Mehr als Autos: Xpeng will Europas Herzen erobern

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Xpeng

Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 8 min

Bei einer Fahrveranstaltung des chinesischen Herstellers Xpeng rund um München standen die Modelle G6 und G9 im Mittelpunkt. Gemeinsam mit meinen Kolleg:innen konnte ich mich von der Fahrdynamik der Elektro-SUVs überzeugen. Doch die wirklich spannenden Details wurden abseits der Straße und in Gesprächen beziehungsweise der durchaus sehr tiefgehenden Pressekonferenz am Abend geteilt. Die Abendveranstaltung diente dazu, die Strategie für Europa zu erläutern und das Selbstverständnis der Marke zu vermitteln.

„Wir wurden 2014 von einer Gruppe junger Unternehmer gegründet, die die gemeinsame Vision hatten, die Mobilität der Zukunft mit Technologie zu verändern“, erklärte Markus Schrick, Managing Director Central Europe, in seiner Präsentation. Dieser Anspruch zieht sich bis heute durch das gesamte Unternehmen. Gründer He Xiaopeng prägte schon früh die Haltung, dass Technologie der entscheidende Faktor sei, um Mobilität neu zu denken.

Software zuerst, dann Hardware – warum Xpeng die Entwicklung neu denkt

Xpeng beschreibt sich deshalb nicht als klassischen Autohersteller, sondern als Technologieunternehmen, das Elektromobilität als Treiber gesellschaftlichen Wandels versteht. Mehr als 40 Prozent der inzwischen 15.000 Beschäftigten arbeiten in Forschung und Entwicklung, rund die Hälfte davon in der Softwareentwicklung. „Heute wird die Software zuerst gemacht und dann kommt die Hardware, dann die Karosse drumherum. Das war früher mal anders“, so Schrick, der es mit seiner Erfahrung von einigen Jahren bei Audi, VW, Toyota und Hyundai wissen muss.

Dass dieser Anspruch mehr ist als ein Marketingversprechen, zeigt der Blick über das Auto hinaus. Bereits zwei fliegende Fahrzeuge wurden entwickelt, zudem arbeitet Xpeng an humanoiden Robotern. Auf der IAA wird kommende Woche der 1,78 Meter große Roboter „Iron“ vorgestellt, der laufen, sprechen und sogar Gesten ausführen kann.

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Um diesen Anspruch zu untermauern, braucht es jedoch eine solide finanzielle Basis. Xpeng hat diese früh geschaffen: Mit Börsengängen an der NASDAQ in New York und später in Hongkong flossen rund vier Milliarden US-Dollar ins Unternehmen. „Wir haben eine gute Basis gelegt, nicht nur in der Technologie, sondern auch eine finanzielle Basis“, betonte Schrick. Ende 2023 kam ein weiterer Meilenstein hinzu: Volkswagen beteiligte sich mit fünf Prozent an Xpeng und investierte dafür 700 Millionen Euro.

Im März 2025 wies das Unternehmen einen Cash-Bestand von 6,2 Milliarden US-Dollar aus – eine Summe, die sich nahezu auf Vorjahresniveau bewegt. „Wir sind finanziell richtig gut aufgestellt. Darauf bauen wir eine richtig gute Technologie, richtig gute Qualität – und da kommen wir zu richtig guten Autos“, fasste der Managing Director Central Europe die Lage zusammen.

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Dass Xpeng diese Mittel auch in ein starkes Produktportfolio übersetzen kann, zeigt sich am Heimatmarkt. Dort konkurrieren über 500 Hersteller um Kund:innen – und dennoch konnte Xpeng bis heute mehr als 800.000 E-Autos global ausliefern. Seit Anfang 2025 liegt der Absatz konstant bei über 30.000 Einheiten pro Monat. Im August waren es 37.700 Fahrzeuge, ein Plus von über 250 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat.

Für das Gesamtjahr peilt das Unternehmen zwischen 300.000 und 350.000 Auslieferungen an. „Es geht ordentlich vorwärts“, kommentierte Schrick. Gerade weil der chinesische Markt als härtester Prüfstein der Branche gilt, versteht Xpeng diese Zahlen als Beleg für seine Stabilität und Innovationskraft.

