Analyse: Ein Drittel der Ladesäulen wird nicht genutzt

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Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 3 min

In Deutschland wächst die Zahl öffentlicher Lademöglichkeiten stetig. Mehr als 160.000 Ladepunkte wurden zuletzt gezählt – ein Anstieg um über 20 Prozent innerhalb eines Jahres, wie die Automobilwoche berichtet. Allerdings werde der Widerspruch zwischen Ausbau und tatsächlicher Nutzung immer deutlicher. Denn viele Schnellladesäulen stünden tagelang ungenutzt, was für Anbieter teuer und wirtschaftlich kaum tragbar sei.

Datenanalysen zeigen demnach, dass im zweiten Halbjahr 2024 mehr als 25 Prozent der HPC-Schnelllader überhaupt nicht genutzt wurden. Bei einem weiteren Viertel habe die durchschnittliche Auslastung nur zwischen einem und fünf Prozent gelegen. Das betrifft nicht nur einzelne Anbieter oder Standorte.

Auch Normallader (AC) und gewöhnliche Schnellladesäulen (DC) zeigen ähnliche Muster. Über 20 Prozent dieser Ladepunkte seien in der betrachteten Zeitspanne gar nicht verwendet worden. Die Kosten für den Aufbau solcher Anlagen sind enorm. Schnellladesäulen können mehrere Hunderttausend Euro kosten. Die Einnahmen pro Ladevorgang sind dagegen überschaubar – meist liegen sie bei etwa 20 bis 25 Euro. Für Betreiber wird das zunehmend zum Problem. Viele Geschäftsmodelle geraten dadurch unter Druck. Es ist absehbar, dass sich der Markt verändern wird. Eine Konsolidierung mit weniger, aber stärkeren Anbietern erscheint wahrscheinlich.

Tatsächlich gibt es in Europa rund 1000 Betreiber für Ladeinfrastruktur. Doch bereits jetzt entfallen über die Hälfte aller Schnellladevorgänge in Deutschland auf drei große Anbieter: EnBW, Aral Pulse und Ionity. EnBW ist dabei klarer Spitzenreiter mit mehr als 30 Prozent Marktanteil. Einige Unternehmen, wie Ionity, schreiben inzwischen schwarze Zahlen und planen gezielt weiteres Wachstum – jedoch mit Bedacht. Während einige Anbieter expandieren, drosseln andere ihre Ausbaupläne. EnBW etwa will nur noch 20.000 Schnellladepunkte bis 2030 errichten, statt der ursprünglich geplanten 30.000. Auch Ionity verfolgt eine selektive Strategie und konzentriert sich auf Standorte mit hoher Nachfrage – zum Beispiel an Autobahnen oder in städtischen Knotenpunkten.

Ein Grund für die schwache Auslastung liegt im aktuellen Preismodell. Anders als bei klassischen Tankstellen gibt es bei den meisten Ladesäulen feste Preise, unabhängig von Standort oder Tageszeit. Das sorgt dafür, dass manche Säulen überlaufen sind, während andere kaum genutzt werden. Autofahrer haben oft keinen Grund, eine nur wenige Minuten weiter entfernte Station anzusteuern. Diese starre Preisstruktur verhindert eine bessere Verteilung der Ladevorgänge. Experten fordern daher dynamischere Tarife, die sich an der tatsächlichen Nachfrage orientieren. Damit könnte nicht nur die Auslastung optimiert werden, auch der Bedarf an neuen Ladesäulen ließe sich dadurch besser steuern.

Zudem spiegelt die aktuelle Entwicklung einen grundlegenden Wandel wider: Die Probleme liegen nicht mehr nur in einem Mangel an Ladepunkten. Vielmehr zeigen sich strukturelle Schwächen im System. Die Infrastruktur wurde vielerorts schneller aufgebaut, als sich der Markt für E-Autos entwickeln konnte. Ein weiterer Effekt betrifft die Erwartungen vieler Bürger:innen. In Befragungen nannten viele von ihnen die unzureichende Ladeinfrastruktur als zentrales Hindernis für den Kauf eines Elektroautos. Die Realität sieht jedoch inzwischen anders aus. Die Infrastruktur ist da – sie wird nur nicht ausreichend genutzt.

Was bleibt, ist ein Bild von Widersprüchen: Einerseits ein Überangebot an Lademöglichkeiten, andererseits ein nicht wie erwartet wachsender Absatz von Elektroautos. Das deutet darauf hin, dass der Wandel zur Elektromobilität nicht allein durch Technik und Infrastruktur gelingt – sondern vor allem durch kluge Planung, flexible Preisgestaltung und überzeugende Angebote für die Nutzer.

Quelle: Automobilwoche – EXKLUSIV: Zu viele Ladesäulen in Deutschland? Jede Vierte wird nicht genutzt

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.

