BMW hat vier Jahre an der neuen Klasse gearbeitet. Jetzt zeigt eine erste Proberunde mit dem BMW iX3 50 xDrive, wie tiefgreifend dieser Wandel ausfällt. Schon nach wenigen Kilometern wird klar, dass BMW nicht nur ein neues E-Auto präsentiert, sondern ein vollständig neues Technikfundament: neue Architektur, neues Bedienkonzept, neue Rechnerstruktur und erstmals ein Assistenzsystem, das den Fahrer spürbar entlastet. Der iX3 wirkt wie der Auftakt zu einer Modellgeneration, die vieles anders macht – und genau das macht diese erste Fahrt so interessant.
Dabei springt eine Veränderung direkt ins eigene Blickfeld. BMW nennt diese Leiste am unteren Rand der Frontscheibe Panoramic Vision. Hier werden Fahrerinfos und sechs Anzeigen projiziert. Bei ersten Sitzproben sah das bereits beeindruckend aus, weil die Information damit genau im Sichtbereich von Fahrer und Beifahrer liegen. Auf der Proberunde dominiert zwar ein wolkenbedeckter Himmel sowie Regen, doch die wenigen Sonnenminuten zeigen, auch wenn Licht von hinter oder der Seite kommt, kann man die Anzeigen gut lesen. Auch mit polarisierter Sonnenbrille ist alles klar erkennbar.

Der Bereich hinter dem Lenkrad ist unveränderbar mit Geschwindigkeit und Reichweite belegt. Der Bereich rechts daneben kann wahlweise mit sechs Informationen wie Ankunftszeit oder Temperatur, aktuellem Musiktitel oder einer Visualisierung des Sprachassistenten belegt werden. Ich wähle die etwas nerdigeren Optionen wie Batterietemperatur sowie Winkelangaben für Fahrpedal und Lenkrad. Teil des M-Pakets ist die Anzeige von dynamischen Fahrzeugangaben wie den G-Kräften.
Während der Fahrt sehe ich auch Richtungsangaben des Navis in diesem Bereich. Die Angabe sehe zusätzlich im 3D-Head-up-Display vor mir auf der Fahrbahn schweben. Somit bleiben meine Augen stets dort, wo sie hingehören, auf der Straße. Für den zum Fahrer geneigten Bildschirm habe ich keinen Blick.
Hände in den Schoß legen. DCAS erlaubt es!
Beim Bildschirm bin ich zu Beginn dankbar für die Shortcuts. Ein Fingertipp und der Geschwindigkeitswarner ist deaktiviert. Das Auto erkennt auch Routinen, wie man die Temperatur, Sitzmassage oder Radiosender wählt. Die Software schlägt daraufhin vor, favorisierte Einstellungen in eine so genannte Routine zu übernehmen. Das gilt auch für die Deaktivierung des Tempowarners.

Auf der Autobahn aktiviere ich den Assistenten mit einem Druck auf das linke Tastenfeld am Lenkrad. Nur was aktuell zur Verfügung steht, leuchtet weiß. Das Symbol wird nach dem Tastendruck grün und zeigt damit, dass der Autobahnassistent arbeitet. Jetzt darf ich die Hände vom Lenkrad nehmen, meine Augen müssen allerdings auf der Straße bleiben. Das überwacht eine Kamera unter dem Rückspiegel. Das System zählt zum Level 2 der Assistenzsysteme. Somit ist der Fahrer jederzeit in der Verantwortung.
Dass ich meine Hände in den Schoß legen darf, ermöglicht die DCAS-Regelung (Driver Control Assistance Systems) der UN-Wirtschaftskommission UNECE. Die Bestimmungen ermöglichen einen europaweiten Einsatz für BMW mit den jeweiligen Landes-Höchstgeschwindigkeiten. Somit funktioniert das System in Deutschland bis zur Richtgeschwindigkeit von 130 km/h.
Ein Blick und der Wagen überholt
Der Wagen hält nicht nur Tempo, Abstand und Spur, er schlägt auch Überholmanöver vor. Melden die Sensoren eine freie Linke Spur, bekomme ich den Vorschlag zum Spurwechsel. Das quittiere ich mit einem Blick in den linken Außenspiegel, dann setzt der Wagen allein zum Überholen an. Der Blick in den Außenspiegel funktioniert nur, wenn der Wagen es vorschlägt.
Allerdings kann der Fahrer einen Überholvorgang einleiten, indem er blinkt. Melden die Sensoren kein Hindernis, funktioniert auch dann der automatische Spurwechsel. Der Assistent soll sogar Wechsel an Autobahnkreuzen eigenständig hinbekommen. Auf meiner Strecke liegt keine zweite Autobahn. Somit lehne ich mich zurück, aktiviere die Sitzmassage und lasse mich fahren.

