Elektro-Lkw Tesla Semi: Und er kommt doch

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Tesla

Stefan Grundhoff
Stefan Grundhoff
  —  Lesedauer 5 min

Wieder einmal gab es aus dem Hause Tesla große Ankündigungen und wieder einmal hat alles deutlich länger gedauert. Doch die europäische Nutzfahrzeugbranche kann sich schon einmal darauf vorbereiten, dass Tesla mit seinem Semi Truck zeitnah auch für viel Wind bei den Fuhrparkbetreibern sorgen dürfte. Denn die elektrische Zugmaschine setzt Maßstäbe.

Der Slogan ist wie oftmals bei Tesla kernig, simpel und eindrucksvoll: „It’s a beast“ – so heißt ansonsten die bestens gesicherte Panzerlimousine des Präsidenten. Tesla benennt seine Zugmaschine mit Namen Semi Truck auf der eigenen Website genauso. So kann sich jeder etwas unter dem Semi vorstellen. Präsentiert wurde der erste Lastwagen mit dem Tesla-Logo bereits im Herbst 2017. Doch außer den beiden verträumten Prototypen, wie immer von den Tesla-Fans wild gefeiert, war abgesehen von Probanden und wenigen Kleinserien bisher nicht auf den US-amerikanischen Straßen zu sehen. Nach Europa sollen die elektrischen Zugmaschinen jedoch wohl nächstes Jahr ebenfalls rollen, wenn die seit mehr als fünf Jahren wartenden US-Kunden abgearbeitet wurden.

An sich sollten 2023 im texanischen Tesla-Werk bereits 50.000 Semi Trucks vom Band laufen – bisher waren es kaum mehr als ein paar hundert. Diese gingen zunächst zum Lebensmittelkonzern PepsiCo, der bereits Ende 2017 imageträchtig 100 Fahrzeuge bestellte und erste Zugmaschinen Anfang 2023 am Standort Sacramento in Betrieb nahm. Die meisten anderen Kunden, unter ihnen die Flottenbetreiber der Anheuser-Busch, UPS und Walmart warten auf ihre Modelle bisher weitgehend vergeblich. Doch in den nächsten Monaten soll die Produktion endlich hochgefahren werden.

Wie schon bei seinen Elektroautos kann man Tesla eines nicht vorwerfen: das Design. Der Semi Truck ist gefällig, allemal windschlüpfrig und auf den ersten Blick als Tesla zu erkennen. Ähnlichkeiten zu den Erfolgsfahrzeugen Tesla Model 3 / Y – alles andere als zufällig. Und ein Familiengesicht bei einer Limousine und einem Mittelklasse-SUV hinzubekommen, ist nicht schwer. Das auf eine gewaltige Zugmaschine der 40-Tonnen-Liga zu projizieren – schon deutlich mehr.

Die Leistungsdaten sind wie fast immer im Hause Tesla erst einmal eindrucksvoll: Angetrieben von einem Antriebspaket des Model S Plaid schafft der rund 735 kW / 1020 PS starke Truck mit drei Elektromotoren an den beiden Hinterachsen den Imagespurt 0 auf Tempo 100 in kaum mehr als 20 Sekunden, verbraucht nach dem US-amerikanischen Zyklus 125 Kilowatt pro 100 Kilometer und soll mit einer Akkuladung je nach Batteriepaket 480 bis 800 Kilometer schaffen. Das Akkupaket der Zugmaschine soll dabei in weniger als 20 Minuten wieder auf 70 Prozent seiner Leistungsfähigkeit erstarken – an speziellen Hochleistungs-Ladestationen.

Tesla-Semi-E-lkw-deutschland
Tesla

Im Vergleich zu den normalen Lastwagen verspricht Tesla Kraftstoffkosten, die weniger als halb so teuer wie die von Diesel sind. Dadurch sollen die Betreiber der Fuhrparks allein innerhalb der ersten drei Jahre eine Kraftstoffeinsparung von bis zu 200.000 US-Dollar erzielen. Mindestens genauso groß soll der Vorteil durch Ferndiagnose, Bremsenergierückgewinnung, Softwareupdates (over the air) und deutlich weniger bewegliche Teile sein, die gewartet werden müssen. So sollen die Zugmaschinen deutlich mehr Zeit auf der Straße verbringen und nur in seltenen Fällen zum Service müssen.

