Kommentar: Was Bosch Cariad über Software beibringen kann

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Der Präsident von Bosch Nordamerika, Paul Thomas, und Bosch-Vorstandsmitglied Dr. Tanja Rückert sprechen während der Bosch-Pressekonferenz für die Medien anlässlich der CES am Montag, dem 6. Januar 2025, im Mandalay Bay in Las Vegas, Nevada. (Foto: Steve Fecht)

Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 4 min

Bosch hat auf der CES 2025 in Las Vegas aufgezeigt, wie eine klar definierte digitale Strategie aussehen kann. Die von Bosch-Vorstandsmitglied Dr. Tanja Rückert und Paul Thomas, Präsident von Bosch Nordamerika, vorgestellten Prinzipien – Nutzerzentrierung, Offenheit, Vertrauen und Technologie als Ergänzung – verdeutlichen, dass Innovation nicht nur technische Expertise, sondern auch strategische Klarheit erfordert.

Genau daran scheitert die Automobilindustrie aktuell – allen voran Cariad, die Software-Tochter von Volkswagen. Doch wie könnte man es besser machen?

Ein Lehrstück aus Las Vegas

Bosch demonstriert, wie Technologie echte Probleme löst: Ein System wie Wrong Way Driver Warning, das Geisterfahrer:innen erkennt und warnt, zeigt einen klaren Nutzen für den Alltag. Insbesondere, da es durch die Partnerschaft mit Sirius XM Connect Einzug bei Millionen von Fahrer:innen hält und deren Sicherheit steigert.

In der Automobilindustrie bleibt dieser Fokus oft auf der Strecke. Cariad sollte das digitale Herzstück des VW-Konzerns werden und nicht nur Fahrzeugsoftware, sondern auch E-Commerce und digitale Plattformen abdecken. Das Ergebnis: eine überforderte Organisation, die an zu vielen Fronten gleichzeitig kämpft.

Bosch hingegen setzt gezielt Prioritäten. Statt einen „digitalen Blumenstrauß“ zu entwickeln, konzentriert sich das Unternehmen auf ausgewählte, realisierbare Projekte. Die Automobilindustrie könnte hier eine Lektion in Zielsetzung und Realismus lernen. Oder zumindest den Ansatz, Schritt für Schritt voranzuschreiten, und nicht einen Marathon in Sprintgeschwindigkeit absolvieren zu wollen.

Kollaboration statt Isolation

Ein weiteres Kernprinzip von Bosch ist die Offenheit. Partnerschaften mit Amazon, Apple und anderen zeigen, dass der Fortschritt durch Zusammenarbeit beschleunigt wird. Cariad hingegen blieb tief in den Strukturen des VW-Konzerns verhaftet, was Innovationsprozesse verlangsamte. Proprietäre Systeme mögen kurzfristig Kontrolle garantieren, doch sie hemmen langfristig die Entwicklung markenübergreifender Lösungen.

Markenübergreifend wäre es hier schon gewesen, wenn man Türen verstärkt geöffnet hätte und zumindest gefühlt nicht jeder VW-Marke erlaubt hätte, ihr eigenes Software-Süppchen zu kochen. Der Erfolg von Android Automotive bei VW zeigt, dass Offenheit ein notwendiger Schritt ist – doch er kommt spät und bleibt lückenhaft.

Vertrauen als Schlüssel

Softwareprobleme wie fehlerhafte Updates oder instabile Systeme haben nicht nur Projekte bei Cariad verzögert, sondern auch das Vertrauen der Kunden und Konzernmarken in die eigene Software beschädigt. Bosch adressiert genau diesen Punkt: Vertrauensaufbau durch sichere, robuste und erklärbare Systeme.

Die Automobilindustrie müsste hier von Grund auf umdenken. Qualitätssicherung und transparente Kommunikation sind nicht optional, sondern essenziell – vor allem, wenn man eine Führungsrolle in der Mobilität der Zukunft beansprucht. Stichwort: Standortdaten von Hunderttausenden E-Autos einsehbar.

Steve Fecht

Technologie als Ergänzung, nicht als Selbstzweck

Bosch betont, dass Technologie den Menschen unterstützen und nicht ersetzen soll. Dieser Ansatz hat Relevanz für die gesamte Branche: Fahrerassistenzsysteme und automatisiertes Fahren sollten den Fahrer entlasten, aber nicht die Kontrolle vollständig übernehmen. Insbesondere, wenn diese bisher nicht komplett ausgereift erscheinen oder selbst einfachste Over-the-Air-Updates fehlschlagen beziehungsweise die Nerven der Nutzer:innen strapazieren.

Gleichzeitig zeigt Bosch intern, wie KI genutzt werden kann, um Mitarbeiter:innen zu qualifizieren, statt Stellen abzubauen. Auch hier könnte die Automobilindustrie einen Perspektivwechsel gebrauchen – nicht nur in der Außendarstellung, sondern in ihrer gesamten Haltung gegenüber der Digitalisierung. Allerdings gilt es dann auch, sich in der Tiefe mit den Mitarbeiter:innen zu beschäftigen, um zu sehen, wie man diese gezielt weiterentwickelt, deren Wertschöpfung im Unternehmen steigert und dadurch etwaigen Umsatz hebt.

