Autos für Deutsche immer weniger leistbar – schließen Microcars die Lücke?

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Microcars in Amsterdam. Bild: Milos Ruzicka / Shutterstock / 2211133571

Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 4 min

Für eine wachsende Zahl von Verbrauchern wird das eigene Auto zunehmend unerreichbar. Die Kosten für ein neues Fahrzeug sind schneller gestiegen als die allgemeine Inflationsrate – angetrieben durch die Chip-Knappheit, Störungen in den Lieferketten und die immer teureren technischen Anforderungen. „Die Preise für sogenannte Kleinst- und Kleinwagen, wie der VW up! oder Renault Twingo, sind seit 2020 stark gestiegen, teilweise um 30 Prozent – das gilt sowohl für E-Autos als auch für Verbrenner“, sagt Vincent Rodewyk, Mobilitätsexperte und Principal bei der Unternehmensberatung Kearney.

Vor allem für Erstkäufer und preissensible Verbraucher werden Autos immer unattraktiver. Ein Segment, das sich laut dem Experten positiv entwickelt, stellen Microcars dar. Sie sind für niedrige Geschwindigkeiten und kurze Strecken insbesondere in der Innenstadt konzipiert und kosten im Monat vergleichsweise wenig. Für Verbraucher bieten sie in Sachen Erschwinglichkeit und Nachhaltigkeit enorme Vorteile. Während man sie in deutschen Städten noch selten sieht, sind die Microcars aus dem Stadtbild von Amsterdam, Paris oder Rom bereits nicht mehr wegzudenken.

In Deutschland wird das Problem der erschwinglichen Kleinst- und Kleinwagen für Erstkäufer und Verbraucher mit niedrigem und mittlerem Einkommen zunehmend akut. Das liegt daran, dass die Inflation in diesem Segment besonders hoch ist. Außerdem wird das Angebot hier zunehmend kleiner, da Hersteller auf wirtschaftlich attraktivere, größere Fahrzeugsegmente umschwenken. In den vergangenen zehn Jahren hat es sich fast halbiert, inklusive eingestellter Modelle wie dem Ford Ka und dem Citroën C1.

Aber auch strengere Vorschriften zur Abgasbehandlung und CO2-Reduktion treiben die Preise für solche Autos unverhältnismäßig stark in die Höhe“, erklärt Rodewyk. „Vor fünf Jahren kosteten einfache Autos mit Verbrennungsmotor noch 10.000 bis 15.000 Euro, heute sind solche Optionen stark begrenzt.“ Dies könne gesellschaftliche Ungleichheiten verschärfen, da außerhalb von großen Städten die individuelle Mobilität eingeschränkt werde.

Hersteller reagieren mit Microcars als nachhaltige Stadtlösung

Der Markt für Microcars in Europa profitiert grundsätzlich durch die staatliche Förderung emissionsarmer Mobilität. Dies hat in vielen Ländern der EU zu höheren technischen Anforderungen für herkömmliche Autos und finanziellen Anreizen für umweltfreundlichere Optionen geführt. „Hersteller haben darauf reagiert, indem sie nicht nur mehr konventionelle Elektroautos, sondern auch eine neue Kategorie, die Microcars, eingeführt haben“, erklärt Rodewyk. Diese Fahrzeuge, wie Micros Microlino, der Renault Twizy und sein Nachfolger Mobilize Duo, der Citroën Ami oder der Opel Rocks-e sind für niedrige Geschwindigkeiten und kurze Strecken in städtischen oder ländlichen Gebieten konzipiert.

Während sie Vorteile beim Parken und in Sachen Nachhaltigkeit bieten, sind sie jedoch nicht für Langstreckenfahrten gedacht – viele der üblichen Sicherheitsmerkmale, wie etwa Airbags oder ABS fehlen. Auch Infotainment, eine Klimaanlage oder eine gute Schalldämmung sind meist nicht vorhanden. Dennoch umfasst der Markt laut Kearney-Daten etwa 103.000 jährlich verkaufte Neufahrzeuge – Tendenz stark steigend. Aktuell sehen die meisten Käufer (87,5 Prozent) Microcars als Ergänzung zu anderen Transportmitteln – nur ein kleiner Teil (12,5 Prozent) als kompletten Ersatz.

