Daimler Truck: Rådström setzt auf Kundenorientierung

Cover Image for Daimler Truck: Rådström setzt auf Kundenorientierung
Copyright ©

Daimler Truck

Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 4 min

Daimler Truck, einer der weltweit führenden Lkw-Hersteller, erlebt eine historische Neuausrichtung an seiner Spitze. Seit Kurzem führen Karin Rådström und Eva Scherer den Konzern. Rådström, bisher Chefin der Lkw-Marke Mercedes-Benz Trucks, tritt die Nachfolge von Martin Daum an. Dieser leitete den Konzern sieben Jahre lang und machte Daimler Truck erfolgreich unabhängig von der Daimler AG. Mit Rådström als CEO und Scherer als Finanzvorständin steht zum ersten Mal eine weibliche Doppelspitze an der Spitze eines DAX-Unternehmens.

Die Übergabe erfolgte offiziell am 5. September nach einer einstimmigen Entscheidung des Aufsichtsrats. Die Berufung Rådströms markiert einen Wendepunkt, nicht nur aufgrund ihrer Führungsposition, sondern auch wegen der unternehmerischen Herausforderungen, die sie übernommen hat. Daimler Truck kämpft mit einer schwachen Marge, die derzeit hinter der Konkurrenz zurückbleibt. Aufsichtsratschef Joe Kaeser fordert Renditen von bis zu 15 Prozent, eine Größenordnung, die Wettbewerber wie Volvo und Scania bereits erreichen. Für Rådström und Scherer bedeutet das: Kurswechsel, Effizienzsteigerungen und womöglich harte Entscheidungen, um Daimler Truck konkurrenzfähiger zu machen.

Scherer bringt ihre Erfahrungen von Siemens ein, wo sie als Trainee begann und sich in wichtigen Finanzpositionen etablierte. Seit ihrem Start bei Daimler Truck bereist sie Standorte weltweit und verinnerlicht die Produktionsprozesse. Mit Engagement, hoher Detailorientierung und technischer Neugier meistert sie die Anforderungen, heißt es. Ihre nächsten Schritte sind klar: Prozesse verschlanken und Investitionen genau prüfen. So hinterfragte sie bereits die Rentabilität bestimmter Fahrzeugkategorien und Antriebstechnologien – eine strategische Frage, die sie zusammen mit Rådström und Chefentwickler Andreas Gorbach beantwortet.

Karin Rådström, ehemalige Scania-Managerin und erfahrene Lkw-Expertin, brachte schon bei ihrer vorherigen Positionen tiefgehendes technisches Know-how in ihre strategischen Entscheidungen ein. Im Konzern setzte sie sich für Innovationen und eine starke Kundenorientierung ein. Eine deutliche Handschrift hinterließ sie beispielsweise in der strategischen Neuausrichtung des Kundendienstes: Neue Servicezentren sind entstanden, um Wartungs- und Ersatzteildienstleistungen direkt anzubieten und damit zusätzliche Einnahmequellen zu schaffen.

Technologischer Wandel und Kundennähe

Für Daimler Truck stehen tiefgreifende Transformationen bevor, nicht zuletzt im technologischen Bereich. Ob Dieselmotoren, Elektroantriebe oder die Brennstoffzellentechnologie – Rådström und ihr Team müssen eine genaue Balance finden zwischen bestehenden und zukunftsorientierten Antriebsarten. Die Entscheidung, in Kooperation mit Volvo in die Entwicklung von Brennstoffzellen zu investieren, zeigt die strategische Ausrichtung auf Langstreckenlösungen. Diese Alternativen zu klassischen Dieselaggregaten sind für einige Märkte zwar noch fern, doch im Hintergrund laufen die Vorbereitungen bereits.

