Fahrbericht Nissan Sakura: Living in a Box

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Wolfgang Gomoll
Wolfgang Gomoll
  —  Lesedauer 4 min

In Japan ist vieles anders als in Mitteleuropa. Da sind zum Beispiel die Hightech-Toiletten mit beheizten Sitzen, verschiedenen Waschprogrammen und einer Geräuschfunktion, die das Verrichten des Geschäfts übertüncht. Außerdem ist dort alles geregelt. Vordrängeln gilt als extrem unhöflich. Platz ist in Tokio Luxus. Die Hotelzimmer sind manchmal nur einfache Schlafkabinen (oft mit einem Motto), das Anstellen in einer Schlange gehört zum Alltag. Also ist auch die Blechlawine für die Menschen in Japan schon längst Routine. Die Lösung der Gleichung Platzmangel plus zu viele Autos ergibt: Kei-Car. Diese rollenden Schuhkartons sind ein weiteres japanisches Unikat.

Während sich der deutsche SUV-Ritter beim Anblick einer vermeintlichen automobilen Verzichtserklärung den Bauch vor Lachen hält, sind diese Vehikel zwischen Sapporo und Fukuoka ein echter Verkaufsschlager. Rund 30 Prozent der Zulassungen im Land der aufgehenden Sonne entfallen auf diese Fahrzeuge. Japan wäre aber nicht Japan, gäbe es nicht ganz klare Vorschriften, wie ein Kei Car auszusehen hat. Mittlerweile dürfen die kleinen Flitzer maximal 3,40 Meter lang, 1,48 Meter breit und zwei Meter hoch sein.

Auch bei der Motorisierung ziehen die japanischen Mobilitätswächter ganz klare Grenzen: Der Antrieb darf nicht mehr als 47 kW (64 PS) und einen Hubraum von 600 Kubikzentimeter haben. Letzteres gilt natürlich nicht für ein E-Auto wie den Nissan Sakura, und bei der Leistung des Elektromotors mit der internen Kennung MM48 legt der japanische Autobauer beim Heimspiel eine Punktlandung hin. Die Belohnung für die Zurückhaltung bei kW und Fahrzeuggröße ist ein Rabatt beim Fiskus. Der Preis? Rund 3,1 Millionen Yen, umgerechnet etwa 19.300 Euro. Aber auch davon gehen noch Subventionen ab, die den kleinen Japaner erschwinglich machen.

In Zeiten der Elektromobilität gewinnen diese Bonsai-Autos noch mehr an Bedeutung. Wir haben uns einen ganz besonderen Vertreter dieser Gattung ausgesucht: den Nissan Sakura. Seines Zeichens Gewinner des Japan Car of the Year Awards 2022 – 2023 und technischer Bruder des Mitsubishi eK X EV. Sobald man sich dem rollenden Preisträger nähert, kommt einem der Song „Living in a Box“ von der gleichnamigen Band in den Sinn. Das Auto ist mehr Würfel als Limousine und die Japaner verbringen viel Zeit in dem fahrbaren Untersatz. Die rollende Schachtel ist 3,395 Meter lang, 1,475 Meter breit und 1,665 Meter hoch. Also auch da haben die Ingenieure das Maßband angelegt und die Vorschriften penibel befolgt.

Nissan-Sakura-Elektroauto-Reichweite
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Wir schwingen uns hinter das Lenkrad. Rechts, wie in Japan üblich. Wer glaubt, dass auch im Innenraum automobiler Minimalismus herrscht, täuscht sich erneut. Das fängt schon beim Infotainment an: Der Bildschirm für die digitalen Instrumente misst sieben Zoll und das zentrale Display sogar neun Zoll. Da kann sich der eine oder andere europäische Wagen warm anziehen. Das gilt auch für den Rest der Technik. Der Winzling kommt mit einigen Fahrassistenten, darunter ProPilot Park, der den Sakura selbsttätig in eine Lücke manövriert. Die Batterie hat eine Kapazität von 20 Kilowattstunden, was im japanischen WLTC-Zyklus für 180 Kilometer reicht.

Selbst hinten sitzt es sich bequem

Wir wieseln über die Stadtautobahnen von Yokohama. Mit der Kei-Car-Maximalleistung von 47 kW und dem Drehmoment von 195 Newtonmetern ist man überall gut dabei. Der Antritt ist stramm genug, um flott mitzuhalten. Vor allem im Sport-Fahrmodus, aber auch im Eco- und Normal-Fahrprogramm mutiert der Sakura nicht zur rollenden japanischen Wanderdüne. Das geringe Gewicht von 1080 Kilogramm hilft natürlich. Wer will, wechselt in den E-Pedal-Modus und kann sich auf das Gaspedal beschränken. Auch die Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h reicht völlig aus. Mehr braucht kein Mensch. Viel wichtiger ist der Wendekreis von 9,6 Metern. Damit wuselt man um jede Ecke und durch schmale Gassen auf der Suche nach der besten Ramen der Stadt. Während die SUV-Helden noch nach einem Parkplatz suchen, ordern wir schon den Nachschlag der leckeren Nudelsuppe.

Nissan-Sakura-Cockpit-Test
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Mit vollem Bauch fährt es sich nicht ganz so gut. Also wechseln wir nach hinten. Die Türen schwingen weit auf. Das Einsteigen ist entspannt und bequem. Wer glaubt, dass man sich in diesem Auto im Fond zusammenfalten muss und die Knie sich neben den Ohren befinden, wird sehr schnell eines Besseren belehrt. Dank des flachen E-Mobil-Bodens und des Radstands von 2,5 Metern kann man es sich auch in der zweiten Reihe ziemlich gemütlich machen. Auch da schaut so manches ausgewachsene Auto ganz schön alt aus. Wir lassen es uns gutgehen und lümmeln uns ganz entspannt hin. Die Rückbank lässt sich verschieben und die Lehnen umklappen, was das Kofferraumvolumen von 107 Litern enorm vergrößert. Auch hier überrascht der Nissan.

Wir sind mittlerweile ein absoluter Fan des Kei-Cars. Bleibt zum Schluss noch ein Rätsel zu lösen: Was hat es eigentlich mit dem Namen Sakura auf sich? Sakura ist die japanische Kirschblüte und eines der wichtigsten Symbole der Kultur des Inselstaates. Das passt zu diesem Auto und den Kei-Cars im Allgemeinen. Denn nirgendwo sonst sind die Bonsai-Autos so beliebt wie im Land der aufgehenden Sonne.

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Wolfgang Gomoll

Wolfgang Gomoll

Wolfgang Gomoll beschäftigt sich mit dem Thema Elektromobilität und Elektroautos und verfasst für press:inform spannende Einblicke aus der E-Szene. Auf Elektroauto-News.net teilt er diese mit uns. Teils exklusiv!

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„Bleibt zum Schluss noch ein Rätsel zu lösen:“ Warum gibt es sowas nicht bei uns? Wir haben so Kröten wie den Rocks-E mit 45km/h… Die China Kei-Cars kosten weniger als ein teures E-Fahrrad und ich würde machen einfach nur aufgrund des Styles kaufen (z.B. Geome Panda mini/knight)

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