Vor diesem Hintergrund besteht großes Wachstumspotenzial, wenn Microcars zunehmend als Alternative für andere Mobilitätsoptionen und nicht nur als Ergänzung angesehen werden“, so Rodewyk. Ein weiterer Treiber für das zukünftige Wachstum des Marktes für Microcars könnten CO2-Gutschriften sein, die auf die Flottenemissionsziele der Automobilhersteller einzahlen. Würden Microcars bei der Berechnung dieser Ziele berücksichtigt, hätten Hersteller einen Anreiz, diese zu fördern, um Strafzahlungen zu reduzieren.

Erfolg hängt von Vorreitern und Verbrauchern ab

Ob sich Microcars tatsächlich durchsetzen, hängt von mehreren Faktoren ab. „Zum einen beeinflussen staatliche Regulierungen, Subventionen und Vorschriften den Markt, zum anderen das Engagement seitens der Hersteller. Der Erfolg von Vorreitern wie Renault und Stellantis wird entscheidend sein, um weitere Investitionen anzuziehen“, ist sich Rodewyk sicher.

Die Verbraucher sind ebenfalls ein wichtiger Faktor. Vor allem Käufer, die preissensibel sind und aus dem traditionellen Kleinwagen-Markt verdrängt wurden, sehen Microcars als eigenständige Automobiloption (14 Prozent der erwarteten Marktgröße in 2030). Ein noch größeres Potenzial sieht Kearney bei Komfort-orientierten, älteren Käufern, die Microcars aufgrund ihrer Praktikabilität, Übersichtlichkeit und leichten Handhabung für Kurzstreckenfahrten bevorzugen (23 Prozent). Minderjährige und junge Erwachsene, die ein solches Auto als erstes motorisiertes Fortbewegungsmittel wählen, machen hingegen nur 13 Prozent der erwarteten Marktgröße aus. Mikromobilitätsaffine Käufer, die derzeit Roller und E-Bikes nutzen, bilden den Daten zufolge sogar bis zu 50 Prozent der erwarteten Marktgröße ab.

Wir erwarten, dass der europäische Microcar-Markt jährlich bis 2030 durchschnittlich etwa 15 bis 32 Prozent wächst, allerdings stark abhängig von den Bedingungen, insbesondere der Regulatorik“, erklärt Rodewyk. „Diese Zahlen erscheinen nicht unrealistisch, vor allem wenn man den europäischen E-Bike-Sektor betrachtet. Dieser umfasst jährlich mehr als fünf Millionen Einheiten von einem Produkt, das im Vergleich zum Microcar langsamer ist, eine kürzere Reichweite sowie noch niedrigere Sicherheitsstandards aufweist und kein Dach hat“, so Rodewyk abschließend.

Quelle: Kearney – Pressemitteilung vom 05.12.2024

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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Steffan Schuldt:

Mit diesen Microcars kann man aber nicht in Parkhäuser fahren die Kennzeichenerkennung haben , da sie kein Nummernschild vorne haben. Wie soll das dann gehen. Ich darf schon nicht mehr mit dem Motorrad rein. Und wo soll dann das Microcar hin ?

Pedro G.:

Micro Fahrzeuge sollten kosten
bis 45 kmh maximale 12.000 €
bis 100 kmh maximale 15.000 €
Den zum Spring und T03 sollte doch ein Preisabstand von mindestens 3000 E sein !

Josef:

Man sollte wirklich nachdenken, vielleicht dazu auch recherchieren:

Zur Forderung „LKW aus den Städten verbannen“: Das hieße alle müssten zum Einkaufen raus auf die grüne Wiese fahren, weil es in den Städten nichts zu kaufen gibt.