Der US-amerikanische Truckhersteller Paccar ist ein Beispiel für das Ziel, das Daimler Truck erreichen möchte: hohe Marktwertsteigerungen und operative Exzellenz. Diese Vorbilder und Marktvergleiche wirken in gewisser Weise wie ein Katalysator für Daimler Truck. Die angestrebte Marge von 15 Prozent ist jedoch kein Selbstläufer, wie Michael Brecht betont, Vorsitzender des Betriebsrats. Gerade in Europa zeigt sich eine Herausforderung: Im ersten Halbjahr 2024 fiel die Gewinnmarge der Mercedes-Lkw auf 5,4 Prozent – eine ernüchternde Bilanz. Mit Maßnahmen wie der Umstrukturierung in Brasilien und dem gezielten Aufbau von Logistikzentren sowie Kundenservices will Rådström gegensteuern.

Globale Strategie: Fokus auf Asien und Zukunftsmärkte

Im globalen Kontext führt auch das China-Geschäft zu Diskussionen. Daimler Truck produziert seit 2022 in einem Werk in Huairou zusammen mit Foton angepasste Actros-Modelle. Doch die Rahmenbedingungen ändern sich. Vor allem seit dem Ukraine-Krieg boomt der Gasmarkt in China, während Diesel-Lkw weniger gefragt sind. Dennoch hält Rådström an ihrer Strategie fest: Sie sieht Potenzial, Daimler Trucks Präsenz in China zu stärken und möglicherweise als Exportstandort für weitere asiatische Märkte zu nutzen.

In anderen asiatischen Regionen geht Daimler Truck indes restriktiver vor. Eine geplante Fusion der Daimler-Tochter Fuso mit Toyotas Nutzfahrzeugsparte Hino soll die Rendite steigern und gleichzeitig die Kostenstruktur optimieren. Ein potenzieller Konfliktpunkt ist hier jedoch die Integrität von Hino: Manipulationen bei der Zertifizierung von Abgaswerten führten kürzlich zu einem Reputationsschaden und drohenden Strafzahlungen in den USA. Der Plan zur Fusion wird dennoch weiterverfolgt und soll bis Ende des Jahres klare Ergebnisse liefern.

Am Ende stehen Rådström und Scherer jedoch für weit mehr als reine Gewinnzahlen und Effizienzkennziffern. Für viele Mitarbeitende und auch Beobachter der Branche symbolisiert die weibliche Doppelspitze einen Meilenstein. Als eine der wenigen Frauen in der DAX-Führungsetage öffnet Rådström vielleicht Türen für weitere Managerinnen bei Daimler Truck.

Quelle: Manager-Magazin – Die Kraft-Fahrerin und ihr 50-Milliarden-Euro-Plan mit Daimler Truck

worthy pixel img
Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.
Sidebar ads

Artikel teilen:

Schreib einen Kommentar und misch dich ein! 🚗⚡👇


Charly:

Vielleicht mal darüber nachdenken H2 durch Ammoniak zu ersetzen und Brennstoffzelle beibehalten.
Wäre viel einfacher, Infrastruktur vorhanden, nicht so gefährlich und Langstrecken LKWs genauso wie mit H2 möglich.

S. Eckardt:

Ich lese „Kundenorientierung“ und denke, ich träume.
Dieses Wort habe ich ewig nicht mehr von Automobil-Managern vernommen.

5,4 % Gewinnmarge finde ich nicht so schlecht – andere träumen davon. 100 % wären natürlich besser …

Daniel W.:

Daimler Truck sollte die Lkw-Wasserstoffpläne streichen und das Geld in E-Lkws stecken, denn Quantron und seinen Wasserstoff-Trucks geht das Geld aus.

Ausserdem ist Wasserstoff nur selten grün und günstig, sondern grau und teuer, dazu auch noch eine gefährliche Sache wie in Leuna zu sehen war.

– – – – – Info Nr. 1 – – – – –

Klaffende Finanzlücke: Quantron ringt um frisches Geld

Ein Ökosystem für Nutzfahrzeuge mit alternativen Antrieben war die große Vision von Quantron. Doch die droht zu scheitern, da dem Spezialisten aus Gersthofen langsam das Geld ausgeht. Frische Mittel der Bestandsinvestoren sollen nun die Rettung bringen. Das Geschäft mit Wasserstoff-Trucks ist allerdings auch dann kein Selbstläufer. Und der CEO ist außer Gefecht gesetzt.