Europa als Wiege der Automobilindustrie und Prüfstein für Xpeng

Mit der starken Position im Heimatmarkt im Rücken richtet Xpeng den Fokus nun klar auf Europa. Für das Unternehmen ist der Kontinent mehr als ein zusätzlicher Absatzmarkt. Markus Schrick brachte es bei seinem Vortrag auf den Punkt: Europa sei „die Wiege der Automobilindustrie“ – und damit ein Prüfstein, auf dem sich beweisen lasse, ob Xpeng dauerhaft zu den großen internationalen Marken gehört.

Inzwischen ist der Hersteller in 19 Ländern aktiv. Neben großen Märkten wie Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und dem Vereinigten Königreich gehören auch kleinere Staaten wie Island, Luxemburg oder die Slowakei zum Vertriebsnetz. Und die Expansion ist noch nicht abgeschlossen: Schon bald sollen acht weitere Länder hinzukommen, darunter Österreich, Griechenland, Estland und Lettland. Auch in Mittel- und Osteuropa sieht Xpeng Potenzial, mit geplanten Markteintritten in Ungarn, Slowenien, Kroatien und Litauen. Diese Breite zeigt, dass das Unternehmen den Kontinent nicht nur selektiv, sondern systematisch erschließen will.

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Besonders konkret sind die Pläne für die Region Central Europe, also Deutschland, Österreich und die Schweiz. Hier setzt Xpeng auf eine Mischung aus eigenem Vertriebsaufbau und Partnernetzwerken. In Deutschland ist die Marke aktuell mit rund 20 Händlern und etwa 40 Standorten vertreten. „Am Ende des Jahres wollen wir 60 Standorte haben“, kündigte Schrick an. Bis Ende 2026 soll die Zahl auf 120 steigen – eine Größenordnung, die nach seiner Einschätzung nötig ist, um flächendeckend präsent zu sein. In Österreich plant Xpeng ebenfalls mit acht bis zehn Händlern im ersten Jahr und einer Verdopplung bis 2026.

In der Schweiz verfolgt man einen anderen Weg: Hier arbeitet Xpeng mit dem Distributor Hedin zusammen. Dort sollen bis Ende 2025 rund zehn Standorte aufgebaut werden, die bis 2026 auf 20 anwachsen. Diese flexible Strategie – Direktvertrieb in größeren Märkten, Partnerschaften in kleineren – verdeutlicht, wie pragmatisch sich das Unternehmen den jeweiligen Gegebenheiten anpasst. Schrick betonte dabei mehrfach, dass es Xpeng nicht nur um reine Verkaufszahlen gehe, sondern auch um Verlässlichkeit und Vertrauen: „Wir müssen Zuverlässigkeit liefern, und ganz wichtig, wir müssen Vertrauen in den Markt schaffen.“

Partnerschaft statt Direktvertrieb – warum Xpeng auf den Handel setzt

Vertrauen soll nicht nur bei den Kund:innen entstehen, sondern auch bei den Vertriebspartnern. Xpeng grenzt sich dabei bewusst von anderen Herstellern ab, die in Europa auf Direktvertrieb setzen. „Wir sind ganz klar der Meinung: Die guten Händler verkaufen seit Jahren beziehungsweise Jahrzehnten erfolgreich Fahrzeuge. Wir maßen uns nicht an zu sagen, wir können das besser“, erklärte Schrick. Stattdessen setzt das Unternehmen auf klassische Händlerstrukturen und auf eine enge Bindung zu jenen, die die Marke vor Ort repräsentieren.

Das Ziel beschreibt Schrick mit einem einfachen Prinzip: „Wir wollen immer eine Win-Win-Situation haben. Wir sprechen von gleicher, starker, gleichwertiger Partnerschaft.“ Händler sollen nicht nur Vertriebskanäle sein, sondern als Unternehmer Verantwortung tragen und gleichzeitig von der Marke profitieren. Entscheidend sei, dass die Motivation nicht von Xpeng ausgehe, sondern aus dem Markt selbst komme. „Wir wollen, dass die Händler auf uns zukommen und sagen: Kann ich eine größere Fläche haben? Kann ich mehr investieren? Kann ich mehr Autos haben?“

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In München schilderte Schrick eine Beobachtung, die den Ansatz greifbar macht: Manche Kund:innen kommen morgens auf einen Kaffee ins Autohaus, einfach weil sie die Atmosphäre mögen. Solche Details wirken banal, für Xpeng sind sie aber ein Zeichen dafür, dass sich Menschen mit einer Marke verbunden fühlen – und genau diese Bindung will das Unternehmen auch in neuen Märkten schaffen.

