Oliver Blume, VW: „Die Zeit der wenigen Krisen ist vorbei“

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Porsche

Sebastian Henßler
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  —  Lesedauer 4 min

Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender von Volkswagen und Porsche, hat sich im Rahmen des YouTube-Festivals in Berlin mit Philipp Westermeyer, OMR über die Lage der deutschen Autoindustrie, den Wettbewerb mit China, die Bedeutung von Marken und die Folgen geopolitischer Spannungen ausgetauscht. Inmitten von Messeatmosphäre zeichnete Blume ein Bild einer Branche im Umbruch – und eines Konzerns, der trotz Druck auf Kurs bleiben will.

Gleich zu Beginn machte Blume die Dimension deutlich: „Volkswagen ist das größte Unternehmen Europas, 670.000 Mitarbeitende weltweit.“ Volkswagen beeinflusst nicht nur die Zahl der Arbeitsplätze, sondern auch die Entwicklung ganzer Regionen. Zugleich befinde sich die Industrie in einer Phase fundamentaler Veränderungen. Neue Wettbewerber aus Asien, ein schrumpfender europäischer Markt und geopolitische Konflikte setzten den Konzern unter Druck. Blume formulierte das als Herausforderung mit sportlichem Charakter: „Starker Wettbewerb ist wie im Sport – er zwingt uns, besser zu werden.“

Blume sieht VW bei E-Mobilität gut positioniert

Ein Schwerpunkt des Gesprächs war die Elektromobilität. Hier sieht Blume Volkswagen gut positioniert. „In Europa ist der Volkswagen-Konzern mit 28 Prozent Marktanteil Marktführer bei elektrischen Autos.“ Entscheidend sei jedoch nicht allein der Antrieb, sondern die Software. Das Auto werde zum „Software-defined Vehicle“, Updates kämen künftig über Funk.

Besonders detailliert sprach Blume über China, wo Volkswagen lange Zeit Schwierigkeiten hatte, im wachsenden Elektroauto-Segment mitzuhalten. „Vor einigen Jahren waren wir dort nicht konkurrenzfähig. Heute arbeiten über 3000 Menschen in unseren Entwicklungszentren. Wir bringen eine eigene chinesische Plattform, bauen Software lokal auf und kooperieren mit Partnern wie XPeng und Horizon Robotics.“ Schon ab 2025 sollen Modelle auf den Markt kommen, die preislich und technologisch mit lokalen Herstellern mithalten. Die Stärke VWs liege dabei nicht nur in den Produkten: „Über 50 Millionen Kund:innen sind in China schon Volkswagen gefahren. Unser Servicenetz ist ein Vorteil, den neue Anbieter nicht haben.“

Die aggressive Preispolitik in China, bei der Hersteller Marktanteile auf Kosten der Marge einkaufen, spürt auch Volkswagen. Blume verweist auf Sparmaßnahmen: „Wir haben Entwicklungskosten um 40 Prozent gesenkt und Materialkosten reduziert. Damit können wir auf der Preisseite mithalten und gleichzeitig unsere Stärken bei Design und Qualität ausspielen.“

Zwei Ansätze könnten zur Lösung der US-Zölle beitragen

Auch Zölle und Handelskonflikte belasten. Porsche etwa sei durch die US-Zollpolitik und den Einbruch des China-Geschäfts gleich doppelt getroffen. „In China ist der relevante Porsche-Markt um über 20 Prozent des Gesamtvolumens gefallen; in den USA treffen uns Zölle von teils über 25 Prozent.“ Blume sieht zwei Hebel: Verhandlungen über die EU und direkte Gespräche mit Washington. Investitionen in den USA sollen helfen, Zugang zum Markt zu sichern. „Arbeitsplätze und Lieferantennetze in den USA sind ein besserer Multiplikator als einmalige Zolleffekte.“

Während der Gegenwart viel von Kostendruck geprägt ist, sprach Blume über Zukunftsthemen mit spürbarem Optimismus. Beim autonomen Fahren sieht er Volkswagen in einer Führungsrolle: „Wir sind die einzigen in Europa, die in Kürze fahrerloses Fahren auf Level 4 anbieten können – mit dem ID. Buzz in Hamburg.“ In zwei Jahren will VW die Sicherheit eines menschlichen Fahrers übertreffen, ab 2027 rechnet Blume mit ersten genehmigten Angeboten in europäischen Städten. Besonders attraktiv seien hier nicht die Fahrzeuge selbst, sondern Plattform und Ökosystem. „Die hohen Margen liegen in der Software, nicht in der Hardware.“

Auch beim Thema Batterien verfolgt Volkswagen den Anspruch, unabhängiger zu werden. „Wir haben eigene Zellentwicklung und fertigen künftig selbst.“ Noch in diesem Jahr starte die erste großindustrielle Zellfabrik eines europäischen Herstellers. Weitere Werke entstehen in Spanien und Kanada. Parallel werde an Alternativen wie Natrium-Ionen und Feststoffzellen geforscht. „Die Batteriezelle definiert das Elektroauto wesentlich.“

Im Verlauf des Gesprächs wurde deutlich, wie Blume die Transformation versteht: nicht als singuläre Krise, sondern als neuen Normalzustand. „Die Zeit der wenigen Krisen ist vorbei. Es geht darum, mit Krisen umzugehen und gleichzeitig zu liefern.“ Der Konzern setzt dafür auf lokale Entwicklung in China, eine eigenständige Batteriefertigung, starke Partnerschaften in allen Weltregionen und eine Markenstrategie, die Tradition mit Technologie verbindet. „Investoren sagen: ‘Show me.’ Genau daran arbeiten wir.“

Quelle: OMR – Wann fahren Porsche und VW in Deutschland autonom, Oliver Blume?

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.

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