Fazit: Die Autobranche braucht einen Kurswechsel

Die Probleme bei Cariad sind kein Einzelfall, sondern symptomatisch für eine Branche, die versucht, das Tempo der digitalen Transformation mit traditionellen Strukturen und Denkweisen zu bewältigen. Bosch zeigt auf der CES 2025, dass der Weg in die Zukunft nicht nur von Technologie, sondern vor allem von einer klaren Strategie und mutigen Entscheidungen abhängt.

Wenn die Automobilindustrie nicht lernt, ihren Fokus zu schärfen, offen für Kooperationen zu sein und Vertrauen in ihre Systeme aufzubauen, droht sie, den Anschluss zu verlieren. Bosch hat vorgemacht, wie es gehen kann, mit mittlerweile 5000 AI-Expert:innen im eigenen Haus sowie mehr als 1500 Patenten in diesem Bereich. Jetzt liegt es an den Autoherstellern, diesem Beispiel zu folgen, bevor sie endgültig ins Hintertreffen geraten. Oder?


Quelle: Die Hintergründe für diesen Kommentar haben wir bei der Bosch-Pressekonferenz auf der CES in Las Vegas sowie dem daran anschließenden Roundtable mit Paul Thomas erhalten.

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.
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Juppeck:

Ist wohl Ansichtssache oder besser, Erwartungshaltung. Ich persönlich konnte keine Mängel am ID3 feststellen. So ein Info-System im KFZ ist kein Smartphone oder Tablett.

Juppeck:

Was mir nicht in den Kopf will ist, warum in modernen Fahrzeugen so viel unnötiger schnickschnak verbaut werden muss. So ein riesen Display in der Mitte der Konsole finde ich mehr störend als hilfreich. Navigationssystem, Climatronic und ein Radio – mehr braucht es doch gar nicht. Hilfreich ist das Koppeln der Freispechers mit dem Smartphone. Muss denn alles tatsächlich online und permanent / on-Demand verfügbar sein? Gerade die Update-Option „on the Air“ lässt den verdacht aufkommen, dass wie in anderen Bereichen der Digitalisierung, der Betatest am Kunden vollzogen werden soll.
Warum muss ein Hersteller permanent Zugriff auf mein Fahrzeug haben müssen? Bei Premium-Fahrzeugen mag dies sinnvoll sein – deren Kunden zahlen dafür, dass sie sich um nichts kümmern müssen. Aber wohl die meisten Kunden können auf vielen nutzlosen Schnickschnack verzichten.
Natürlich kochen alle Hersteller ihr eigenes Süppchen. Ob dies noch zeitgemäß ist, lass ich mal offen.
Ich würde mir mehr Pragmatismus bezüglich der Ausstattung wünschen. Für viele Nutzer eines KFZ ist es ein Werkzeug und kein Kino, Wohnzimmer oder Statussymbol.

Rolando:

Die Software bei meinem ID3 ist einfach nur grottenschlecht. Die Bedienung und Reaktionszeiten ein Graus. Softwareupdates wie bei Tesla? Fehlanzeige! So wird das nix VW. Ich wusste das die Software nicht gut ist aber das sie so schlecht habe ich erst beim regelmäßigen Gebrauch gemerkt. Zu Glück ist die Karre nur geleast. Im Juni 26 geht die Kiste zurück.

Rudi:

Es kann sein, dass es bisher so abgelaufen ist. Das hat aber weniger mit VW als Technologieunternehmen zu tun. Ich weiß das jetzt nur von VW und kann nicht für andere reden. Es gibt hier politische Interessen, die VW bisher gehindert haben, schneller die Sachen voranzutreiben, obwohl sie das sofort umsetzen könnten. Es sind ja im Moment schon Sachen passiert. Fr. Bettenkober ist zu Cariad gewechselt. Sie kommt aus der Cloudsparte von Amazon. Die Zusammenarbeit mit Rivian wird fokussiert. Es ist ein schmaler Grat, auf dem Weltmarkt. Gerade für deutsche Unternehmen.

Gustav:

Bosch hat genug eigene Probleme, sonst hätten die Deutschen OEM weniger zusammenarbeit mit neuen Playern nötig.

Warum sonst arbeitet VW-AG jetzt mehr z.B. mit Rivian, Xpeng, Hundert, Horizon Robotics oder Mobileye zusammen?
Ist das nicht die Offenheit die Sie hier beschreiben?

Bei VW kann man nur hoffen das det Warnschuss von Herrn Blume geholfen hat. Sonst wird VW noch mehr ins Ausland verlagern.

CarVision:

Ja inder Tat. Ich kenne einige dort. Was die berichten, da muss man sich nicht wundern. Aber man muss halt verstehen, daß gerade dort Strukturen herrschen, die Fortschritt und Innovationen verhindert. Weshalb wir uns auch auf andere Firmen fokussiert haben. Geht dann auch darum Mehrwerte entsprechend zu würdigen und honorieren…..

Dr. Kralle:

Ich kann mir genau vorstellen, wie das Zusammenspiel zwischen dem Volkswagen Konzern und der Cariad abgelaufen ist und noch immer abläuft. Wahrscheinlich genauso gut wie in anderen Konzernen, die ihre IT nur als internen Dienstleister behandelt haben, anstatt Technologie und Fachbereiche zu verschmelzen und gemeinsam dir richtigen Dinge nach vorne zu treiben. Da wurde einfach tief und fest geschlafen. Aber wie gesagt, nur eine Vermutung, da es bei vielen anderen Konzernen ähnlich gelaufen ist.

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