Ford streicht große Batterie-Investition – Düstere Vorzeichen für die Elektromobilität?

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Hannes Dollinger
Hannes Dollinger
  —  Lesedauer 3 min

In der Welt der Elektroautos mehren sich die Anzeichen, dass sich das bisher prognostizierte Wachstum weniger steil fortsetzen wird, als viele Hersteller öffentlich eingestehen möchten. Die Branche, die lange von einer großen Dynamik getrieben wurde, sieht sich inzwischen mit einer, nennen wir sie mal herausfordernden, wirtschaftlichen Realität konfrontiert. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist die kürzliche Aufgabe des Projekts eines der größten Batteriezellenwerke in Europa, initiiert von Ford, LG Energy Solutions (LGES) und Koç Holding in der Türkei.

Das Projekt, das die Produktion von Batteriezellen für Elektroautos in der Türkei vorsah, wurde im Februar 2023 mit großen Erwartungen angekündigt. Geplant war, eines der größten kommerziellen EV-Batteriezellenwerke in Europa zu errichten, mit einer anfänglichen Jahresproduktion von mindestens 25 GWh, die potenziell auf bis zu 45 GWh ausgeweitet werden sollte. Der Baubeginn war für später im Jahr geplant, und die Produktion sollte bereits 2026 starten. Lisa Drake, Vizepräsidentin für EV-Industrialisierung bei Ford, betonte zu der Zeit, dass das Werk eine solide Grundlage für eine blühende Elektroauto-Zukunft von Ford in Europa legen würde.

Doch jetzt gab Koç Holding bekannt, dass das Abkommen aufgehoben wurde. Als Hauptgrund nannte das Unternehmen das „aktuelle Tempo der EV-Übernahme“. Heißt im Klartext: Die Beteiligten glauben nicht daran, dass die geplanten Batteriekapazitäten noch notwendig sein werden.

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich auf vielen Ebenen verschlechtert. LG Energy Solutions hatte zuvor bereits öffentlich vor einer Verlangsamung des Umsatzwachstums im Jahr 2024 gewarnt. Als Begründung nannte man globale wirtschaftliche Unsicherheiten. Ford und andere große Hersteller wie GM haben ihre Elektrofahrzeugziele aufgrund nachlassender Nachfrage angepasst. Auch VW Markenchef Thomas Schäfer hatte kürzlich in einem Interview gute Miene verlauten lassen, trotz aller Widrigkeiten wie Lieferengpässen, Kriegen, Inflation und steigenden Energiekosten, denen sich die Marke gegenübersieht.

Nicht vergessen darf man, dass der größte Wachstumsmarkt in China nun mehr oder weniger in der Hand der eigenen Hersteller ist. Die inzwischen viel höheren Zinssätze, die die Kaufkraft der Verbraucher verringern, versuchen die Hersteller in einem Preiskampf auszugleichen. Unter all den schlechten Vorzeichen nehmen Optimismus und Risikobereitschaft aller Beteiligten ab.

Ausblick in die Elektromobilität im Jahr 2024

Die Elektromobilitätsbranche steht 2024 vor einer Reihe von Herausforderungen. Während die Akzeptanz von Elektroautos insgesamt zwar weiter ansteigt, ist der Markt zunehmend von wirtschaftlichen Unsicherheiten und dem starken Wettbewerb geprägt. Hersteller, die frühzeitig in die Elektromobilität investiert haben, können weiterhin die Früchte ihrer Bemühungen ernten. Doch auch für sie wird es schwieriger, weiter zu investieren.

Die Absage des türkischen Batteriezellenwerks ist ein Symbol für den Rückgang an Mut und Risikobereitschft. Sie zeigt, dass selbst große, ambitionierte Projekte Opfer der wirtschaftlichen Unsicherheiten werden und Hersteller und Zulieferer Investitionen zögerlicher ausrollen werden. Für die Zukunft der Elektromobilität bedeutet es, dass wir sicherlich immer noch Fortschritte und Innovationen erleben werden, doch die Geschwindigkeit und der Mut der Hersteller könnte weiter leiden.

