Bayernwerk: Türöffner für bidirektionales Laden

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Daniel Krenzer
Daniel Krenzer
  —  Lesedauer 5 min

Solarstrom vom Dach direkt ins E-Auto laden – und bei Bedarf in die eigenen vier Wände zurückspeisen: Die Bayernwerk Netz GmbH (Bayernwerk) und das Kommunikationsunternehmen PPC haben die dafür notwendigen Schnittstellen und Protokolle erfolgreich getestet und damit einen Durchbruch im Projekt „Bidirektionales Laden“ errungen, berichten sie in einer Pressemitteilung. In einer Testreihe konnte demnach eine Verbindung zwischen dem heimischen Stromzähler und dem Energiesystem eines E-Autos simuliert und damit eine wichtige Voraussetzung für die heimische Solartankstelle sowie den „Stromspeicher in der Einfahrt“ erprobt werden.

„Die Energie-, Verkehrs- und Wärmewende schreitet zügig voran und immer mehr Eigenheimbesitzer sind Erzeuger, Zwischenspeicher und Verbraucher von Energie gleichzeitig, haben PV-Anlage, Elektroauto und vielleicht auch Wärmepumpe angeschlossen. Wie dabei Strom erzeugen, speichern und verbrauchen sinnvoll in Einklang gebracht werden kann, wollte das Bayernwerk mit weiteren Partnern in dem 2019 gegründeten Forschungsprojekt Bidirektionales Lademanagement (BDL) herausfinden“, heißt es in der Mitteilung. Denn mit der Elektrifizierung des Verkehrssektors finde zugleich eine Entwicklung hin zu bidirektionalen Elektrofahrzeugen statt, bei welchen der integrierte Speicher nicht nur geladen, sondern der Strom auch für die Versorgung des Eigenheims genutzt werden kann. Diese Funktionalität erhöhe die Flexibilität in Privathäusern oder bei Gewerbeimmobilien. Eine Vielzahl an Markt-, Netz- und Systemanwendungsfällen könnte damit genutzt werden, was in dem Forschungsprojekt erprobt worden sei.

E-Auto als Heimspeicher

Das Bayernwerk sei in seiner Rolle als Netz- und Messstellenbetreiber ein wichtiges Bindeglied zwischen Endkunden und Markt und habe bereits früh verschiedene Ideen im Projekt eingebracht, um den Verbrauchern zusätzliche Dienste über das intelligente Messsystem zu ermöglichen. Von zentraler Bedeutung sei es hierbei eine sinnvolle Verbindung zwischen dem intelligenten Stromzähler, dem so genannten Smart-Meter-Gateway (SMGW) sowie dem Energiemanagementsystem, also einem Heimspeicher oder einem E-Auto in der Liegenschaft, zu ermöglichen. „Dazu wurden ausreichend hochfrequente Messwerte benötigt, die automatisiert übertragen werden. Das heißt, Zähler und Endgerät tauschten in Echtzeit Informationen aus, sei es der Ladezustand des E-Autos oder die Menge an verfügbarem Solarstrom vom Dach“, wird dies weiter ausgeführt.

Die Entwickler hätten sich hier zum Ziel gesetzt, die Eigenverbrauchsoptimierung mit einer „Nulllastregelung“ umzusetzen: Der gesamte Solarstrom sollte vollständig im Gebäude verbraucht, die Fahrzeugbatterie aufgeladen werden und kein Strom zurück ins Netz fließen. Dies bedeute, dass der Speicher in Zeiten einer Überschussproduktion durch die PV-Anlage geladen wurde und auf Wunsch, wenn die Sonne mal nicht schien, der Strom aus dem E-Auto wieder zurück in den Haushalt gespeist werden konnte. „In diesen Zeiten konnte der Energiebedarf in der Liegenschaft wieder mit dem zwischengespeicherten Grünstrom gedeckt werden. Dies entsprach in gewisser Weise einem Autarkietest. Und es gelang: Die dafür notwendigen Protokolle und Schnittstellen im Smart Meter Gateway hat PPC nun erfolgreich im Zuge des Projektes Bidirektionales Lademanagement (BDL) integriert und mit dem Bayernwerk erfolgreich getestet.“