Zur Forderung „alle Kleintransporter ab 3,5t auf 100km/h zu drosseln, gewerblich und privat“: Alle LKW über 3,5t (d.h. ab 3,51t) sind bereits auf 90km/h gedrosselt, Ihre Forderung würde also zu einer „Verschlechterung“ führen.

heinr:

Bei dem Zustand deutscher Straßen sind die Micro Fahrzeuge sicher keine Alternative, da braucht es fast schon echte Geländewagen um nicht in den Schlaglöchern zu verrecken.

Peter:

Wie vile 3t SUVs gibt es denn ? also mein Model Y wiegt 1,9t alos genau so viel wieder Kompakte ID.3.
Man sollte lieber Nachdenken, LKW auss den Städten zu verbannen und alle Kleintranspoter ab 3,5t auf 100km/h zu drosseln, gewerblich und privat.

Gastschreiber:

Bei der Lektüre dieser Zeilen hatte ich laufend den Eindruck, dass das eine sehr zielgerichtet, beauftragte Studie ist. Nicht, dass die Inhalte per se falsch sind, aber die Formulierungen, Ausgangspunkte etc. haben diese gewisse Tendenz.
Gehe ich hier bei den Händlern vorbei, sehe ich ausreichend kleine Verbrenner im niedrigen Eurobereich, sogar als Neuwagen. Klar, keine VWs :)
Sehe ich mir die Zulassungsstatistik 2023 an, lag der durchschnittliche Kaufpreis von Neuwagen bei ca. 50.000€.
Sehe ich mir die Modelle an, die dort enthalten sind, finden sich kleinere Fahrzeuge eher selten auf den vorderen Plätzen.
Also wir reden über günstige, kleine Fahrzeuge, aber die Käufer wollen sie am Ende nicht. Imageproblem?
Hier in den Kommentaren gab es schon Dinge, die eine Chance haben, dass sich etwas in Richtung Verkehrswende verändert. Tempo 30 pauschal in den Innenstädten. Kann man ergänzen durch absoluten Vorrang für den öffentlichen Nahverkehr.

Philipp:

Kurz den Filter angepasst: Kleinwagen, unter 4000€, bis 100.000km, max 100km entfernt, BJ ab 2014:
7 Angebote, davon 4 Gewerbliche also mit Gewährleistung. Es gibt ncoh genug.

Ich sehe das Problem nicht. Natürlich haben wir Inflation, auch bei den Kleinwagen. Ob der Einstandspreis nun 3000 oder 4000€ ist, ist eh bei den TCO nicht so relevant.
Und vor 5 Jahren gab es auch keinen für unter 2000€ mit den Daten, die Kleinwagen sind schon immer teurer als größere Modelle gewesen.

Dagobert:

Ich werde lieber von einem, Mercedes GLE getroffen als von einem Microcar. Die einzige Anforderung die L6e & L7e an Fußgängerschutz zu erfüllen hat ist „Keine scharfen Kanten“

Rolando:

Was noch fehlt ist viel Tempo 30 in den Städten. Dann verdampfe ich nicht wenn mich das 3t SUV trifft!

Robert:

Nein einen Rechtsanspruch gibt es nicht aber das Problem ist wenn es keine billigen und bezahlbaren Kleinwagen gibt wird es in den nächsten 10-15 Jahren dann auch keine billige Gebrauchtwagen geben ich habe das schon bei den Motorädern gemerkt vor 10 Jahren konnte man noch jede Menge Gebrauchte für 500-2000 bekommen heutzutage sind kaun noch welche dafür zu bekommen und wenn, sind sie meistens kaputt und müssen erst noch für viel Geld repariert werden. Auch bei den Autos habe ich das schon gemerkt, habe für meine Mutter einen gesucht und nur einen einzigen vernünftigen (unter 10 Jahre und keine 100.000 km) für 3800 Euro gefunden der Rest war eher ab 5000 Euro

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