Quelle: Reuters – Koc Holding revokes pact with Ford, LG Energy Solution for Turkey battery JV

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Hannes Dollinger

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Hannes Dollinger schreibt seit Februar 2023 für Elektroauto-News.net. Profitiert hierbei von seinen eigenen Erfahrungen aus der Welt der Elektromobilität.
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Tim Wolf:

Tja, die Entscheidung wird nicht ganz monokausal gewesen sein. Bei Ford könnte tatsächlich die US Politik mitgesprochen haben, und das ist gut so. Ob es hier allein um Erdogans unrühmlichen Islamismus bis Gutheißung von Terror geht, sein Krieg gegen die Kurden oder aber mögliche Gefahren seiner Zuwendung gen Rußland sei einmal dihingestellt. Jedenfalls kommen zukünftig, im Sinne des Risk Assessment sicherlich einige Punkte infrage, warum ein Produktionsstandort in der Türkei für einen westlichen Hersteller subobtimal ist.
Polen hingegen hat sich politisch wieder etwas mehr als „möglich“ positioniert, die Börsenkurse des polnischen Indexes lassen Aufbruchstimmung vermuten. Letzlich wird die Türkei wohl noch lange ganz gut und günstig mit fossilen Brennstoffen versorgt sein, Umweltbestimmungen bestenfalls auf dem Papier existieren und die Kaufkraft dort noch jahrelang unter einem Niveau bleiben, um E-Autos dort in den Massenmarkt einzuführen. Wenn nicht Fortschritt sondern eine Religion immer mehr das politische Leitbild bestimmt, wird das wirtschaftlich erfahrungsgemäß sehr sehr schwierig.
Andererseits könnte auch der IRA in USA die Investitionsbedingungen dort so attraktiv gemacht haben, dass Auslandsinvestiotionen für Ford schlicht wenig Sinn ergeben, Risiken siehe oben.
Weiterhin werden in jüngerer Vergangeheit wieder mehr Meldungen zu Fortschritten bei den Feststoff-Batterien verlautbart. Wer da mit seiner Investition auf dem falschen Fuß erwischt wird, der kann zusammenpacken. Wenn man sich die UNterordnungswilligkeit der US Hersteller bzgl. des Steckers bei Tesla anschaut, kann natürlich die nächste Batterie-Generation in einem JV mehrerer US-Hersteller der Knaller werden. Dafür würde man auch sämtliche Regularien anpassen, der (System-)-Wettbewerb mit China würde dies politisch sicher rechtfertigen. Man kann schon riechen, dass es unamerikanisch wäre, hier ein Monopol verhindern zu wollen. Zum Vergleich siehe M&A Aktivität der Ölproduzenten.
Und ja, o.g. ist Spekulation, keine Frage. Sie folgt aber der Erfahrung und offensichtlichen Logiken ;-)

Michael:

Ford ist USA .
da gab es wohl Anweisungen von ganz oben .
Türkei und Ungarn machen nicht das was der Hegemon USA diktiert .
folglich sollten USA Unternehmen die am Tropf der Regierung hängen auch das tun was gewünscht wird .
so what . Europa / Deutschland hat sein günstiges Röhrengas verloren und bekommt dafür teures , dreckiges LNG aus USA.
da ist doch Ford vergleichsweise gut bedient .

Daniel W.:

Wenn ich schreibe, dass es im Gebälk der E-Mobilität kräftig knitscht, dann bekomme ich „Daumen nach unten“, aber die schlechten Nachrichten können ja nicht alle von den Autoherstellern kalkuliert in die Welt gesetzt worden sein, um Steuergelder locker zu machen.

Ich glaube weiterhin, dass die Autoindustrie in Europa ihre besten Zeiten hinter sich hat und dabei ist den Anschluß an die E-Mobilität zu verlieren. Und ohne den chinesischen Markt sind vor allem die deutschen Hersteller aufgeschmissen. Wer soll in Zukunft die vielen billigen Akkus für unsere immer größer werdenden E-Autos liefern oder die günstigen E-Autos für die „kleinen Leute“, außer den chinesischen Firmen.

Sollte der Konflikt zwischen China und Taiwan in einen Krieg münden, dann haben deutsche Autohersteller verloren, denn entweder die EU verhängt Sanktionen gegen China oder China macht seinen Markt für ausländische Firmen dicht und enteignet schlimmstenfalls ausländische Firmen.

Die Welt ist im Umbruch, sowohl politisch wie auch klimatisch und technisch – fraglich, ob die deutschen Autohersteller das überleben.

