Lohscheller will Polestar umbauen und profitabel machen

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Polestar

Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 3 min

Michael Lohscheller steht seit August 2024 vor einer großen Aufgabe: Polestar neu auszurichten. Vertrieb, Technik und Produktion der Elektroautos sollen umstrukturiert werden. Er verfolgt ein ambitioniertes Ziel: In drei Jahren soll Polestar mehr als 100.000 Autos pro Jahr verkaufen. Im Interview mit Capital sprach Lohscheller über die aktuellen Herausforderungen. Der Markt stellt sich als Hürde dar.

Polestar wurde 2022 an die US-Börse Nasdaq gebracht und galt zunächst als Wachstumsstory. Doch 2024 wurden „nur“ 44.851 E-Autos verkauft, trotz zweier neuer Modelle. Gründe dafür sind eine zögerliche Nachfrage, Skepsis gegenüber Elektroautos und Handelsbarrieren, die Hersteller mit chinesischer Produktion besonders betreffen. Lohscheller lässt sich davon nicht beirren: „Der Markt wächst langsamer als gedacht, aber er wächst. Das sollten wir nicht vergessen.“ Optimistischer Glaube, trotz der Tatsache, dass der Absatz von 2023 auf 2024 um 15 Prozent zurückging. Ende des Jahres 2023 zählte man noch 52.800 verkaufte Einheiten.

Der Glaube lässt sich damit begründen, dass er Potenzial in enttäuschten Tesla-Kunden sieht, die sich wegen Elon Musks kontroverser Äußerungen von der Marke abwenden. „Viele sagen uns: Jetzt reicht es mit Elon Musk.“ Polestar könnte von dieser Entwicklung profitieren. Zwei Modelle des Unternehmens werden derzeit in China gefertigt, ein weiteres in den USA. Lohscheller deutet an, dass der Polestar 4 für den europäischen Markt in Südkorea gebaut werden könnte. Künftig sollen jedoch mehr Modelle in Europa entstehen, möglicherweise in Volvo-Werken. Der Manager plant, ab 2027 eine einheitliche technische Plattform für alle Modelle zu nutzen. Dies soll Kosten senken und die Entwicklung vereinfachen. „Komplexität treibt Kosten, und Unsicherheit ebenfalls. Deshalb brauchen wir eine klare Plattformstrategie.“

Neben Effizienzsteigerungen verfolgt Lohscheller eine strategische Positionierung von Polestar als skandinavische Marke. Das Unternehmen hat seinen Hauptsitz in Schweden und orientiert sich gestalterisch an skandinavischen Werten. Dennoch stammen viele Komponenten von Geely, dem Mutterkonzern in China. Diese Abhängigkeit sieht er nicht als Nachteil, sondern als branchenübliche Praxis. „Zeigen Sie mir ein Auto von Volkswagen, in dem keine Teile aus China verbaut sind. Da sind wir in guter Gesellschaft.“

In den USA steht Polestar vor besonderen Herausforderungen. Die Regierung plant, ab 2027 keine chinesischen Digitalsteuerungen mehr zuzulassen. Lohscheller betont, dass eine Lösung gefunden werde, um auf dem wichtigen Markt bestehen zu bleiben. Neben regulatorischen Hürden muss Polestar auch seinen Vertrieb umstellen. In der Vergangenheit wurden die Autos fast ausschließlich online verkauft. Diese Strategie funktionierte nicht wie erhofft. Zukünftig sollen Volvo-Händler eine größere Rolle spielen. Lohscheller erwartet durch diesen Schritt eine deutliche Absatzsteigerung. Der Fokus soll auf Privatkunden und gezielte Flottenanbieter gestärkt werden. Preissenkungen in großem Ausmaß sieht er nicht. „Wir müssen konkurrenzfähig bleiben, aber nicht um jeden Preis“, so der CEO der Marke.

Die Finanzlage von Polestar bleibt angespannt. Ab 2027 soll das Unternehmen ohne finanzielle Unterstützung aus China auskommen. Er glaubt, dass eine positive Geschäftsentwicklung auch das Vertrauen der Investoren zurückgewinnen kann. „Investoren wollen sehen, dass das Geschäftsmodell funktioniert. Wir müssen unsere Versprechen halten.“ Die Zeit wird zeigen, ob Lohscheller und Polestar dies schafft.

Quelle: Capital – Ein Polestar aus Europa – aber mit chinesischer Technik

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.

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adson:

Um die Fertigung kostengünstig zu organisieren, sollte man ggf. mal nach Tesla und Co schauen!
Und wenn eben die „perfekten“ Spaltmaße wichtiger sind (die aber auch an meinem eGolf nicht realisiert sind), dann muss man sich eben für diese Richtung entscheiden und hier auf entsprechende zahlungskräftige Käufer warten und nicht über mangelnden Absatz jammern.
Es ist zwar schön wenn der durchschnittliche Kaufpreis laut Statistik deutlich über 30k€ liegt, aber dort sind auch die vielen Dienstwagen mit gezählt (die ja nicht luxuriös genug sein können) und der große Rest, der ein kostengünstiges Auto braucht um von A nach B zu fahren, das sparsam im Verbrauch ist und in einem normalen Parkhaus mit einem Stellplatz auskommt, wird sich einen Neuwagen über 30k€ immer weniger leisten können bzw. wollen.

Dr. Kralle:

Ich habe bei Polestar immer so das Gefühl, dass man am Markt vorbei entwickelt. Die Fahrzeuge sind bestimmt nicht schlecht, sehen auch teilweise gar nicht so schlecht aus, aber in der Preisklasse sind einfach andere Anbieter begehrter und damit erfolgreicher. Irgendwie fehlt da etwas. Polestar wäre aktuell nicht meine erste Wahl, wenn überhaupt. Aber das ist meine subjektive Meinung.

Frank2:

„…..Polestar als skandinavische Marke…..“

Netter Versuch, aber die Wertschöpfung findet in China statt!

Ich denke viele Europäer schauen heute die Tagesschau und erleben in Real-Time, dass Globalisierung nur dann funktioniert wenn alle mitmachen.

Seit einiger Zeit ist es ja ein Verkaufsargument wenn Autos mit Recycling Material und veganem Leder ausgestattet sind.

Ich wage mal eine mutige Vorhersage:
In Zukunft werden lokale Produkte, von lokalen Arbeitern, in lokaler Infrastruktur und lokaler Wertschöpfung ein Verkaufsargument werden – ansonsten werden unsere Enkelkinder als Sklavenarbeiter für USA, China oder Russland tätig sein.

Steven B.:

naja, wer heute zu Volvo greift, der kauft in erster Linie ein auto, welches Chinesen gehört. langsam scheint sich das rumzusprechen und man erkennt, dass man den europäischen Markt stärker unterstützen muss. ich gehe davon aus, dass es weniger Polestar und auch in Zukunft weniger Volvo in Europa geben wird. sollten europäische Hersteller dies erkennen, dann können sie diesen beiden marken das leben zusätzlich erschweren. mein Optimus zu polestar hält sich also in grenzen.

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