Exklusiver Blick hinter die Kulissen des Batterielabors von General Motors

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General Motors

Stefan Grundhoff
Stefan Grundhoff
  —  Lesedauer 5 min

Nicht die Motoren sind das Herz eines Elektroautos, sondern seine Akkus. Kein Wunder, dass sich bei der Entwicklung von neuen Modellen das meiste um das Batteriepaket dreht, das unsichtbar im Fahrzeugboden seinen harten Alltagsdienst verrichtet. Wir haben hinter die Tore des streng gesicherten Batterielabors von General Motors von Warren geschaut.

Eric Boor ist ein entspannter Typ, der seit Jahren als Senior Operations Manager Battery Systems Lab in Warren arbeitet. Heißt kurz zusammengefasst, dass er genau weiß, was in der gesicherten Einrichtung von Autogigant General Motors rund eine halbe Stunde außerhalb von Detroit vor sich geht. Hier entscheidet sich nicht weniger als die elektrische Zukunft von General Motors. Eric Boor ist heute scheinbar einer von wenigen GM-Mitarbeitern, die dem Homeoffice den Rücken gekehrt haben.

Auf den beiden Großparkplätzen an der Van Dyke Avenue steht gerade einmal eine handvoll Mitarbeiterautos und die Büros sind beinahe menschenleer. Hier in Warren werden die Akkus getestet, lange bevor diese in unsere Elektroautos kommen, erläutert Boor nach kurzer Einweisung in einem der Labore im Erdgeschoss, „wir testen sieben Tage die Woche, 24 Stunden rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr.“ 500 Personen arbeiten normalerweise allein in diesem Teil des Entwicklungszentrums – aktuell augenscheinlich viele von zu Hause, denn es ist ein normaler Mittwoch und keine Pause in Sicht.

„Wir nehmen die Batterien und die Zellen selbst auseinander, fügen diese wieder zusammen, analysieren und testen – immer wieder testen“, wird Boor auf einmal ernster, „die Zelle und die Batterie entscheidet einfach alles bei einem Elektroauto. Wir wollen da nicht hinten dran sein. Daher werden die Module bei uns drei Jahre lang getestet, bevor diese ihren Weg in eines unserer Modelle finden.“ Dabei werden die Batterien nicht nur im Labor unter die Lupe genommen, sondern immer wieder in die Prototypen verfrachtet, die unter jeder der GM-Marken in dreistelliger Zahl durch die ganze Welt gondeln, um Testkilometer zu sammeln.

In einem der nächsten Räume stehen riesige Klimakammern – rund vier mal vier Meter groß und fast sechs Meter lang. In ihnen lässt sich auf Knopfdruck nahezu jedes Klima auf der Erde nachstellen. Die blauen Kammern von CZS Cincinnati sind mit ihrem Mikrokosmos dabei größer als die meisten Garagen. Eric Boor öffnet eine der Doppeltüren und blickt auf ein mächtiges Akkupaket am Boden: „Hier wird gerade unser aktuell größtes Batteriepaket getestet. Das vom GMC Hummer EV wiegt 910 Kilogramm und hat eine Leistung von 208 kWh.“

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In den Klimakästen kann eine Luftfeuchte von 5 bis 95 Prozent und Temperaturen von minus 67 bis plus 89 Grad Celsius nachgestellt werden. Daneben werden die Akkupakete auch in Prototypen im Gelände besonders hart rangenommen, denn gerade offroad darf nichts schiefgehen. Dafür hat sich General Motor eine der größten Rüttelplatten ins eigene Labor geholt, die es weltweit gibt. Ein Zwillingsmodell steht bei Flugzeughersteller Boeing, der damit Triebwerke und Flügelkomponenten bis zu einem Gewicht von fünf Tonnen mit 2.000 Hertz schwingen lässt. Bei GM sind es Akkupakete, die sieben bis 14 Tage in alle Richtungen mit einer Leistung von 1.500 Kilowatt gestresst werden, damit im realen Fahrzeugleben hinterher nichts schief geht.

