bisherige Umsetzung einem Realitätscheck zu unterziehen und dabei neu zu bewerten, ob und wann grüner Wasserstoff ohne dauerhafte Subventionen in ausreichenden Mengen, zu einem wettbewerbsfähigen Preis sowie klimaneutral und nachhaltig verfügbar sein kann,
- bei dieser Erfolgskontrolle zu prüfen, welchen Beitrag die Wasserstoffwirtschaft zur Energiewende insgesamt leisten kann,
- die Wasserstoffstrategie so zu überarbeiten, dass Angebot, Nachfrage und Infrastruktur möglichst synchron und wirtschaftlich aufgebaut werden sowie
- nach einer Neubewertung gegebenenfalls rechtzeitig einen Plan B zu entwickeln, um die Klimaneutralität bis 2045 auch ohne eine dauerhaft subventionierte Wasserstoffwirtschaft zu erreichen.
Der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft verläuft bisher nicht nach Plan, so das Fazit des Bundesrechnungshofs. Das gesetzliche Ziel einer möglichst sicheren, preisgünstigen, umweltverträglichen und klimaneutralen Versorgung mit Wasserstoff liegt in weiter Ferne. „Die Bundesregierung muss jetzt handeln und ihre Wasserstoffstrategie grundlegend überarbeiten. Nur so kann sie das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 erreichen, die Zukunftsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland sichern und den ohnehin überdehnten Bundeshaushalt vor weiteren Belastungen schützen“, fasst Scheller zusammen.
Quelle: Bundesrechnungshof – Pressemitteilung vom 28.10.2025








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