Zur Partnerschaft mit dem Handel gehört für Xpeng auch ein Aspekt, an dem viele neue Marken bislang gescheitert sind: die zuverlässige Versorgung mit Ersatzteilen und ein funktionierender Service. Schrick machte deutlich, dass man diesem Thema hohe Priorität einräumt. „Wir verstehen Ersatzteile und wir verstehen Service“, sagte er. Allein in Deutschland erreichte Xpeng im August eine Lieferquote von 96 Prozent bei Ersatzteilen – ein Wert, den selbst etablierte Hersteller nicht immer vorweisen können.

Auch im Service will Xpeng neue Wege gehen. Ein zentrales Service-Management-System vernetzt Kunden, Handel und Unternehmenszentrale miteinander. Ferndiagnosen und teilweise auch Remote-Lösungen sollen Probleme schneller identifizieren und beheben. „Das geht noch nicht bei allen Sachen, aber bei einigen geht das schon“, erklärte Schrick. Für Fälle, in denen eine Reparatur nicht sofort möglich ist, hat Xpeng eine klare Regel: Kund:innen sollen noch am selben Tag eine Lösung erhalten, notfalls in Form eines Ersatzfahrzeugs.

Elektroauto-News

Damit setzt das Unternehmen ein Signal. Es geht nicht allein um den Verkauf neuer Autos, sondern um das gesamte Nutzererlebnis. Die Botschaft ist klar: Wer ein Auto von Xpeng fährt, soll sich auf zuverlässige Betreuung verlassen können – und das unabhängig davon, ob es um ein Software-Update per Over-the-Air oder eine defekte Komponente im Alltag geht.

Langfristige Ziele: Marktanteile sichern und Vertrauen aufbauen

Mit diesem Anspruch tritt Xpeng in Europa an. Doch das Unternehmen weiß, dass Erfolg hier nicht allein über Technik und Preise entschieden wird. „Das Wichtigste, was wir schaffen müssen beim Handel und bei Kunden, ist Vertrauen“, betonte Schrick mehrfach. Gerade als chinesische Marke mit noch unbekanntem Image in vielen europäischen Märkten sei Glaubwürdigkeit entscheidend.

Langfristig verfolgt Xpeng ein klares Ziel: In jedem Segment, in dem die Marke ein Modell anbietet, will sie drei Prozent Marktanteil erreichen. Ein ambitionierter Wert, der nur mit konsequenter Marktpräsenz und nachhaltiger Kundenbindung zu schaffen ist.

Gleichzeitig arbeitet das Unternehmen im Hintergrund an Strukturen, die seine Position auf dem Kontinent stärken könnten, wie man abseits der Pressekonferenz vernahm. So ist von einer lokalen Montage die Rede, die nicht nur Transportwege verkürzen, sondern auch helfen würde, die derzeitigen Importzölle von insgesamt 31 Prozent (21 Prozent Strafzoll + 10 Prozent Einfuhrzoll) zu senken.

Für Schrick und sein Team ist klar: Mit finanzieller Stabilität, einer technologiegetriebenen Ausrichtung und einem partnerschaftlichen Vertriebsmodell will Xpeng nicht nur Fuß fassen, sondern sich in Europa dauerhaft etablieren. Die Probefahrten in München zeigten, was die Autos können. Die Gespräche am Abend machten deutlich, wie konsequent der Hersteller den nächsten Schritt gehen will.


Disclaimer: Xpeng hat zum Kennenlernen des G6 und G9 Facelift nach München eingeladen, im Rahmen dessen konnten wir auch in den tieferen Austausch zur Marke Xpeng gehen. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf unsere hier geschriebene ehrliche Meinung.

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.

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