In der nächsten CZS-Box muss das Batteriepaket des neuen Cadillac Lyriq bei rund 40 Grad Celsius zeigen, was es kann. Beim Blick durch das Panzerglas ist das Akkupaket kaum zu erkennen, dass hier unter Wüstenbedingungen Schwerstarbeit leisten muss. Das 104-kWh-Batteriemodul stammt von Zulieferer LG Chem, wiegt 631 Kilogramm, hat ein Volumen von 534 Litern und besteht aus 288 Zellen. Der Oberklasse-Crossover Lyriq ist einer der großen Hoffnungsträger von Cadillac. Er soll endlich wieder einmal der europäischen Premiumkonkurrenz Paroli bieten und neue Kunden zu der Marke aus Detroit locken. Das soll nicht nur mit Design und Verarbeitung klappen, sondern auch beim Elektroantrieb.

„Anfassen strengstens verboten!“ – die Amerikaner nehmen es genauer als genau mit ihren Warnhinweisen, die überall kleben. An den Klimaboxen darf ohnehin nur arbeiten, wer mit einem orangefarbenen Badge an der Kleidung unterwegs ist. „Es gibt für uns alle hier ein klares Ziel“, wird der gut gelaunte Eric Boor auf einmal wieder ernst, „der Kunde will in acht bis zehn Minuten ein vollgeladenes Elektroauto – wie bei einem Verbrenner. Daran arbeiten wir hier.“

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Doch für die Autohersteller geht es nicht allein um die Kunden, sondern natürlich auch um den eigenen Ertrag. „Eine gemeinsame Zelle ist das A und O beim Elektroauto“, erklärt Tim Grewe als Director of Electrification bei General Motors, „letztlich geht es hier viel um Full-Size-Trucks, weil die das größte Volumen bei uns machen. Aber natürlich ist das Ganze auch wichtig für die autonomen Fahrzeuge. Wir lernen hier im Tech-Center mit jedem Schritt, den wir machen.“ Ultimate heißt das einheitliche Zellformat bei General Motors. „Die Zelle ist die DNA eines Elektroautos“, legt Tim Grewe nach, „die Höhe der Zelle wird bei uns von den SUV und Pick-Ups festgelegt.“

Um schnell zu reagieren und keine Reibungsverluste zu erleiden, ist Zulieferer LG Chem bei General Motors direkt an der Zellerprobung beteiligt und arbeitet im Batterielabor in Warren vor Ort mit. Das neue Aushängeschild des Cadillac Lyriq mit seinem 104-kWh-Akkupaket bietet eine Akkuleistung von 620 Watt pro Liter. „Langfristig sind das 850 oder sogar bis zu 1.100 Watt drin“, freut sich Grewe, „dann werden die Akkus kleiner und natürlich auch leichter. Das ist auch wichtig für die Kosten.“ Muss es wie beim gigantischen GMC Hummer EV etwas mehr Akkukapazität sein, so werden schon einmal zwei Pakete übereinandergestapelt. Betrieben wird das gigantische Elektrofahrzeug mit 400 Volt – geladen mit 800 Volt, damit dies so schnell wie möglich geschieht.

Schmunzeln muss Tim Grewe, wenn er immer wieder hört, dass es bei den Akkus keine beweglichen Teile gibt, letztlich jedoch 25 Kilogramm Lithium in den Batterien bewegt werden, um die Energie für den Vortrieb des Elektroautos abzurufen. Die Entwicklungen im Bereich der Akkutechnik schreiten mit Hochgeschwindigkeit voran – nicht nur bei General Motors und gerade bei den großen Zulieferern. Im Vergleich zum Akkupaket des Chevrolet Bolt aus dem Jahre 2016 ist das Gewicht um 40 Prozent gesunken – gerade auch wegen der Entwicklungen in Warren. Daran, dass es mit Hochdruck weitergeht, wird in Warren Tag und Nacht gearbeitet – bald vielleicht auch wieder nicht nur von zu Hause.

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Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff ist Firmeninhaber und Geschäftsführer von press-inform und press-inform consult. