Strompreise fallen trotz Atomausstieg unter Vorkrisenniveau

Cover Image for Strompreise fallen trotz Atomausstieg unter Vorkrisenniveau
Copyright ©

Shutterstock / 530610787

Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 5 min

Elektroauto-Fahrer sowie produzierende Gewerbe und die Industrie haben eines gemeinsam: Mit zwei Worten – „günstiger Strom“ – kann man ihnen ein Leuchten in die Augen zaubern. Perspektivisch dürften sich beide Gruppen über billigeren Strom freuen können. Denn die Strompreise im deutschen Großhandel sind im Jahr 2024 auf durchschnittlich 7,95 Cent/kWh gefallen – ein Rückgang von 16,8 Prozent im Vergleich zu 2023, als es noch 9,55 Cent/kWh waren.

Dies stellt den zweiten Preisrückgang in Folge dar. Trotz des vollständigen Atomausstiegs Anfang 2023 liegt der Strompreis 2024 sogar unter dem Niveau von 2021 (9,66 Cent/kWh), als in Deutschland noch sechs Atomkraftwerke in Betrieb waren. Dies geht aus einer aktuellen Auswertung von Daten der EPEX Spot-Strombörse durch das Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR) hervor.

Der rasante Anstieg der Großhandels-Strompreise zwischen Mitte 2021 und Ende 2022 war demnach die Folge einer historischen Kombination von negativen Faktoren, und nicht auf ein Politikversagen seitens der Ampel zurückzuführen, wie oft behauptet wird: dem dramatischen Anstieg der Gaspreise infolge des russischen Einmarsches in die Ukraine und dem massiven Ausfall französischer Atomkraftwerke auf Grund von Wartungsverzögerungen im Zuge von Covid-19 sowie Ende 2021 entdeckter Spannungskorrosionen.

Ab Mitte 2021 kletterten die Strom-Großhandelspreise in Deutschland aufgrund der gestiegenen Gaspreise und niedriger Gasspeicher-Füllstände bereits fast auf das Dreifache, von 5,3 Cent/kWh (Mai 2021) auf 14,0 Cent/kWh im Oktober 2021. Die von Deutschland an Russland verkauften deutschen Gasspeicher wurden offenbar in Vorbereitung auf den russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 bereits ab Sommer 2021 von Russland nicht mehr im notwendigen Umfang aufgefüllt.

Die direkte Durchschlagskraft steigender Gaspreise auf die Großhandels-Strompreise hängt wiederum mit der Art der täglichen Preisbildung an den Strombörsen zusammen. Diese Preisbildung basiert auf einem Grenzkostenmodell, bei dem nur die teuerste Energiequelle den gesamten Strompreis für alle bestimmt, selbst wenn günstigere Quellen ebenfalls genutzt werden.

Hohe Gaspreise wegen leerer Gasspeicher und der Ausfall französischer Atomkraftwerke haben dazu geführt, dass die Strom-Großhandelspreise im Dezember 2021 mit 22,1 Cent/kWh trotz sechs laufender Atomkraftwerke in Deutschland mehr als doppelt so hoch lagen wie im Dezember 2024 mit 10,8 Cent/kWh, als schon keine deutschen Atomkraftwerke mehr in Betrieb waren“, erklärt IWR-Chef Dr. Norbert Allnoch.

Auch der dramatische Anstieg der Strom-Großhandelspreise im August 2022 auf ein Rekordniveau von 46,5 Cent/kWh war vor allem bedingt durch die Explosion der Gaspreise infolge der Abschaltung der Gaspipeline Nord Stream 1.

Strompreise-Deutschland
IWR

Die stark steigenden Strom- und Gaspreise nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine führten anschließend nicht nur in Deutschland zu einer energiepreisinduzierten Inflation, deren Folgeeffekte (Lohn-Preisspirale) bis heute spürbar sind, trotz des mittlerweile wieder kräftigen Rückgangs der Strompreise auf das Vorkrisenniveau.

Haushalte und Industrie profitieren gleichermaßen

Eine detaillierte Strompreisanalyse des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zeigt die aktuelle Entwicklung der Strompreise in Deutschland im Detail, denn darin wird die Preisentwicklung für Haushaltskunden sowie das Preisniveau für Industriekunden dargestellt und auch die enthaltenen Steuern, Abgaben und Umlagen werden detailliert beschrieben.

Die dargestellten Preise bilden den Durchschnitt der verfügbaren Tarife für Strom für den jeweiligen Zeitraum ab. Zudem liefert die Analyse (hier als ausführliches PDF zu finden) zahlreiche Zusatzinformationen zu aktuellen Marktentwicklungen.

Strompreis für Haushalte sinkt 2024 um 11 Prozent

Der durchschnittliche Strompreis für Haushalte ist im derzeitigen Mittel für 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 11 Prozent bzw. 4,81 ct/kWh gesunken und beträgt nun durchschnittlich 40,92 ct/kWh (Grundpreis anteilig für einen Verbrauch von 3500 kWh/a enthalten).

