Das ist doch nur ein weiteres chinesisches Elektro-SUV, mag manch einer vielleicht sagen. Doch mit einem Einstiegspreis von knapp unter 30.000 Euro positioniert sich der Leapmotor B10 im heiß umkämpften Kompakt-SUV-Segment – also genau dort, wo sich Familien und Pendler nach alltagstauglicher Elektromobilität umsehen – und hinterlässt dabei einen besseren Eindruck als so mancher deutlich teurere Konkurrent. Unser erster Fahreindruck aus Südfrankreich.
Attraktives Design, cleveres Raumkonzept
Mit einer Länge von 4,52 Metern und einem Radstand von 2,74 Metern trifft der B10 so ziemlich genau den Sweet Spot zwischen Stadt- und Familienauto. Das Design wirkt modern, aber nicht China typisch verspielt. Eine leicht abgerundete Formsprache, auffällige bunte und dennoch keinesfalls kitschige Lackierungen und dazu ein Innenraum, der mit viel Licht, Platz und Flexibilität punktet.
Die Materialien wissen ebenfalls zu überzeugen, denn der Hartplastikanteil fällt erstaunlich gering aus und insbesondere die Lüftungsdüsen mit matter Chromoptik könnten auch aus einem deutlich teureren Fahrzeug stammen, ebenso das Panorama-Glasdach mit elektrischer Jalousie.
Den Mittelpunkt des Cockpits bildet ein 14,6-Zoll-Touchscreen, der über dem Armaturenbrett zu schweben scheint und das digitale Zentrum des Fahrzeugs bildet. Ergänzend hierzu gibt es ein 8,8 Zoll messendes Tachodisplay, das die wichtigsten Informationen wiedergibt und dessen Layout mitsamt gewählter Schriftart uns stark an Nio erinnert. Wer sich unbedingt ein Head-up-Display wünscht, muss zu einem anderen Fahrzeug greifen, unser heutiger Kandidat bietet diese Option nicht an.
Trotz seiner kompakten Außenmaße zählt der B10 zu den geräumigsten Modellen seiner Klasse mit ganzen 1400 Millimetern Schulterfreiheit hinten und großzügiger Kopf- sowie Beinfreiheit auf der Rückbank, hier macht sich die reine Elektro-Plattform LEAP 3.5 sowie der Radstand von 2,74 Meter stark bemerkbar. Dazu erhält man einen Kofferraum mit 420 bis 1415 Litern Volumen, und je nach gewählter Ausstattungslinie öffnet die Kofferraumluke auch noch elektrisch – gar nicht mal schlecht bei dem aufgerufenen Preis. Ein kleiner Frunk mit 25 Litern Stauraum findet sich unter der Fronthaube.
Technik für den Alltag, nicht nur fürs Prospekt
Der B10 sieht zwar relativ zurückhaltend aus, in puncto Konnektivität und Digitalisierung schiebt sich das kompakte SUV aber weit nach vorne. Unter der Haube arbeitet modernste Softwaretechnik, denn der Wagen nutzt eines der effizientesten zentralen Domänensteuerungssysteme der Welt, verbunden über einen extrem kompakten 996 Meter langen Kabelbaum. Das hauseigene LEAP OS 4.0 Plus auf Basis des Snapdragon 8155-Chipsatzes ermöglicht eine flüssige Bedienung, 3D-Grafiken, Multi-App-Ansicht und regelmäßige Over-the-Air-Updates.
Leapmotor hat in allen Testwagen Smartphones beigelegt, wodurch wir uns von der Leapmotor-App selbst überzeugen konnten – chapeau! Die App führt flugs sämtliche Fahrzeugbefehle durch und bietet neben den klassischen Funktionen wie dem Setzen eines Ladetimers und eines Ladelimits zudem spannende Grafiken für Elektroauto-Nerds.
Beispielsweise werden sämtliche Verbraucher prozentual aufgelistet, sodass der Fahrzeugnutzer sehen kann, wie viel Energie in das tatsächliche Fahren und wie viel in Klima, Heizung und Co fließen. Dicker Daumen nach oben für diese gelungene Fahrzeuganbindung. Insgesamt 17 Fahrerassistenzsysteme, eine 360-Grad-Kamera und ein Sicherheitskäfig aus hochfestem Stahl runden den positiven Gesamteindruck ab.
Leapmotor B10: Eine Motorisierung, zwei Akkugrößen und zwei Ausstattungslinien
Na, schon am chinesischen Newcomer interessiert? Zwei Batteriepakete stehen derzeit zur Wahl: 56,2 kWh für bis zu 361 km und 67,1 kWh für bis zu 434 km WLTP-Reichweite. Beide Varianten unterstützen serienmäßig dreiphasiges 11 kW AC-Laden und bis zu 168 kW in der Spitze (140 kW bei der kleinen Akkugröße) an der Schnellladesäule, wodurch 30 bis 80 Prozent Ladung in unter 20 Minuten möglich sein sollen. Ob der B10 das schafft, wird sich aber erst zu einem späteren Zeitpunkt zeigen müssen, bei unserer Testfahrt in Südfrankreich gab es leider keinen passenden Schnelllader in unmittelbarer Nähe, an dem wir einen Ladetest hätten durchführen können. Leapmotor verspricht jedenfalls eine Ladegerade bis etwa 65 Prozent SoC.
