Terry Gettys, Entwicklungschef Michelin über die Herausforderung bei der Entwicklung von Elektroauto-Reifen

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Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
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Terry Gettys, Executive Vice President of Research and Development bei Michelin, hat sich mit Fragen und Antworten zum Thema Elektroauto-Reifen und die Herausforderungen bei deren Entwicklung beschäftigt. Aus diesem Q&A-Papier von Michelin, welches der Redaktion vorliegt, kommen die Bedürfnisse und Herausforderungen bei der Entwicklung von Reifen für E-Fahrzeuge recht präsent heraus.

Einen ersten Einblick hinter die Kulissen bei Michelin erfolgte im Rahmen des Formel E Rennens in Berlin, ein weiterer nachfolgend.

E-Fahrzeuge und die besonderen Herausforderungen an die Reifen

Getrieben durch das eigene Produkt-Portfolio hat man sich unter anderem Gedanken über zukünftigen Trends für E-Fahrzeuge in Bezug auf Reifengröße, Format und Profil gemacht. Sprich, welche Größe werden für Elektroautos relevant sein. Gettys gibt hierbei zu verstehen, dass sich seine Aussagen lediglich auf reine E-Autos beziehen, für Hybride gelten andere Annahmen.

Bei rein elektrischen Fahrzeugen profitiert Michelin von der Tatsache, dass diese in der Regel auf eigenständigen Plattformen aufbauen. Diese bieten dem Automobilhersteller „mehr Flexibilität beim Einsatz des elektrischen Antriebsstrangs und mehr Freiheit beim Fahrzeugdesign, was die Positionierung und Anzahl der Motoren betrifft.“ Für Michelin ist dies damit gleichzusetzen, dass „letztlich mehr Freiraum beim Design neuer Reifengrößen“ vorhanden ist.

Getrieben durch die Reichweitenangst der E-Auto-Fahrer offenbart sich mit den sogenannte „Tall and narrow“-Reifen (hoch und schmal) „eine gute Lösung, um sowohl den aerodynamischen Luftwiderstand durch geringere Breite zu reduzieren als auch durch eine größere Dimension den Rollwiderstand zu optimieren.“

„Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen dem Rollwiderstand des Reifens und der Reichweite von Elektrofahrzeugen. Bereits 1992 hat Michelin den Zusammenhang von Fahrzeugeffizienz und Rollwiderstand erkannt. Wir haben in dieses Thema viel investiert, um den Rollwiderstand unserer Reifen zu verbessern. Vor allem die Energy-Reifenmodelle bieten herausragend niedrigen Rollwiderstand.“ – Terry Gettys, Executive Vice President of Research and Development bei Michelin

Derzeit bietet man vonseiten Michelin die speziell entwickelte Reifenlinie Energy EV an, welche auf ultraniedrigen Rollwiderstand ausgelegt ist. Darüber hinaus entwickelt Michelin maßgeschneiderte Reifenmodelle, die den speziellen Anforderungen von Elektrofahrzeugen entsprechen, so wie der Michelin Pilot Sport für Tesla.

Aber auch das Mehrgewicht eines Fahrzeugs, maßgeblich bestimmt durch die Batteriegröße, muss durch die Reifen getragen werden. Daher müssen diese entsprechend für größeres Gewicht ausgelegt sein oder generell einfach größer sein. In diesem Zusammenhang spielt auch die Gewichtsverteilung des Fahrzeugs eine wichtige Rolle. „Elektromotoren erlauben mehr Freiheit bei der Gewichtsverteilung und mehr Last auf der Hinterachse, als es bei den meisten Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor heute der Fall ist.“ Dies eröffnet seinerseits völlig neue Möglichkeiten bei der Lastverteilung, welche ihrerseits Einfluss auf die Reifen hat.

Für Michelin und auch andere Reifenhersteller wird die Tatsache, dass viele Fahrzeughersteller neue E-Fahrzeuge in den unterschiedlichsten Fahrzeugklassen einführen zu einer echten Herausforderung. „Diese Vielfalt bringt natürlich unterschiedlichste Performanceanforderungen an die Reifen mit sich.“ Vonseiten Michelin will man diese Anforderungen mit unterschiedlichen Reifenlinien, bei denen man die neuesten und besten Innovationen zur Optimierung des Rollwiderstands einsetzt erfüllen, „ohne Kompromisse bei den anderen Leistungsmerkmalen einzugehen“.