Vorteile für Kunden und Netzbetreiber

Die lokale Nutzung des selbst erzeugten Stroms habe Vorteile für Kunden und Netzbetreiber. Zum einen könnten die Kunden günstigen Solarstrom direkt für ihre Mobilitätsbedürfnisse oder zur Kompensation des Leistungsbedarfs anderer Verbraucher in der Liegenschaft nutzen. So sparten sich die E-Autofahrer den teureren Netzbezug. Zum anderen müsse die Leistung der Erzeugungsanlage (zum Beispiel Photovoltaik) nicht über das Netz abtransportiert und später wieder geliefert werden. Dadurch werde das örtliche Stromnetz für alle entsprechend entlastet. Des Weiteren erlaube die Nutzung des EEBus-Standards (standardisierte Datenkommunikation zwischen Geräten im Smart Home) auch weitere Anwendungsfälle, wie zum Beispiel die Nutzung von dynamischen Tarifen des Energieversorgers oder die Übermittlung von Sollwertvorgaben durch den Netzbetreiber, um die bestehenden Netzkapazitäten noch effizienter zu nutzen.

Wolfgang Duschl, BDL-Projektleiter beim Bayernwerk fasst zusammen: „Ein intelligentes Zusammenspiel von E-Fahrzeugen, Ladeinfrastruktur, Energiemanagement und dem intelligenten Messsystem wird für die Endverbraucher daheim eine echte Trendwende einleiten. Mehr erneuerbare Energie kann lokal und effizient genutzt werden, während die Flexibilitätsnutzung für uns Netzbetreiber neue Potentiale zur Versorgungsqualität und Netzstabilität leisten können.“

Viel Selbstbestimmung für den Kunden

Perspektivisch könnten die Autofahrer damit die Rahmenbedingungen ihres Elektroautos selbst festlegen und Ladevorgang, Speichervorgang, Einspeisung oder Rückspeisung komplett selbst steuern. Zu welchem Anteil soll der Akku stets geladen sein? Wieviel Energie soll zur Optimierung genutzt werden? Das Flexibilitätspotential sei hier enorm. Dank des Smart Meters kann das Energiemanagementsystem die anliegende Leistung mit den Flexibilitäten steuern. Im Falle einer Bezugsleistung der Liegenschaft werde dieselbe Leistung aus dem E-Auto entzogen, im Falle einer Einspeisung wird dagegen das E-Fahrzeug mit derselben Leistung beladen. Auf diese Weise ließen sich Optimierungsziele sowie die Erfüllung der Mobilitätsbedürfnisse des Kunden stets im Einklang halten.

Im Feldtest des BDL-Projekts wurden laut Pressemitteilung von Mitte 2021 bis Ende 2022 Versuche mit 50 rückspeisefähigen BMW i3s durchgeführt. PPC integrierte im Rahmen des Projekts eine EEBus-Schnittstelle in das SMGW, um eine erfolgreiche Kommunikation mit dem Energiemanagementsystem zu realisieren, heißt es weiter. „Durch diesen gemeinschaftlichen Ansatz wird es möglich sein, die Wirtschaftlichkeit weiter zu steigern, da auf bisher notwendige zusätzliche Zählereinheiten sowie die hierfür notwendigen Installationsmaßnahmen verzichten werden kann. Darüber hinaus ist positiv zu erwähnen, dass im Zuge des Gesetzes zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende (GNDEW) auch die Kosten für die intelligenten Messsystem perspektivisch sinken sollen„, schreibt Bayernwerk.

Auch BMW beteiligt

Weitere Partner im Projekt waren demnach BMW, in Verantwortlichkeit für Weiterentwicklungen an den Fahrzeugen, sowie Kostal als Bereitsteller und Entwickler für die Wallboxinfrastruktur. Gemeinsam seien die Kommunikation der Wallbox mit dem SMGW über EEBus in enger Zusammenarbeit mit dem Unternehmen KEO weiterentwickelt und getestet worden. Der Übertragungsnetzbetreiber Tennet habe dabei alle Aufgaben der Systemdienstleistungen betreut. Zusätzlich sei das Projekt durch die Universität Passau, die Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) wissenschaftlich begleitet worden.