Der Elektromotor ist bei beiden Akkugrößen derselbe. Er leistet 160 kW (218 PS) und sorgt dank 240 Nm sofort anliegendem Drehmoment für eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in glatten 8 Sekunden bei einer Höchstgeschwindigkeit von 170 km/h. Diese konnten wir in Südfrankreich selbstverständlich nicht austesten, ohne gegen das örtliche Gesetz zu verstoßen, bei den maximal erlaubten 130 km/h waren die Abrollgeräusche jedoch klassenüblich und auch die Windgeräusche hielten sich in Grenzen. Der Verbrauch nach unserer ersten Testfahrt belief sich auf 13,5 kWh pro 100 Kilometer, hier gibt es wirklich nichts zu meckern.
Ebenso wenig kann man bei den Ausstattungslinien monieren: Schon die Basisausstattung „Life“ bietet ein großes Panoramadach, 18-Zoll-Felgen, eine 360-Grad-Kamera und das volle Fahrerassistenz-Paket. Kombiniert mit dem kleineren der beiden Batteriepakete ist diese Version in der hübschen Basisfarbe „Starry Blue“ bereits ab 29.990 Euro bestellbar.
In der Variante „Design“ kommen Komfortfeatures wie eine Sitzheizung sowie Sitzbelüftung, eine 64-farbig einstellbare Ambientebeleuchtung, ein Premium-Soundsystem mit zwölf Lautsprechern und die vorhin erwähnte elektrische Heckklappe hinzu. Generell fällt der Konfigurator sehr übersichtlich aus. Akkugröße, größere oder kleinere Ausstattungslinie, Lackierung und Innenraumfarbe wählen – fertig. Teurer als knapp 34.000 Euro kann man den Wagen nicht ausstatten, Leapmotors äußerst humane Aufpreispolitik soll ganz offensichtlich zum Konfigurieren der Vollausstattung verleiten.
Heckantrieb mit schwammiger Lenkung
Die chinesischen Hersteller versuchen zunehmend, ihre Fahrzeuge auf den europäischen Fahrgeschmack auszurichten. Im Falle des Leapmotor B10 macht sich dies an einigen Stellen bemerkbar, beispielsweise fallen die Bremsen ein Stück griffiger aus als die üblicherweise eher lasch abgestimmten Bremssysteme anderer chinesischer Marken. One-Pedal-Driving ist bislang noch nicht verfügbar, soll aber im Rahmen eines Over-the-air-Updates voraussichtlich Anfang 2026 nachgeliefert werden. Bereits zuvor will Leapmotor die Integration von Apple Carplay und Android Auto ebenfalls per Update ermöglichen.
Das Fahrwerk schluckt größere Wellen im Boden gut weg, Schlaglöcher wiederum machen sich recht deutlich bemerkbar. Auf den kurvigen Bergstraßen um Antibes hätten wir uns außerdem eine direktere Lenkabstimmung gewünscht. Diese lässt sich zwar ebenfalls dreistufig regulieren (Comfort, Standard, Sport), aber ein wirklich direktes Lenkerlebnis gibt es auch in der „sportlichen“ Abstimmung nicht. Viel Spaß bereitete uns wiederum der Heckantrieb, hier ist der B10 den frontgetriebenen Stellantis-Adoptivgeschwistern ganz offensichtlich überlegen.
Fazit zum Leapmotor B10: Ein Chinese für alle?
Leapmotor zielt mit dem B10 klar auf Familien, junge Berufstätige und urbane Bewohner ab, die auf Design, Technik und Nachhaltigkeit achten, ohne dafür tief in die Tasche greifen zu wollen. Das neue Modell könnte eine große Rolle spielen, Leapmotor als ernstzunehmenden Player im europäischen Volumenmarkt zu etablieren. Noch ist die Markenbekanntheit in Deutschland eher gering, verzichtet Leapmotor doch bislang auf teure Marketingmaßnahmen.
So haben viele potenzielle Kunden womöglich noch gar nicht mitbekommen, dass das 2015 gegründete Start-Up mittels Joint Venture das Händler- und Servicenetzwerk des Mulitmarkenkonzerns Stellantis nutzt und mittlerweile 121 Standorte in Deutschland betreibt – ein enormer Vorteil gegenüber vielen anderen chinesischen Playern, die sich zumeist mit Mühe und Not über viele Jahre hinweg ein eigenes Vertriebsnetz aufbauen müssen.
Dank des starken Partners im Rücken und gepaart mit attraktiven Garantiebedingungen zählt der Leapmotor B10 rein vom Preis-Leistungs-Verhältnis zu den empfehlenswertesten Modellen im Segment der vollelektrischen Kompakt-SUV. Der Wagen kann bereits seit einiger Zeit bei den deutschen Leapmotor-Händlern begutachtet und probegefahren werden, erste Auslieferungen an Kunden erfolgen in den kommenden Wochen.