Die Gespräche zwischen der Renault Group und Nissan über eine mögliche Neuausrichtung ihres seit Jahren geschwächten Bündnisses nehmen an Fahrt auf. Informationen aus Medienberichten zufolge wird der Dialog durch personelle Veränderungen und wirtschaftlichen Druck bei beiden Unternehmen geprägt. Die jüngsten Entwicklungen eröffnen Chancen für einen Neustart der Kooperation, die lange als beispielhafte Industriepartnerschaft galt – später aber von internen Konflikten überschattet wurde.
Der Auslöser für die aktuelle Bewegung liegt in der Führungsetage von Renault. Dort hat im Sommer der frühere CEO Luca de Meo seinen Posten verlassen. Auf ihn folgte François Provost, der zuvor die Partnerschaften der Gruppe verantwortete. Mit dieser Erfahrung bringt er eine Perspektive in die Gespräche ein, die das Verhältnis zwischen den beiden Herstellern neu sortieren könnte. Die Erwartung besteht, dass er die bisherigen Überlegungen zur Beteiligungsstruktur aufgreift, aber zugleich die strategische Zusammenarbeit breiter betrachtet.
Auch bei Nissan hat ein Wechsel an der Spitze stattgefunden. Seit März führt Ivan Espinosa das Unternehmen, nachdem Makato Uchida die Führung abgegeben hatte. Espinosa muss ein schwieriges Umfeld bewältigen. Ein Sanierungsprogramm mit Personalanpassungen und Werksschließungen wurde bereits gestartet, doch Nissan rechnet weiterhin mit einem Verlust von rund 1,8 Milliarden US-Dollar im laufenden Geschäftsjahr. Diese Lage verstärkt den Druck, neue Kooperationsmöglichkeiten zu prüfen, die Effizienzgewinne ermöglichen könnten. In diesem Zusammenhang wird berichtet, dass die Verhandlungen mit Renault durch Espinosas Bereitschaft zu engerer Abstimmung erleichtert werden.
Blick auf die konfliktgeprägte Vergangenheit
Ein Blick in die gemeinsame Geschichte zeigt, warum die Allianz bis heute ein zentrales Thema geblieben ist. 1999 übernahm Renault zunächst eine kontrollierende Beteiligung an Nissan und entsandte Carlos Ghosn nach Japan, um den damaligen Sanierungsfall wieder auf Kurs zu bringen. Ghosn formte eine Kooperation, die zu den größten Autoherstellern nach Absatz zählte und lange als verlässliches Beispiel für globales Arbeiten über Ländergrenzen hinweg galt. Hinter den Kulissen wuchsen jedoch Spannungen, die erst durch Ghosns überraschende Festnahme in Tokio im Jahr 2018 für die Öffentlichkeit sichtbar wurden. Der Vorwurf des Finanzbetrugs legte interne Konflikte offen, die anschließend zur schrittweisen Entflechtung der Strukturen führten.
Im Laufe der vergangenen Jahre hat Renault seine Beteiligung an Nissan verringert. Der Anteil liegt nun bei rund 36 Prozent, wobei ein erheblicher Teil in einem Treuhandmodell gebunden ist und perspektivisch verkauft werden soll. Nissan hält seinerseits 15 Prozent an Renault. Die Finanzlage beider Seiten spielte in diesen Entwicklungen eine große Rolle. So musste Renault aufgrund der sinkenden Notierung von Nissan-Aktien eine erhebliche Wertberichtigung von etwa 9,5 Milliarden Euro vornehmen. Diese Situation erschwerte die vorherige Strategie, die Erlöse aus Anteilsverkäufen zur Stärkung des eigenen Konzerns zu verwenden.
Annäherung durch strategische Einzelprojekte
Trotz der herausfordernden Vorgeschichte gibt es derzeit Zeichen für Annäherung. Ein Renault-Sprecher erklärte laut Medienberichten, dass Provost und Espinosa regelmäßig miteinander sprechen, um Möglichkeiten der gegenseitigen Unterstützung zu sondieren. Diese Einschätzung wurde als positives Signal für die Beziehung beschrieben. Nissan betonte in einer Stellungnahme, die Allianz bleibe ein wichtiges Element des Geschäfts. Beide Seiten arbeiteten an „mehreren strategischen Projekten“, die einen messbaren Nutzen schaffen sollen.
Die gemeinsame Arbeit konzentriert sich bisher auf ausgewählte Vorhaben, darunter die Fertigung des nächsten Micra als Elektroauto durch Renault in einem französischen Werk. Die einst weitreichenden Strukturen mit gemeinsamer Einkaufsorganisation oder übergreifendem Management bestehen allerdings nicht mehr. Genau diese Lücke könnte nun Teil der neuen Gespräche sein, da die Unternehmen prüfen, wie sie künftige Elektroauto-Programme oder Plattformen effizienter gestalten können, ohne frühere Abhängigkeiten zu reproduzieren.
Quelle: Automotive News Europe – Renault, Nissan said to hold talks to revive alliance after leadership changes







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