Die Kosten für Beschaffung und Vertrieb haben sich im Vergleich zum Durchschnitt des Vorjahres um 6,27 ct/kWh verringert und bilden mit 17,57 ct/kWh 43 Prozent des Gesamtpreises ab.

Steuern, Abgaben und Umlagen für Haushaltskunden betragen derzeit 11,82 ct/ kWh und sind damit um fünf Prozent geringer als im Vorjahr. Dies entspricht 29 Prozent des Gesamtpreises.

Strompreise-Deutschland-Haushalte
BDEW

Die Netzentgelte inklusive der Kosten für Messung und Messstellenbetrieb liegen derzeit für 2024 durchschnittlich bei 11,53 ct/kWh und damit 2,00 ct/kWh über dem Vorjahresdurchschnitt. Ihr Anteil am Gesamtpreis beträgt damit 29 Prozent.

Strompreis in der Industrie sinkt 2024 um 30 Prozent

Die Industrie-Strompreise in Deutschland sind im Vergleich zum Vorjahr 2023 kräftig eingebrochen und liegen jetzt wieder auf dem Niveau der Jahre 2016 und 2017, heißt es in der aktuellen Strompreisanalyse 2024 des BDEW weiter. Demnach lag der durchschnittliche Strompreis für kleine bis mittlere Industriebetriebe (inkl. Stromsteuer) 2024 bei 16,99 ct/kWh. Das entspricht einem Rückgang um 7,47 ct/kWh (30 Prozent) gegenüber dem Mittelwert des vorhergegangenen Jahres.

Strompreise-Deutschland-Industrie
BDEW

Die durchschnittlichen Strompreise für Neuabschlüsse in der Industrie bei einem Verbrauch von jährlich 160.000 bis 20 Millionen kWh erreichten danach im Krisenjahr 2022 den Rekordpreis von 43,20 ct/kWh. Vor dem Russlandkrieg im Jahr 2021 mussten Unternehmen im Durchschnitt 21,38 ct/kWh bezahlen. Die Daten zu den Industrie-Strompreisen basieren auf Angaben des Bundesverbandes der Energie-Abnehmer (VEA).

Quelle: IWR – Pressemitteilung vom 17.01.2025 / BDEW – Pressemitteilung vom 04.12.2024

worthy pixel img
Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
Sidebar ads

Artikel teilen:

Schreib einen Kommentar und misch dich ein! 🚗⚡👇


Burkhard Luger:

Ich weis js immer nicht wo diese 42 ct herkommen. Ich habe nich nie mehr als 32 ct bezahlt. Und als EON auf die 32 ct hochgegagen ist, habe ich gewechselt und bezahle jetzt 26 ct. Jetzt habe ich mir eine KW Solaranlage mit Speicher auf Dach gebaut und schon die letzten 2 Tage mehr Strom erzeugt als .

Tom:

Die Strompreise würden ganz schnell weiter drastisch sinken bei gleichzeitiger Ertüchtigung der energetischen Wehrfähigkeit (Angreifbarkeit der Energieversorgung), wenn

– Stromhandel zwischen Nachbarn endlich gesetzlich als zulässig erklärt werde würde
– Aufbau von Nachbarschaftsspeichern (elektrisch, chemisch und thermisch) gewollt, gefördert und als gesetzlich geschützt werden würde
– bisherige Inselanlagen (PV-BESS) endlich ohne Hindernisse der Energieversorger aus dem Netz nachladen dürften, z.B.. zu speziellen Zeiten, oder immer dann, wenn die Netzspannung über Normal steigt (und die Frequenz vermutlich auch). Das System könnte damit weitestgehned selbstregelnd werden.
– Die Einspeisung von el. Energie in das Gemeinschaftsnetz (bei Unterspannung, …) mindest mit 50% des Bezugspreises aus demselben vergütet werden würde.

Die Lösung liegt in der Kombination und Vergesellschaftung der Aufgaben, sowie der Erträge. Es ist nicht länger hinnehmbar, dass durch überkommenene gewachsene Unrechtsstrukturen die Gewinne nur wenigen zufließen, aber die Aufgaben und Kosten der Gesellschaft aufgebürdet werden.

Wenn Jede:r zu fairen Bedingungen mitwirken darf, werden das auch viel mehr tun. Die Zeit ist reif!

Yves Glaas:

Trotz sinker Stromeinkaufspreise sind die Ladepreise an öffentlichen Ladesäulen in 2024 stark gestiegen. Wer stoppt diese Abzockerei? Weitere Erhöhungen stehen schon vor der Tür, ab April 2025 habe ich schon eine nächste Erhöhung mitgeteilt bekommen.