Gesteuert wird dieser Assistent wie auch der Parkassistent von einem Controller, den BMW selbst entwickelt hat. Bei der Konstruktion der neuen Klasse setzt der Hersteller auf eine zonale Architektur, was dem Konzept des Software Defined Vehicle entspricht. Beim Aufbau wird das Auto in die Zonen Front, Rumpf, Heck und Dach unterteilt. Die Zonen-Controller verteilen die Steuerbefehle an den jeweiligen Blinker, Rad und Bremse. Dieser Aufbau spart Steuergeräte als auch Verkabelung.
BMW sagt, der Kabelbaum benötigt 600 Meter weniger Kabel und spart so 30 Prozent des üblichen Gewichts. Die Befehle kommen von vier Hochleistungsrechnern, die BMW Superbrains getauft hat. Neben dem Rechner für Assistenten ist auch das Heart of Joy eine Eigenentwicklung von BMW. Es soll die berühmte „Freude am Fahren“ in die Elektromobilität übersetzen. Der Rechner vereint die Steuerung von Antrieb und Bremsen, schließlich können E-Motoren beides übernehmen.
Bremsen mit den E-Motoren. Heart of Joy regelt.
Wie gut das funktioniert, zeigt sich auf den Bergstraßen. Vom Mittelmeer geht es auf 700 Meter hoch in die Berge. Auf den engen Landstraßen stelle ich die Rekuperation auf „adaptiv“. Hier entscheidet der Rechner, wie stark vor der nächsten Kurve rekuperiert, also gebremst werden muss. Die BMW-Ingenieure gehen davon aus, dass 98 Prozent aller Bremsvorgänge von den E-Motoren übernommen werden.

Neben der Energierückgewinnung hat es einen weiteren Vorteil: Der Wagen nickt beim Bremsen nicht nach vorn. Auch bei der Kraftverteilung auf die Räder leistet das Heart of Joy gute Arbeit, was man bei einer Slalomfahrt auf der Rennstrecke von Ascari spürt. Das 1,64 m hohe Fahrzeug wankt fast gar nicht. Das gilt auch für den Notfall-Spurwechsel. Mit 120 km/h fahre ich in eine Pylonengasse. Beim roten Hütchen trete ich mit voller Kraft auf die Bremse und weiche zeitgleich auf die linke Spur aus. Der Wagen bricht nicht aus und kommt sicher innerhalb der Pylonen zum Stehen. Hierbei spürt man erstmals den Einsatz der Reibbremsen.
BMW iX3: Laden lohnt nicht
Wie dynamisch der SUV, den BMW SAV (Sports Activity Vehicle) nennt, unterwegs ist, zeigt er auf der Rennstrecke. Der fremderregte Synchronmotor im Heck und der Asynchronmotor in der Front leisten zusammen 345 kW und 645 Nm Drehmoment. Im Spurt ist der Wagen in 4,9 Sekunden auf 100 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 210 km/h, was ich auf der kurzen Geraden in Ascari leider nicht ausprobieren kann.

