China erwägt Beschleunigungslimit für Elektroautos

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Tobias Stahl
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Hersteller von Premium-Elektroautos und elektrischen Sportwagen versuchen schon seit längerer Zeit, sich mit Blick auf die Beschleunigungswerte ihrer Stromer gegenseitig zu unterbieten. Zeiten von 3 Sekunden und weniger für den Sprint von 0 auf 100 km/h sind heute zwar nicht alltäglich – diese Werte sind aber auch nicht mehr nur Käufern von Hypercars vorbehalten: So fährt etwa der Hyundai Ioniq 5 N in 3 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h, der Audi e-tron GT RS Performance braucht dafür sogar nur 2,5 Sekunden. Teslas Model S Plaid schaffte den Sprint schon 2021 in nur 2,1 Sekunden.

Solche Beschleungigungswerte mögen zwar spaßig sein, allerdings fördern sie nicht gerade die Verkehrssicherheit. Nun hat das chinesische Ministerium für öffentliche Sicherheit nach einigen verheerenden Unfällen neue nationale Sicherheitsstandards für Kraftfahrzeuge vorgeschlagen, die eine Einschränkung der maximalen Beschleunigungsleistung vorsehen.

Entwurf sieht Beschleunigungszeiten von mindestens 5 Sekunden vor

Laut einem Bericht von CarNewsChina sieht der Verordnungsentwurf mit dem Titel „Technische Bedingungen für die Betriebssicherheit von Kraftfahrzeugen” sieht vor, dass Pkw künftig standardmäßig so eingestellt sein müssen, dass die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h mindestens 5 Sekunden dauert. Die Maßnahme ziele darauf ab, Sicherheitsrisiken im Zusammenhang mit übermäßiger Beschleunigungsleistung zu verringern, heißt es in dem Bericht.

Für Elektro- und Plug-in-Hybridfahrzeuge enthält der Entwurf darüber hinaus weitere Sicherheitsmaßnahmen: Die Fahrzeuge sollen mit einer Technologie ausgestattet werden, die Fehlbedienungen des Gaspedals verhindern und die Leistungsabgabe von Elektrofahrzeugen erkennen und einschränken können soll, wenn das Fahrzeug gerade steht oder langsam fährt. Außerdem sollen Fahrzeuge ihren Fahrern klare akustische und visuelle Warnsignale geben, um unbeabsichtigtes Beschleunigen zu verhindern.

Der Entwurf sieht außerdem vor, dass reine Elektroautos sowie Plug-in-Hybride in bestimmten Situationen automatisch ihre Stromkreise unterbrechen können müssen. Gemeint sind etwa Situationen, in denen sich die Fahrzeuggeschwindigkeit innerhalb von 150 Millisekunden um 25 km/h oder mehr in Längs- oder Querrichtung ändert oder wenn irreversible Rückhaltevorrichtungen, also etwa Airbags, ausgelöst werden.

Auch die Sicherheitsmerkmale der Antriebsbatterien werden in dem Entwurf besonders hervorgehoben: Elektrofahrzeuge sollen ihren Batteriestatus permanent überwachen und eine automatische Erkennung, Aufzeichnung und Frühwarnung bei abnormalen Zuständen in den Batteriezellen bieten. Die Batterien sollen außerdem mit Vorrichtungen ausgestattet werden, die einen möglicherweise entstehenden Druck aus einer defekten Batterie so ableiten können, dass die Fahrzeuginsassen nicht gefährdet werden.

Bei reinen Elektrobussen sowie Bussen mit Plug-in-Hybridantrieb und einer Mindestlänge von 6 Metern sieht der Entwurf außerdem vor, dass die Batterie mindestens fünf Minuten lang nicht in Brand geraten oder explodieren darf, nachdem sie einen Alarm ausgegeben hat. Das soll Fahrgästen ausreichend Zeit zur Evakuierung geben.

Biometrie oder Nutzerkonten: Fahrzeuge sollen die Eignung ihrer Fahrer überprüfen

Der Entwurf zielt auch auf die Gestaltung von Fahrerassistenzsystemen und sieht vor, dass Fahrzeuge mit entsprechenden Funktionen durch eine biometrische Erkennung oder eine Kontoanmeldung überprüfen, ob der jeweilige Fahrzeugführer entsprechend geschult wurde, bevor er oder sie mit dem Fahrzeug fahren darf. Bei fortschrittlichen Fahrerassistenzsystemen soll das Fahrzeug bei Geschwindigkeiten von mehr als 10 km/h außerdem die Aufmerksamkeit des Fahrers kontinuierlich über mindestens zwei Methoden überwachen: Eine Hands-off-Erkennung und eine Blicküberwachung. Um Ablenkungen zu vermeiden, soll außerdem die Wiedergabe von Videos und die Nutzung von Spielen auf Infotainment-Displays deaktiviert werden, wenn das Fahrzeug schneller als 10 km/h fährt.

Der Entwurf durchläuft derzeit einen nationalen Normungsprozess und befindet sich in der öffentlichen Konsultationsphase. CarNewsChina verweist zudem darauf, dass die Vorschrift nicht dazu dienen soll, Beschleunigungsleistungen von weniger als 5 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 km/h komplett zu verbieten. Vielmehr sieht der Entwurf vor, dass die Standardbeschleunigungszeit beim Starten des Fahrzeugs die 5 Sekunden nicht unterschreiten darf.

Die Fahrzeugführer wären also prinzipiell weiterhin in der Lage, etwa durch das Tätigen von Einstellungen im Fahrzeug Beschleunigungszeiten von unter 5 Sekunden zu erreichen – analog etwa zum Spurhalteassistenten in modernen Fahrzeugen, der in der EU bei jedem Fahrzeugstart aktiv sein muss, aber sich auch abschalten lässt. Sollte die neue Regelung tatsächlich umgesetzt werden, können Autohersteller die Beschleunigungswerte ihrer Fahrzeuge aber nicht mehr als Marketing-Gag nutzen, heißt es in dem Bericht.

Quelle: CarNewsChina – China proposes 5-second 0-100 km/h acceleration limit on vehicles to enhance road safety

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Tobias Stahl

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Tobias Stahl kann sich für alle Formen der Fortbewegung begeistern, aber nachhaltige Mobilität begeistert ihn besonders. Da ist es kein Wunder, dass er schon seit 2019 über E-Autos, erneuerbare Energien und die Verkehrswende berichtet.

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