Klaus:

Ich sehe aus den Daten, dass der Strompreis für Haushalte ordentlich zugelegt hat.
Bei mir von 24 c 2021 auf 37 c 2025. Das sind mehr als 50%.
Bei der Industrie sieht das anders aus. Daraus folgere ich, dass Privathaushalte indirekt zu Gunsten der Industrie „besteuert“ werden. Die Grünen waren schon immer gute Geldbeschaffer. Siehe Habecks KK Beiträge für angeblich Reiche.

Michael H.:

Dem schließe ich mich an, Peter. Die günstigere Großhandelssituation scheint bei den Industriestrompreisen durchzuschlagen und drückt die Preise unter das Vor-Corona-Niveau. Komischerweise sind die Preise für Privathaushalte aber noch weit von dem entfernt, was 2021 im Durchschnitt gezahlt werden musste. Und das, trotz dass die EEG weggefallen ist und die sonstigen Kostenanteile nicht signifikant gestiegen sind….
Irgendwie komisch…

Björn:

An den Ladesäulen merkt man davon nix. Im Gegenteil.

Alexander Hein:

Sinkende Steompreise?
Irgendwie merke ich als Kunde aber davon nichts.
Gerade neue Strom-Rechnung bekommen:
Von 35 Cent/kWh auf 41 Cent/kWh gestiegen.
Auch beim Laden des Autos merke ich keine Vorteile gegenüber dem Verbrenner. Um 60 Cent/kWh für den Stromer, Diesel liegt irgendwo bei16 Cent/kWh.

Charly:

Für den öffentlichen Dienst und Beamte mag das ja zutreffen. Die Verwaltungsbeamten sind auf der anderen Seite, diejenigen die für die schlimme Bürokratie verantwortlich sind und teilweise sogar für die hohen Kosten im Land. Dafür werden sie mit 3x höheren Pensionen belohnt als normale Rentner.

Charly:

Wie bitte? Das ist vielleicht im Sommer so. Im November, Dezember 2024 hatten wir sechs Wochen Dunkelflaute und der Preis stieg tw. auf über 1€/kWh.
Wenn es nach dem Artikel geht machen wir am besten Winterschlaf. Die grüne Transformation funktioniert im Sommer perfekt.

S. Eckardt:

… aber es handelt sich bei diesem Recht nicht um ein Naturgesetz, d.h. man (u.U. auch die EU) kann und sollte es ändern, wenn es zur Bremse wird und nicht mehr zeitgemäß ist.
„Haben wir schon immer so gemacht!“ ist für sich allein kein gutes Argument, wenn es keine weiteren gibt.

„Haben wir schon immer so gemacht!“ – hilft z.B. VW gerade gar nicht …

Ähnliche Artikel

Cover Image for Wie BMW die Serienfertigung seiner neuen E-Auto-Batterien vorbereitet

Wie BMW die Serienfertigung seiner neuen E-Auto-Batterien vorbereitet

Michael Neißendorfer  —  

Mit der Neuen Klasse startet BMW ab Ende 2025 in eine neue Ära des rein elektrischen Fahrens. Eine entscheidende Komponente: die Batterien.

Cover Image for Zum Driften geboren: Hyundai zeigt Ioniq 6 N

Zum Driften geboren: Hyundai zeigt Ioniq 6 N

Michael Neißendorfer  —  

Der Ioniq 6 N soll den Erfolg des Ioniq 5 N fortsetzen und integriert Technologien aus dem Motorsport in ein alltagstaugliches E-Auto.

Cover Image for BMW: Wachstum bei E-Autos und Plug-in-Hybriden rettet die Halbjahresbilanz

BMW: Wachstum bei E-Autos und Plug-in-Hybriden rettet die Halbjahresbilanz

Michael Neißendorfer  —  

Ohne das starke Absatzplus der elektrifizierten Fahrzeuge wäre das Minus bei BMW deutlich schmerzhafter ausgefallen.

Cover Image for Deutschland fällt bei E-Mobilität zurück, China baut Vorsprung weiter aus

Deutschland fällt bei E-Mobilität zurück, China baut Vorsprung weiter aus

Michael Neißendorfer  —  

Weltweit steigt der Anteil von E-Autos an Neuwagenverkäufen von 20 auf 25 Prozent, trotz Wachstumsschwäche in wichtigen Märkten.

Cover Image for Kia EV5: Alle Daten und Fakten zum neuen Elektro-SUV

Kia EV5: Alle Daten und Fakten zum neuen Elektro-SUV

Michael Neißendorfer  —  

Mit dem EV5 bringt Kia ein weiteres E-Auto in das beliebte Kompakt-SUV-Segment, die größte und am schnellsten wachsende Fahrzeugklasse in Europa.

Cover Image for Mazda6e: Groß, elektrisch – und kein SUV

Mazda6e: Groß, elektrisch – und kein SUV

Wolfgang Plank  —  

Erfreulich gegen den Trend ist der Mazda 6e in Sachen Karosserie unterwegs. Leider muss man sagen aber auch bei der Ladeleistung.