„Zukünftig sollen diese Entwicklungen und die Ergebnisse des gesamten Forschungsprojektes dazu beitragen ein nutzerorientiertes Angebot zur Integration bidirektionaler ladender Fahrzeuge in das lokale Energiemanagement zu ermöglichen“, heißt es in der Mitteilung abschließend.

Quelle: Bayernwerk – Pressemitteilung vom 13. Juni 2023

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Daniel Krenzer

Daniel Krenzer

Daniel Krenzer ist als studierter Verkehrsgeograf und gelernter Redakteur seit mehr als zehn Jahren auch als journalistischer Autotester mit Fokus auf alternative Antriebe aktiv und hat sich zudem 2022 zum IHK-zertifizierten Berater für E-Mobilität und alternative Antriebe ausbilden lassen.
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M. S.:

Bin leidgeprüfter Bayernwerk-Kunde mit PV-Anlage, Speicher, Wallbox und E-Auto. Nach Analyse aller Fakten und Gesprächen mit Fachleuten innerhalb und außerhalb des Konzerns scheint mir der Hauptbeweggrund für das Engagement in diese Richtung zu sein, dass man dort hofft, einen Teil des seit vielen Jahren verschleppten Netzausbaus vermeiden zu können…
Zumindest bei uns hier im Ort steigt die Netzspannung in sonnigen Mittagsstunden mittlerweile in Regionen, die immer mehr (speziell ältere) Geräte killt (bis über 245 V, regelmäßig gemessen an verschiedenen Stellen des Orts). Das kurbelt zwar die Geräte-Wirtschaft an, hat aber mit Nachhaltigkeit nichts zu tun.
Für die Aufrüstung der Netzinfrastruktur „fehlen die Mittel“, aber „netzdienliches Laden“ mit Investition auf Verbraucherseite wäre doch was…

Wolfbrecht Gösebert:

„… solange eine Bidi-Wallbox immer noch mehrere tausend Euro kostet, …“

Ja, 5-, 6-, oder 7-Tausend Euro mag eine Bidi-DC-Wallbox kosten, der Preis für eine Bidi-AC-Wallbox wird bei Stückzahlen etwa 1/6 davon kosten.
Das ermöglich umso leichter eine weite Verbreitung, nicht nur Zuhause an der heimischen Wallbox, sondern auch dort, wo Autos sonst länger stehen, etwa bei Arbeitgebern, auf Laternenparkplätzen im urbanen Raum oder P&R-Plätzen und unterstützt/ermöglicht damit ein netzdienliches und preiswertes Laden.

Markus Wolter:

Ich finde diese Projekte echt wichtig & interessant. Ich habe aber Zweifel ob sich der technische Aufwand für bidirektionales Laden lohnt. Mit Heimspeichern und netzdienlichem Laden könnte man wohl fast den gleichen Effekt erreichen.

Claude Schwizgebel:

Und noch wichtiger die Automobilhersteller. Denn ohne die geht es nicht. Somit stellt sich die Frage wann kommt endlich ein Protokoll Standard für V2G?

Michael:

Sehr spannend und richtige schritte. Für den Großteil der Menschen die nicht ideologisch veranlagt sind, muss es sich aber auch rechnen: solange eine bidi wallbox immer noch mehrere tausend Euro kostet macht das ganze leider finanziell wenig Sinn. Dann lieber einen kleinen heimspeicher anstelle der bidi wallbox kaufen – der kann nicht wegfahren und ist immer nutzbar.
Habe selbst seit ein paar Jahren wärmepumpe und PV. Im sommer ist das schön, da geht das Konzept auf. Aber im Winter bringt das nur was wenn man eine wirklich sehr große PV Anlage hat und gleichzeitig sehr wenig heizleistung benötigt.

Bernhard:

Mit was? Dem nächsten Feldversuch? Die EnBW hat sowas ebenfalls schon in Ihrem Grundversorgerbereich gemacht. Und soviel ich weiss auch EON. Was kam dabei raus? Eine schöne Pressemitteilung wie diese und dann Funkstille. Man will doch gar keine Autarkie des Kunden. Der soll weiterhin bei Ihnen Strom kaufen und blos nicht selber Strom produzieren. Wo kämen wir dahin!

MKU:

Wichtiger Schritt. Hoffentlich ziehen andere Energieversorger bald nach

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