Die große zeitliche Verzögerung der Kundenauslieferung hat verschiedenste Gründe. Die wichtigsten lagen jedoch in der Batterietechnik begründet, denn ursprünglich sollte der Tesla Semi mit der gleichen Akkutechnik unterwegs sein, wie die besonders sportlichen Plaid-Versionen von Model S und Model X. Es wäre zwar problemlos möglich gewesen, die drei Elektromotoren an den beiden Antriebsachsen der Zugmaschine mit Energie aus dem Pkw-Regal zu versorgen, jedoch hätte dies die Nutzlast um fast eine Tonne eingeschränkt. Daher musste Tesla technisch nachlegen, um konkurrenzfähig zu sein.

Ein neues Akkupaket für den Elektro-Lkw

Die bisherigen Planungen wurden umgestoßen und so kommen die Modelle des Semi nun mit einem neu entwickelten Akkupaket auf die Highways. Diese Batteriezellen sind acht Zentimeter hoch und haben einen Durchmesser von 4,6 Zentimetern. Die demnach benannten 4680er-Module bringen mehr Kapazität ins Akkupaket und sollen letztlich bis zu 20 Prozent mehr Reichweite bringen, wodurch die ehemals angepeilten 800 Kilometer bis zum nächsten Ladestopp auch bei einem voll beladenen Auflieger realisierbar sein sollen.

Die maximale Nutzlast des Tesla Semi Trucks beträgt 37,2 Tonnen (82.000 Pfund). Neben der Normalversion mit einer Reichweite von jenen 800 Kilometern sind zwei weitere Versionen mit knapp 500 Kilometern sowie später mehr als 1000 Kilometern Reichweite geplant. Damit die Ladezeit an den neuen V4-DC-Superchargern nicht zu lange wird, ist der Semi Truck mit einem 1000-Volt-Bordnetz ausgestattet. Die schnellsten Systeme gab es bisher beim Lucid Air (900 Volt) sowie Audi Etron GT / Porsche Taycan und verschiedenen Modellen wie Kia EV6 oder Hyundai Ioniq 5 / 6 mit 800 Volt.

Tesla-Semi-E-lkw-cockpit
Tesla

Die Fahrerkabine sieht anders aus als man es von einer herkömmlichen Zugmaschine kennt, denn der Chauffeur sitzt zentral in der Mitte, während sich links und rechts vom Lenkrad zwei große Bildschirme für Fahrerinformationen und die zusätzlichen Kamerabilder der Außenspiegel befinden. Die Zugmaschine des Tesla Semi soll in zwei Versionen mit und ohne Schlafkabine lieferbar sein. Ein Einsatz in Europa ist für 2024 eingeplant und so dürfte beizeiten auch Deutschland als Markt gesetzt sein.

Die US-Preise beginnen aktuell bei rund 150.000 Dollar für die Version mit kleinem Akkupaket, während die 800-km-Version mindestens 180.000 Dollar kostet. Die Zeit für Tesla drängt, denn in den kommenden beiden Jahren planen eine Reihe von internationalen Herstellern, Lastwagen und Zugmaschinen mit Elektro- und Brennstoffzellenantrieben auf den Markt zu bringen, die mit dem Tesla Semi Truck konkurrieren.

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Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff ist Firmeninhaber und Geschäftsführer von press-inform und press-inform consult. Er ist seit frühester Kindheit ausgemachter Autofan. Die Begeisterung für den Journalismus kam etwas später, ist mittlerweile aber genau so tief verwurzelt. Nach Jahren des freien Journalismus gründete der Jurist 1994 das Pressebüro press-inform und 1998 die Beratungsfirma press-inform consult.
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Silverbeard:

Schon gesehen, ein Semi ist innerhalb von 24 Stunden über 1700km gefahren. Das ginge in Deutschland wegen der Nachtruhe natürlich nicht.

Silverbeard:

Futurikon baut Einzelstücke und alles sind Umbauten.
Ich vermute, das Tesla Zellen billiger als andere einkauft.

