EU-Vorhaben zur Umweltfreundlichkeit von Autobatterien stößt auf Kritik

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Hannes Dollinger
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  —  Lesedauer 3 min

Die Frage, wie umweltfreundlich Batterien von Elektroautos sind, soll auf höchster Ebene aus Brüssel entschieden werden. Die Europäische Kommission plant eine Änderung der EU-Batterieverordnung, die die Berechnung des CO2-Fußabdrucks von Batterien für Elektroautos grundlegend verändern würde. Ab 2027 soll nicht mehr der tatsächlich eingesetzte Strom als Berechnungsgrundlage dienen, sondern der nationale Strommix. Die deutsche Automobilindustrie ist damit gar nicht einverstanden.

Die EU-Batterieverordnung, die im August 2023 in Kraft trat und deren Hauptbestimmungen seit Mitte Februar 2024 gelten, zielt darauf ab, die Kreislaufwirtschaft zu fördern und die Umweltauswirkungen von Batterien während ihres gesamten Lebenszyklus zu regulieren. Die Verordnung umfasst eine Reihe von Maßnahmen, darunter verpflichtende Erklärungen und Kennzeichnungen bezüglich der Batteriebauteile und des Rezyklatanteils sowie die Einführung eines elektronischen Batteriepasses.

Der neue Vorschlag der EU-Kommission sieht außerdem vor, dass bei der Berechnung des CO2-Fußabdrucks von Autobatterien künftig der durchschnittliche nationale Strommix zugrunde gelegt werden soll. Das würde bedeuten, dass Länder mit einem höheren Anteil an fossilen Energieträgern in ihrer Stromproduktion, so wie Deutschland, bei dieser Berechnung schlechter weg kämen. Im Jahr 2023 stammten etwa 40 Prozent des in Deutschland produzierten Stroms noch immer aus fossilen Energieträgern wie Kohle und Gas.

Die deutsche Automobilindustrie, vertreten durch den Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA), kritisiert diesen Vorschlag scharf. Hildegard Müller, Präsidentin des VDA, argumentiert, dass dieser Ansatz im Widerspruch zu den Bemühungen der Industrie stehe, den CO2-Fußabdruck von Autos über den gesamten Lebenszyklus zu reduzieren. Sie betont, dass bei Elektroautos ein großer Teil der CO2-Emissionen in der Herstellungsphase anfällt, wobei die Produktion der Batterien eine wesentliche Rolle spielt.

Die Autoindustrie befürchtet, dass dieser neue Berechnungsansatz Investitionen in Batteriefabriken mit besonders niedrigem CO2-Fußabdruck behindern könnte. Das könnte beispielsweise Auswirkungen auf die in Bau befindliche Zellfabrik von Northvolt im schleswig-holsteinischen Heide haben. Zudem argumentiert die Branche, dass ihre Bemühungen, durch Einzelverträge mit Stromanbietern (Power Purchase Agreements, PPAs) ökologischer zu produzieren, nicht angemessen berücksichtigt würden.

Der VDA kritisiert außerdem, dass der vorgeschlagene Ansatz im Widerspruch zu anderen EU-Strategien steht, wie der Strategie zum Ausbau erneuerbarer Energien oder der Erneuerbare-Energien-Richtlinie II. Diese Richtlinien zielen darauf ab, Anreize für Unternehmen zu schaffen, in den Ausbau erneuerbarer Energieerzeugung zu investieren.

Als Alternative schlägt der VDA vor, Stromabnahmeverträge und Stromzertifikate anzuerkennen, die bestimmte Mindestkriterien erfüllen. Zudem plädiert der Verband dafür, anstelle des nationalen durchschnittlichen Netzmixes den regionalen Strommix, beispielsweise auf EU-Ebene, als Standardansatz zu verwenden.

Die endgültige Entscheidung über die Änderung der Berechnungsmethode für den CO2-Fußabdruck von Autobatterien steht noch aus. Die Kritik der Automobilindustrie könnten also noch Gehör bei der EU finden. Noch ist nicht vorherzusehen, welche Auswirkungen die endgültige Regelung auf die Produktion und den Markt für Elektroautos haben wird.

Quelle: electrive.net – EU-Batterieverordnung: Zoff um Berechnung des CO2-Fußabdrucks von Autoakkus / Quelle: VDA – VDA-Präsidentin Hildegard Müller zur EU-Batterieverordnung

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Hannes Dollinger

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Hannes Dollinger schreibt seit Februar 2023 für Elektroauto-News.net. Profitiert hierbei von seinen eigenen Erfahrungen aus der Welt der Elektromobilität.

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Manfred:

Ich kann die Kritik diesmal, zumindest ansatzweise, verstehen. Wenn man z.B. sich Schleswig Holstein anguckt kann sehr viel regenerative Energie genutzt werden. Einmal eigene Windenergie und auch importierte Energie aus Wasserkraft aus Skandinavien. Hier den nationalen Energiemix zugrunde zu legen wäre unangemessen. Warum sollten Norddeutsche Produktionsstätten für die süddeutsche Bräsigkeit beim Ausbau ihrer Netzinfrastruktur bestraft werden? Es schreit mächtig nach verschiedenen Strompreiszonen mit eigenen Handelsplätzen für die Spotmärkte. Es würde zudem zu einem Wettbewerb zwischen den Bundesländern um attraktive Energiestandorte führen. Vielleicht überdenkt Robert H. nochmal seine Haltung.