Auf dem Rückweg nach Sotogrande halte ich Ausschau nach einem Schnellader. Der ist auch zu finden, aber ein Ladestopp würde keine Höchstleistung erreichen. Die Anzeige steht nach 250 gefahrenen Kilometern noch bei 57 Prozent. Ich habe immer noch 500 km Reichweite zur Verfügung. Der WLTP-Wert liegt bei 805 km. Somit muss ich mich auf die Herstellerangaben mit 21 Minuten Ladezeit von 10 auf 80 Prozent mit maximal 400 kW verlassen. Natürlich kann der iX3 auch Energie abgeben: an externe Geräte (V2L), den eigenen Haushalt (V2H) und über die BMW DC-Wallbox Professional ans Stromnetz (V2G). Zusammen mit Eon bietet der Autohersteller einen passenden Tarif.
Ein Radstand von 2,90 Meter sorgt für komfortables Sitzen in der ersten als auch zweiten Reihe. Das 4,78 m lange E-Auto bietet im Kofferraum Platz für 520 Liter Gepäck. Mit umgeklappter Rücklehne werden daraus 1750 Liter. Unter der Fronthaube bietet ein Fach weitere 58 Liter Stauraum. Allerdings setzt BMW bei der Öffnung auf eine altmodische Lösung.

Weder im digitalen Schlüssel auf dem Smartphone noch in der Knopfleiste in der Fahrertür gibt es eine Option zum Öffnen der Fronthaube. Dazu muss man tief unter die Verkleidung links vom Lenkrad greifen und den klassischen Seilzug bedienen. Das wirkt nicht zeitgemäß und hinterlässt den Eindruck eines Notfalls. Wer morgens mit dem Typ 2-Kabel in der Hand vor seinem Wagen steht, will nicht erst die Fahrertür öffnen, um die Haube zu entriegeln.

Furchterregender Alien-Kopf als Abschreckung für Marktbegleiter?
Ein zweiter Punkt, wo BMW ein wenig Mut fehlte, ist die Visualisierung des Sprachassistenten. Zum einen gibt es keinen Namen für das Objekt, zum anderen ist die aktuelle Gestaltung zum Fürchten. Es ist ein blauer Alien-Kopf mit weißer Brille in Nierenform. Wobei er mit den Brillengläsern zwinkern kann, was für Augen spricht. Allerdings fehlen die Pupillen. Auf die hat BMW verzichtet, weil es sonst zur sehr nach Comic-Figur ausgesehen hätte.

Die aktuelle Lösung ist ein lauwarmer Kompromiss aller Beteiligten. Mehr Visualisierungen zum Auswählen, wollte der Hersteller zum Start allerdings nicht anbieten. Hier wird sich sicherlich noch einiges tun, da BMW an der Entwicklung des Sprachassistenten durch Einbindung weiterer KI-Anwendungen arbeitet.
Insgesamt ist das Auftaktmodell der neuen Klasse ein großer Sprung. Mit der neuen Architektur, den vier Superbrains sowie der Softwareentwicklung im eigenen Haus ist den Münchnern etwas gelungen, woran andere deutsche Hersteller noch arbeiten: den Anschluss an den globalen Wettbewerb in der Elektromobilität.
Auf der E-Plattform wird BMW bis 2027 noch 40 weitere Modelle vorstellen. Sie sollen es mit E-Autos aus China und Nordamerika aufnehmen. Einen ersten Blick auf den elektrischen 3er, den BMW i3 nennt, gewährte der Hersteller bei der Veranstaltung in Spanien. Er wird direkt im Schatten der Vierzylinder-Zentrale in München gefertigt. Während der iX3 im neu gebauten BMW-Werk im ungarischen Debrecen vom Band läuft. Die Auslieferungen beginnen im Frühjahr 2026.

Preislich startet der BMW iX3 50 xDrive bei 68.900 Euro. Laut Hersteller fiel die Kundenreaktion nach der Vorstellung bei der IAA in München sehr positiv aus. Über 3000 Kunden bestellten das E-Auto ohne Probefahrt. Wer jetzt das erste Modell der neuen Klasse ordert, muss mit einer Auslieferung im Jahr 2027 rechnen.







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