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Rogg Reinhold:

… wie schon von den meisten E Fahrern erkannt …. 22 kw laden für 79 Cent… Wer macht so was… Macht man nur aus Not..
Oder wenn der Akku fast voll ist und man dann kostenlos mitten in der Stadt wo Parken die Stunde 2 bis 4 Euro kostet … nur dann macht es Sinn
Zum Verständnis 100 Kw Batterie an 22kw laden dauert 4 bis 5 Stunden …an Supercharger 1 Stunde

Matthias Geiger:

Das Thema kann man auf den Punkt bringen. Abomodelle, undurchsichtige Betreibermodelle, Tarife und Parkhäuser oder Tank @ Rast die mit verdienen wollen.
Ich wohne in Grenznähe und habe das Glück in NL für 24 cent/kWh voll zu laden oder zuhause für 12,31 cent/kWh anstatt einzuspeisen. Ansonsten fahre ich mit meinem Tesla an die eigenen Super Charger die immer gut ausgelastet sind, jedoch immer einer frei. Da bekomme ich vernünftige Preise im Schnitt 34 cent/kWh.

Ulli:

Genau das ist der Punkt. Jeder Anbieter mach sein eigenes Ding, eigene Zugangskarte usw.
Das macht alles nur schlechter, es muss eine einheitliche Bezahlmethode für alle Ladesäulen geben und eine Digitale Anzeige des aktuellen Ladepreises in den Apps und der Ladesäule. Letztendlich ist es egal wer der Anbieter ist, nur der Preis ist entscheidend!

Robert W:

Hohe und intransparente Preise und die Auslastung verringer sich ist doch klar.
Preise an einer Landeseule herauszufinden ist teilweise trotz fiele Apps nicht in angemessener Zeit möglich.
Die Lösung große Preistafel,einfach Ad-Hoc laden mit Debit oder Kreditkarte, angemessene Preise, angenehmes Umfeld und die Auslastung steigt.

timebird:

Na sowas ! Lasst euch nicht veräppeln.Alles Fake-news
Es steht doch ständig in der BILD-Zeitung, dass es zu wenig Ladepunkte gibt.
Aber im Ernst: Natürlich ist das genze ein statistisches und ein Preisproblem

Pedro G.:

Der Erfolg für E-Autos ist auch vom Ladenpreis abhängig!
▪︎ AC bis 30 kW um 20 Cent pro kWh
▪︎ DC bis 70 kW um 30 Cent pro kWh
▪︎ DC bis 130 kW um 40 Cent pro kWh
▪︎ DC bis 200 kW um 50 Cent pro kWh
▪︎ HPC ab 200 kW um 60 Cent pro kWh
Alls Ausgangs Preiß mit ± 3 Cent wäre Hilfreich

Peter:

So ein Blödsinn, das hat bestimmtein Statistiker geschrieben. Natürlich muß das Angebot größer sein als die Nachfrage. Das ist bei Tankstellen auch so. Wer ca. 30Min zum Laden braucht, will nicht vorher erstmal 30Min warten, bis eine Ladesäule frei wird. Und wer eine einzelne Ladesäule aufstellt, kann auch gleich 5 Ladesäulen nebeneinander aufstellen. Bei den teuren Ladepreisen sollte sich das auch rechnen. Oder reichen die Gewinne dafür nicht aus? Und wer ein EAuto fährt, will laden wenn das Auto leer ist, sonst verkürzt es die Reichweite ja noch einmal. Und dann ist man nun mal auf eine freie Ladesäule angewiesen. Auch dann, wenn es den Statistikern die Rechnung vermasselt.

Norbert Stankus:

Es erstaunt mich, dass dieser Artikel von der Automobilwoche einfach übernommen wird, denn mir fehlt vor allem eine Quellenangabe für die gemachten Analysen. Auf Basis welcher Daten und wurde diese Analyse erstellt und die Schlußfolgerungen gezogen und wer hat diese durchgeführt?

Ich schließe mich den anderen Beiträgen an, dass vor allem die richtige Standortwahl einen großen Einfluss auf die Auslastung hat.
Wurden die Ursachen für die mangelnde Auslastung geprüft, d.h. die guten mit den schlechten Standorten verglichen?

Und können die Betreiber von Ladesäulen die Preise nicht heute schon frei gestalten und flexibel festlegen?
Aus meiner Sicht ist die intransparente und teilweise überteuerte Preisgestaltung einer der Hauptgründe, warum E-Fahrer möglichst teure Schnell-Ladesäulen meiden und lieber an einer AC-Säule oder an der heimischen Wallbox laden, sofern es möglich ist.
Weiterhin wird in der Analyse nicht differenziert zwischen geförderten und nicht geförderten Ladesäulen., die man ggf. unterschiedlich bewerten sollte.

Norbert Graube:

„Gier frist Hirn“ wenn es um die Ladepreise geht.
Mit AC 25 und DC 35 ohne Grundgebühr würde die Auslastung bedeutet besser aussehen. Wer zu Haus, beim Arbeitgeber oder Aldi, Lidl laden kann ist da besser dran als das Geld denen in den Rach zu schmeißen….. Die Gier schadet der E Mobilität… VG von EX 30 Team

Dr. BERTRAM HOCK:

Ich bin mir nicht sicher, ob die Fokussierung auf HPC der richtige Weg ist. Wenn da ch unterwegs bin plane ich Ladestopps indem ich mit Mittagessen verbinde. Das dauert halt Mal 1h. Was nützt es mir wenn das Auto in 15min voll ist, ich dann auch noch Blockiergebühr bezahle und unnötig meinen Akku stresse.
50kw Lader außerhalb der Hotspots wären nicht nur wirtschaftlich sinnvoll.

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