GAC über Chancen und Hürden beim Europa-Start

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Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 6 min

Der chinesische Automobilkonzern Guangzhou Automobile (GAC) plant, mit seiner Marke Aion den europäischen Markt zu erobern. In einem Gespräch mit Fan Zhang, Vice President von GAC R&D und General Manager des Mailänder F&E-Zentrums, wurden die strategischen Ziele des Unternehmens ebenso wie die Herausforderungen deutlich, die auf dem Weg dorthin zu bewältigen sind. Im persönlichen Austausch mit Zhang im Vorfeld des Pariser Automobilsalons konnte sich Elektroauto-News (EAN) mit ihm darüber austauschen.

Zhang, der zuvor bis 2013 bei Mercedes-Benz in Sindelfingen tätig war, betonte die Bedeutung von Qualität und die Lehren, die GAC aus seinen Joint Ventures mit Honda, Toyota und Stellantis gezogen habe. „Wir haben viel von unseren Partnern gelernt. Qualität steht bei uns immer im Vordergrund“, so Zhang.

Design und internationale Expertise

Ein zentraler Pfeiler der Strategie ist demnach das Design, das von internationalen Fachkräften geprägt werde. GAC verfügt weltweit über vier Designzentren, darunter eines in Mailand, das eine besondere Rolle für den europäischen Markt spielt. „Unser Design ist eine unserer größten Stärken. Wir setzen auf internationale Experten, die ihre vielfältigen Einflüsse einbringen“, erklärte Zhang. Dieser globale Ansatz soll dem Unternehmen helfen, sich von anderen chinesischen Marken abzuheben und die europäischen Kunden zu überzeugen.

Zhang sieht den Wettbewerb im Heimatmarkt China als besonders hart, da viele Automarken ähnliche Strategien verfolgen. „Wir alle stellen uns den Herausforderungen der Elektrifizierung und des autonomen Fahrens“, sagte er und fügte hinzu, dass diese Entwicklungen ursprünglich von der chinesischen Regierung angestoßen wurden. „Anfangs war es staatlich getrieben, aber mittlerweile hat der Markt das Konzept voll angenommen.“

Regulatorische Hürden in Europa

Trotz dieser Fortschritte bleibt der Markteintritt in Europa mit erheblichen Hürden verbunden, insbesondere was die regulatorischen Anforderungen angeht. „Der europäische Markt ist stark reguliert, und das ist gut so. Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Vorgaben hier andere sind als in China“, so Zhang. Besonders im Bereich des autonomen Fahrens (Anm. d. Red.: Blick in die ferne Zukunft) sieht er Schwierigkeiten: „In China sind wir schon weit fortgeschritten, aber in Europa ist es die Regulatorik, die uns ausbremst“, betonte er.

Ein zentraler Punkt, der Zhang Kopfzerbrechen bereitet, ist die Homologation. Diese bezieht sich auf die offizielle Zulassung von E-Autos durch die europäischen Behörden. Bevor ein neues Auto auf den Markt kommen kann, muss es eine Vielzahl von Prüfungen bestehen, um die Einhaltung der europäischen Sicherheits- und Umweltstandards zu gewährleisten.

Diese Tests sind aufwendig und können den Markteintritt erheblich verzögern. „Es ist nicht nur die Technologie, die angepasst werden muss, sondern auch die Sicherheitsstandards, die oft höher sind als in anderen Regionen“, erläutert Zhang. Zeigt aber gleichzeitig Verständnis hierfür und gibt zu verstehen, dass man diesen Anforderungen selbstverständlich nachkommen werde.

testing / Shutterstock.com | Blick auf den Aion V – erstes E-Auto für Europa

Chancen durch smarte Technologie

Eine der größten Chancen für GAC sieht Zhang in der eigenen Technologie, insbesondere im Bereich des Smart Driving. Das Unternehmen setzt auf den hauseigenen Software-Stack ADiGO. Dabei handelt es sich um ein Ökosystem für intelligentes Fahren, das von GAC geleitet und von mehreren strategischen Partnern wie Tencent und Huawei unterstützt wird. „Unsere Technologie bietet einen echten Vorteil gegenüber europäischen Marken. Wir haben viel in die Entwicklung smarter Fahrassistenzsysteme investiert“, erklärte Zhang. Er verwies darauf, dass GAC in China bereits auf einem hohen Level beim autonomen Fahren agiere. „In China kann ich schon 40 Minuten fahren, ohne das Lenkrad zu berühren“, so der Vice President von GAC R&D im Gespräch. Diese Technologien könnten GAC auch in Europa einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, wo smarte Technologien immer mehr an Bedeutung gewinnen.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für autonomes Fahren in Europa sind strenger und variieren stark von Land zu Land, was die Einführung solcher Technologien erschwert. Europäische Regulierungsbehörden verlangen eine umfangreiche Prüfung autonomer Systeme, bevor diese für den Einsatz auf öffentlichen Straßen freigegeben werden. Hierbei spielen sowohl die technischen Sicherheitsstandards als auch die Datenschutzbestimmungen eine Rolle, die besonders im Bereich der Fahrzeug-Software sehr streng sind. „Für Fortschritte im autonomen Fahren müssen die Staaten mehr Risiken eingehen, um Innovationen voranzutreiben. China geht hier mutig voran, aber in Europa fehlt es noch an klaren Richtlinien“, betont der Vice President von GAC.