Philipp:

Gib mal eine Zertifizierungsstelle an, die bestätigt, dass wirklich nur 100% grüner Strom verwendet wurde – mit unabhängiger Prüfung.

Die meisten Stromanbieter gehen grundsätzlich vom Mix aus: Wir verkaufen 60% grünen Strom im Jahr und die ersten 60% sind daher 100% grün – aber halt nicht im Winter oder bei Windstille oder in der Nacht oder wenn gerade ein Nachfragepeak ist. Du bekommst trotzdem immer grünnen Strom … nicht.
Und Norwegen zertifizierte dir den Strom bekannterweise mehrfach als grün.

Dein „Grüner Strom“ ist genauso grün wie HVO100 nur aus Frittenfett stammt.
Der VDO findet sicher, dass die Zertifizierung von HVO100 auch die nötigen „Mindestkriterien erfüllt“.

Hannes:

Absolut. Und klar versuchen sich die Hersteller da irgendwie rauszuwinden. Hauptsache günstig.
Trotzdem finde ich die Berechnungsgrundlage nicht korrekt.
Da könnte ein internationales Batteriewerk in Deutschland geplant sein, dass komplett über eigenproduzierten Solarstrom laufen würde. Theoretisch. Und die Batterien würden trotzdem mit dem Fußabdruck von 40% fossiler Energie berechnet. Dann bauen die doch lieber woanders.

Ediwi:

„Ab 2027 soll nicht mehr der tatsächlich eingesetzte Strom als Berechnungsgrundlage dienen, sondern der nationale Strommix.“

Diese Änderung halte ich für wenig sinnvoll. Besser ist es dafür zu sorgen, daß der tatsächlich eingesetzte Strom, wie unten beschrieben, zu 100 % aus zertifiziertem Ökostrom besteht.

„Als Alternative schlägt der VDA vor, Stromabnahmeverträge und Stromzertifikate anzuerkennen, die bestimmte Mindestkriterien erfüllen.“
… bestimmte Mindestkriterien?
Ja, sehr gerne.
Diese Mindestkriterien müssen selbstverständlich vorschreiben, daß 100 % zertifizierter Ökostrom zum Einsatz kommen muß.

Falls es keine weitere Veränderung der EU-Batterieverordnung mehr geben sollte, muß die Zeit bis zum Inkrafttreten dieser Änderung jetzt! und mit aller Kraft genutzt werden um den nationalen Strommix massiv in Richtung Strom aus Wind, Sonne und Groß-Speicherbatterien voran zu bringen.

Nicht meckern – machen!

Philipp:

Als wenn die Autoindustrie nicht trotzdem den billigsten Strom nimmt und sich unter den Anbietern dann irgendwelche Zertifikate ausstellen läßt. Yepp, solche Zertifikate sind für beide gut: Dem Verkäufer und dem Käufer. Keiner hat wirklich Interesse an der Wahrheit.
Siehe mehrfach verkaufte Zertifikate aus Norwegen.

Gerd:

Nach meinem Eindruck macht die aktuelle Regierung sehr große Fortschritte beim Ausbau der Erneuerbaren. Jedenfalls tut sich da die letzten drei Jahre mehr als dreißig Jahre davor.
Und das, obwohl die FDP mitregiert. Ich finde das aller Ehren wert ;-)
Und die Erzeugung wird sich ganz einfach aufgrund der Marktmechanismen (Produktionspreise, Zertifikate, Nachfrage etc) sowie der zukünftigen Nutzung von Smart Grid Funktionen in Richtung EN verschieben.
Ich finde das (relativ) toll.

Robert:

damit kann sich die Autoindustrie sich jetzt ja prima herausreden, können also den billigsten Strom kaufen und wegen der Umwelt einfach auf die Stromerzeuger zeigen die sind schuld und die regierung da sie ja den ausbau der erneuerbaren behindern und blockieren, und das soll toll sein?

Gerd:

Im ersten Moment kam mir die VDA-Argumentation recht plausibel vor.
Dann kam allerdings die Einsicht, dass die deutsche Automobilindustrie ihre größte Kompetenz ja im Fälschen und Interpretieren von Emissions- und Verbrauchswerten hat. Wissing, seine Industrieverbände und die neue HVO-Affäre lassen grüßen. Das würde garantiert auch beim eigenen Strommix passieren.
Insofern: Mal wieder eine EU-Initiative, die wirklich die Probleme anpackt und damit weitere Weichen gegen den Klimawandel stellt.
Man kann die deutsche Automobilindustrie einfach nicht mehr selbstbestimmt gewähren lassen.

Gregor:

Also statt sich den Strom schön zu rechnen, was bei „Ökostrom Tarifen“ gern gemacht wird. Wird der real, im echten Leben, tatsächliche Strommix zur Berechnung genommen? Also der REALE, ECHTE CO2 Ausstoß und nicht irgendein Phantasiewert?
Die Automobil Hersteller können doch gar nix anderes, als Phantasiewerte benutzen.

WLTP, NEFZ, NOx Ausstoß… das sind alles pseudo Laborwerte…
Hier darf die EU nicht einknicken, denn die reale Berechnung wäre ein gigantischer Boost für EE in Deutschland.

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