Wir in Europa sind gut 20 Jahre zu spät dran mit der Energie- und Verkehrswende, jetzt müssen wir China hinterherhecheln.

Andreas:

Es trifft alle. Dies war eine Cooperation mit Türkischen Partnern. Ich denke es war eine politische Entscheidung.

Robert:

Düstere Vorzeichen für die Elektromobilität? wohl eher Düster für Ford

Marc:

Man darf nicht vergessen, wenn man ein Batteriewerk baut, ist das im wesentlichen ein Werk für bisherige Fertigungsverfahren, also bisherige Zellchemien. Das ist frühestens in zwei Jahren fertig und den Bedarf an diesen Zellen kann man maximal für 5-8 Jahre im Voraus seriös einschätzen. Zudem sind ein zusätzlicher negativer Eintrag die aktuell hohen Zinssätze.

Die Entscheidung für oder gegen so ein Werk wirkt wie eine Frage von Mut oder Zuversicht der Chefs. Sie ist aber fast immer das Ergebnis eines Risk Management Prozesses. Nach Gutsherrenart entscheiden dürfen nur persönlich haftende Chefs ohne Kreditlinien, da gibt es aber kaum welche, außer Herrn Grupp aus Burladingen. Ich erkläre das System nachfolgend etwas ausführlicher, weil die meisten Kommentatoren nicht in die Schaltzentren der Konzerne schauen können. Das Thema spielt aber eine entscheidende Rolle:

Im Risk Management sind alle Annahmen und daraus folgende Maßnahmen schriftlich niedergelegt. Annahmen sind üblicherweise Zahlen. Die kann man nicht erfinden, sondern die muss man ermitteln bzw.. ableiten. Auch dazu gibt es festgelegte Verfahren, Anhaltswerte, KPI. Natürlich kann man dort eine Ambition hereinbringen. Aber die muss inhaltlich gut begründet werden.

Man nutzt komplexe Systeme, in denen Regeln und Schwellwerte eingestellt sind. Bei börsennotierten Unternehmungen werden die Annahmen, also Prognosen in Zahlen, jedes Quartal neu bewertet. Gibt es da Änderungen, wirken sich die automatisch aus. Solche Systematiken bringen etwas mehr Objektivität in den Prozess. Der Mensch neigt z.B. bekanntlich dazu, an einmal getroffenen Entscheidungen festzuhalten. Wenn also die bisherigen Absatzannahmen unsicherer werden, wird diese Prognose automatisch in das System eingespielt und es wird automatisch eine teure und komplexe Investitionsentscheidung infrage gestellt.

Du musst dann als CFO diese Entscheidung überprüfen lassen, also am Besten den CEO bitten, das in das Bord mitzunehmen. In jedem Fall muss das Thema besprochen und schriftlich begründet werden, falls man bei gestiegenem Risiko an der Entscheidung festhält. Da ist man als CEO oder CFO schnell im Bereich der persönlichen Haftung, wenn man da Luftschlösser baut. Wenn man das weiß, kommt man z.B. auf die Idee, warum der CFO bei Tesla neulich gehen musste und warum selbst Musk das Werk in Mexiko jetzt nicht baut.

Sabu:

Denke eher das sind düstere Vorzeichen für die Türkei. Man muss derzeit nicht jeden Mist gutheißen, was dort passiert und vor allem gesagt wird.

heinr:

bei den Sprüchen die der türkische Präsident so raushaut wundert mich die Entscheidung nicht.

Philipp:

Ein Batteriezellenwerk ist keine kurzfristige Geschichte, insbesondere wegen der hohen Investitionen in den Maschinenpark. Wenn man dieses Projekt aufgibt, ist es nicht die Ursache dass 2024 irgendwelche Rahmenbedingungen anders sind, weil das Werk sicher für 20 Jahre+ errichtet worden wäre.
Man hätte die Investition auch einfach schieben können.

Was also die wahren Gründe sind, warum man in der Türkei kein Werk errichtet, sind daher andere.

ThoSt:

Gute Idee sich weiter von China abhängig zu machen. Klar haben die ihre Kapazitäten jetzt ausgebaut bis wir in Europa mal aus dem Quark kommen und werden immer billiger…PV, Wind, jetzt Batterien…

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