Elektroauto-Reifen heben sich durch technische Unterschiede von „normalen“ Reifen ab

„Technisch gesehen, liegt die Herausforderung auch bei Reifen für Elektrofahrzeuge bei der Geräuschentwicklung, der Reichweite, dem Drehmoment und dem Gewicht des Fahrzeugs.“ Vonseiten des Reifenherstellers konzentriert man sich hauptsächlich auf das verwendete Material, welches für die Laufflächen verwendet wird, da dies den größten Einfluss auf den Rollwiderstand ausübt. Des Weiteren spiele die Profilgestaltung mit 3-D-Lamellen sowie die Karkasse eine wichtige Rolle, um den Luftwiderstand zu reduzieren. „Stichworte sind hier das Flanken-Design in Bezug auf den Luftwiderstand oder der Materialmix zur Optimierung des Rollwiderstands“, so Terry Gettys.

Bekanntermaßen sind Elektroautos nahezu lautlos im Alltag unterwegs. Was durch den wegfallenden Motorenlärm begründet wird. Allerdings fallen die Abrollgeräusche der Reifen nicht weg. Im Gegenteil, dass Reifengeräusch ist bei Elektroautos generell das lauteste Geräusch, das der Fahrer wahrnimmt. „In enger Zusammenarbeit mit den Fahrzeugherstellern entwickeln wir Technologien, um die Geräuschpegel zu reduzieren.“ Hierzu setzt man entweder auf die Michelin „Acoustic“-Technologie, um Geräusche zu reduzieren, oder es kommt ein spezielles Profildesign zum Einsatz.

Ebenfalls berücksichtigt man das hohe Drehmoment des elektrischen Motors, hierzu setzt man auf einen spezifischen Materialmix und das Profilmuster, das sich durch hohe Steifheit und Reibung an der Aufstandsfläche auszeichnet.

Besondere Herausforderungen in Bezug auf Winterreifen bei E-Autos

Der Winter an sich bringt zusätzliche Tücken in den Alltag mit einem Auto ein. Egal, ob Elektroauto oder herkömmlicher Verbrenner. Michelin unterscheidet hier jedoch nicht zwischen Sommer- und Winterreifen. Man ist sich bewusst, dass das Rollwiderstandsniveau von Winterreifen über dem von Sommerreifen liegt, was auf ihre speziellen Griffigkeitsanforderungen zurückgeht. Doch innerhalb der Winterreifen ist Michelin in der Lage, das beste Rollwiderstandsniveau zu bieten. So die Aussage des Unternehmens.

Umgang mit der zukünftigen Bandbreite an E-Fahrzeugen, vom Renault Zoe bis zum Tesla

Michelin geht davon aus, dass die Vielfalt an Elektrofahrzeugen weiter zunehmen wird, „bis zu einem Level, wo Auswahl und Reichweite dem nahe kommen, was jetzt bereits für herkömmliche Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor gilt.“ Daraus folgend wird es so viele Lösungen geben, wie es Spezifizierungen von Fahrzeugherstellern geben wird. Ganz egal, ob kleiner City-Car über Sportwagen bis hin zu SUV-Modellen.

Man ist sich aber auch im Klaren, dass die Zukunft vermutlich noch mehr Herausforderungen mit sich bringen wird. Beispielsweise, wenn es gilt, globale Lebenszyklusanalysen zu berücksichtigen oder nachwachsende und recycelte Materialien zu verwenden. Terry Gettys geht im Rahmen des Q&A-Papier von Michelin zudem darauf ein, was man künftig noch erwarten darf:

„Elektrofahrzeuge stehen an der Spitze des Fortschritts und der Technologie und werden wahrscheinlich neue und komfortablere User Experiences mit sich bringen, Stichwort Connected Car. Connected Tires beziehungsweise vernetzte Reifen werden die Wartung vereinfachen und schon in den kommenden Jahren Realität werden. Das integrierte RFID-System wird jeden Reifen identifizieren, dazu kommen das smarte Luftdruckmanagement („Smart Pressure Management“) oder die Verschleißwarnung („Wear Detection“).“ – Terry Gettys, Executive Vice President of Research and Development bei Michelin

Quelle: Michelin – Per Mail

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.
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