>> electrive.net/2024/10/25/klaffende-finanzluecke-quantron-ringt-um-frisches-geld/ (25.10.2024)

– – – – – Info Nr. 2 – – – – –

H2 Mobility stellt auf neues Preismodell um

Neben den ersten Stationen rechnet das Unternehmen für 2024 an weiteren Stationen mit der Versorgung durch regenerativen Wasserstoff. Das heißt aber derzeit: Da grüner Wasserstoff noch selten ist, wird es an den meisten Tankstellen vorerst teurer.

>> h2.live/news/3139/ (04.10.2023)

– – – – – Info Nr. 3 – – – – –

Ende nicht absehbar
Wasserstoff-Tankstellen leiden seit Wochen unter Lieferproblemen

Seit einem Zwischenfall in Leuna Ende August kann von dort kein Wasserstoff geliefert werden. Pkw-Zapfsäulen in Berlin und Brandenburg werden notversorgt, manche sind dauerhaft leer. Wann das Problem gelöst sein wird, ist offen.

Ursache für den Engpass ist eine Verpuffung an einem Lkw-Anhänger am 26. August. Offenbar gab es eine undichte Stelle an einem Tankwagen, der auf dem Gelände des Gasherstellers Linde geparkt war.

Linde hatte nach dem Vorfall alle baugleichen Anhänger vorübergehend stillgelegt. Das Unternehmen könnte offenbar weiterhin Wasserstoff in Leuna produzieren, hat aber momentan anscheinend keine Möglichkeit auszuliefern. Betroffen sind auch andere Wasserstoffproduzenten, wenn sie Anhänger des selben Typs nutzen.

>> rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2024/10/wasserstoff-tankstellen-lieferprobleme-verpuffung-leuna.html (18.10.2024)

Ähnliche Artikel

Cover Image for Wie BMW die Serienfertigung seiner neuen E-Auto-Batterien vorbereitet

Wie BMW die Serienfertigung seiner neuen E-Auto-Batterien vorbereitet

Michael Neißendorfer  —  

Mit der Neuen Klasse startet BMW ab Ende 2025 in eine neue Ära des rein elektrischen Fahrens. Eine entscheidende Komponente: die Batterien.

Cover Image for Zum Driften geboren: Hyundai zeigt Ioniq 6 N

Zum Driften geboren: Hyundai zeigt Ioniq 6 N

Michael Neißendorfer  —  

Der Ioniq 6 N soll den Erfolg des Ioniq 5 N fortsetzen und integriert Technologien aus dem Motorsport in ein alltagstaugliches E-Auto.

Cover Image for BMW: Wachstum bei E-Autos und Plug-in-Hybriden rettet die Halbjahresbilanz

BMW: Wachstum bei E-Autos und Plug-in-Hybriden rettet die Halbjahresbilanz

Michael Neißendorfer  —  

Ohne das starke Absatzplus der elektrifizierten Fahrzeuge wäre das Minus bei BMW deutlich schmerzhafter ausgefallen.

Cover Image for Deutschland fällt bei E-Mobilität zurück, China baut Vorsprung weiter aus

Deutschland fällt bei E-Mobilität zurück, China baut Vorsprung weiter aus

Michael Neißendorfer  —  

Weltweit steigt der Anteil von E-Autos an Neuwagenverkäufen von 20 auf 25 Prozent, trotz Wachstumsschwäche in wichtigen Märkten.

Cover Image for Kia EV5: Alle Daten und Fakten zum neuen Elektro-SUV

Kia EV5: Alle Daten und Fakten zum neuen Elektro-SUV

Michael Neißendorfer  —  

Mit dem EV5 bringt Kia ein weiteres E-Auto in das beliebte Kompakt-SUV-Segment, die größte und am schnellsten wachsende Fahrzeugklasse in Europa.

Cover Image for Mazda6e: Groß, elektrisch – und kein SUV

Mazda6e: Groß, elektrisch – und kein SUV

Wolfgang Plank  —  

Erfreulich gegen den Trend ist der Mazda 6e in Sachen Karosserie unterwegs. Leider muss man sagen aber auch bei der Ladeleistung.