Ein weiteres Innovationsfeld des chinesischen Konzerns sei die Batterie- und Ladetechnologie. GAC entwickelt derzeit Festkörperbatterien, die laut Zhang bis 2026 in Serie gehen könnten. „Wir sind hier auf einem guten Weg. Aber wir sind auch pragmatisch – wenn wir sehen, dass ein anderer Marktteilnehmer eine bessere Lösung anbietet, sind wir bereit, diese Technologie einzukaufen“, womit er Bezug auf die zuletzt geschlossene Partnerschaft mit Nio anspielt.

Man sei aber auch heute schon in der Lage, 800-Volt-Systeme in den eigenen Modellen unterzubringen. Allerdings betrachtet man zunächst, ob dies überhaupt Sinn ergibt. „Die 800-Volt-Technologie bietet viele Vorteile, insbesondere beim schnellen Laden. Sie ermöglicht kürzere Ladezeiten und eine effizientere Energienutzung“, erklärte er. Allerdings betonte er, dass diese Technologie stark von der Ladeinfrastruktur abhänge, die in Europa noch nicht weit genug ausgebaut sei, um das volle Potenzial auszuschöpfen. „Für unsere ersten Fahrzeuge in Europa setzen wir daher auf die bewährte 400-Volt-Strategie. Aber wir beobachten die Entwicklungen genau und sind bereit, auf 800 Volt umzustellen, sobald die Infrastruktur dies zulässt“, fügte er hinzu.

Zukünftige Modelle und Produktionsstandorte

In den kommenden Jahren plant GAC, zwei weitere Modelle marktreif zu entwickeln, die unterhalb des Aion V positioniert werden, und sie bis Ende 2025 auf die Straße zu bringen. Diese sollen sowohl in China als auch in Thailand produziert werden, wie schon andere Modelle des Herstellers. Angesprochen auf die aktuelle Strafzoll-Thematik und die Strategie dahinter, wo man E-Autos für Europa fertigen werde, äußerte sich der GAC Vice President R&D wie folgt: „Unsere Fabriken in China sind in allen Aspekten besser, aber wir prüfen, ob Fahrzeuge aus Thailand auch nach Europa kommen könnten.“ Damit bleibt offen, wo die für den europäischen Markt bestimmten Autos letztlich gefertigt werden.

Zhang betonte, dass GAC durch seine Erfahrungen in Nordamerika gelernt habe, wie wichtig es ist, den lokalen Marktbedürfnissen gerecht zu werden. „Wir haben bereits in den USA gesehen, dass ein Standardansatz nicht funktioniert. In Europa werden wir unsere E-Autos an die spezifischen Anforderungen anpassen“, sagte er. Dies soll sowohl die Technik als auch das Design betreffen, um den Ansprüchen europäischer Kunden gerecht zu werden. Allerdings wird man dies Schritt für Schritt angehen. Zunächst werde man für China gefertigte Stromer für europäische Ansprüche anpassen und dort einführen. Eine Feinanpassung an hiesige Gegebenheiten werde aber stets gegeben sein.

Zudem gibt es Hinweise darauf, dass GAC den Markteintritt in Europa strategisch und schrittweise plant. Interessant ist dabei, dass GAC wohl von den Fehlern anderer Marktteilnehmer gelernt hat und keinen Druck verspürt, sofort hohe Verkaufszahlen zu erreichen. Stattdessen konzentriert sich das Unternehmen zunächst auf Nicht-EU-Märkte wie Norwegen und Großbritannien, wie ein Insider vor Ort zu verstehen gab.

Auch eine europäische Fertigung wird kurz- bis mittelfristig als Möglichkeit betrachtet, während ein Teilezentrum in den Niederlanden aufgebaut wird, um die Logistik für den Service vor Ort in Europa zu unterstützen.

Ausblick: Ein herausfordernder, aber vielversprechender Weg

Trotz der großen Herausforderungen ist Zhang optimistisch, was den Markteintritt von GAC in Europa betrifft. Die Kombination aus innovativer Technologie, einer klaren strategischen Ausrichtung und einem starken Fokus auf Design könnte GAC zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten für europäische Marken machen. „Wir sind zuversichtlich, dass wir mit unserer Technologie und Qualität in Europa erfolgreich sein können“, fasste Zhang zusammen.


Disclaimer: GAC hat zum Kennenlernen der Marke nach Paris eingeladen und hierfür die Reisekosten übernommen. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf unsere hier geschriebene ehrliche Meinung.

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.
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Philipp:

Welche der Anforderungen ist denn nur und ausschließlich durch die Lobby aufgebaut, braucht man nicht und kann daher weg?
Kannst Du wenigstens eine nennen?

Gregor:

Die hihen Anforderungen an den Markt wurden als Schutz durch die Lobby aufgebaut, daher ja der große Vorteil vom Bev, da hier die Abgaswerte und deren hochgradige Anforderung die zu erreichen, wegfällt.

Ob smarte Technologien im Auto wirklich einen Mehrwert bringen, kommt drauf an, was hier geboten wird. Immerhin muss einen die Karre von A nach B bringen und sie soll dann funktionieren, wenn ich als Kunde es will. Je mehr smart und Internet, umso mehr sehe ich die Zuverlässigkeit flöten gehen.

Ich finde es aber gut, das endlich Bev kommen. Die sind so viel in allem überlegen und Reichweite ist nur ein dummes deutsches Phantasie Luxus Problem

Niklas Maurus:

Gac ist ein staatlicher chinesischer Automobilbauer. Wie die Chinesischen richtig erkennen, machen zu viele heimische Hersteller das gleiche und gehen unter. Aiways, Hiphi, Etc.

Auch GAC wird ohne Händler und Servicenetz scheitern, wenn die Preise die gleichen sind wie von europäischen Herstellern

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