Silverbeard:

Der cw-Wert spielt für ein LKW eine entscheidende Rolle, weil er den Formfaktor beschreibt

Natürlich ist der cw-Wert wichtig. Es ändert aber trotzdem nichts daran, das der Verbrauch die entscheidende Kennzahl ist.
Egal ob der Wert 0,36, 0,37 oder was auch immer ist, er ist niedriger als bei aktuellen LKW mit Verbrennungsmotor.

Du verhälst Dich beim cw-Wert wie die Stammtischingenieure beim PKW Gewicht. Für die ist das Gewicht des Akkus auch viel wichtiger als der Verbrauch eines E-Autos.

Rene:

El verbieten und bei Diesel bleiben, alles andere sind Wunschvorstellungen.

Smartino:

Du bist ein Schlitzohr!
Boah! 450 mls sind 720 km! Eine ganz schöne Strecke! So lange darf kein Fahrer bolzen ohne Pause!

Patrick:

Super Video!
Das macht Hoffnung, dass es bald auch mit der Elektrifizierung des Schwertransports voran geht.
Danke für den Link!

Kokopelli:

Der Luftwiderstand spielt bei der Geschwindigkeit eins LKW beinahe keine Rolle.“
Du bist so witzig, wirklich…Halt mal bei 85 km/h die Hand aus dem Fenster..Und dann schau dir mal die Stirnfläche (ca. 7 m2) und den cw Wert eines europäischen LKW´s (ca. 0,6) an. Ca. 35 % des Kraftstoffverbrauches macht allein der Luftwiderstand aus.In den USA sogar deutlich mehr, da die Fahrzeuge schneller fahren dürfen als in Europa, je nach Bundesland bis zu 120 km/h. Der Luftwiderstand steigt halt quadratisch mit der Fahrgeschwindigkeit. Eine gute Aerodynamik (Kombination aus Zugmaschine u. Auflieger) kann den Energieverbrauch erheblich reduzieren.

Marc:

Der cw-Wert spielt für ein LKW eine entscheidende Rolle, weil er den Formfaktor beschreibt, während die Stirnfläche bei allen LKW ziemlich gleich ist. Der Luftwiderstand ist das Produkt aus cw-Wert und Stirnfläche.

Tesla hatte ja für den Semi erst 0,35 angegeben, dann 0,36, dann nichts mehr. Es stellte sich heraus, dass die Werte die Karosserieform beschrieben, also ohne Anbauteile und Spiegel. Tesla hat keinen eigenen Kanal, muss also im wesentlichen simulieren. Mercedes dagegen hat eine große Mannschaft von Aerodynamikern und riesige Windkanäle. Da werden die LKW wochenlang mit jedem Equipment und allen Aufbauten geprüft. Mit dem aktuellen Setra Bus haben Sie unlängst ein bemerkenswerten Wert erreicht: cw 0,33. Beim eActros ist es nicht verraten worden, wird aber vermutlich so liegen, dass der Tesla durch die Form im Verbrauch nichts herausholen können wird.

Marc:

Mit Tesla hat es nichts zu tun, dass jetzt schon alle europäischen Hersteller mit Angeboten am Markt sind. Sondern mit ESG. Allerdings sind die meisten Angebote nur bis Mittelstrecke, weil es einfach aktuell keinen Sinn macht, Fahrzeuge mit 1000 kWh Akku bereit zu halten. Es gibt in der Praxis fast nirgends Fahrstrecken dieser Distanz zwischen Depots mit Lademöglichkeit und die Zellen sind noch teuer. Diese Fahrzeuge warten, bis es das Mega-Ladenetz gibt. Das ist das nächste große Ding. Aber die Technik ist fertig entwickelt, da ist also kein Planungsvorlauf mehr nötig. Trotzdem zeigt Iveco schon einmal Bewegung in Richtung Reichweite und erst recht Futuricum als Tochter von Volvo. Volvo Trucks sollte man sagen, das nicht den Chinesen gehört.

Marc:

Tesla hat gar nichts für 500 mls, oh, sorry, ist ja schon auf 450 mls gesenkt worden.

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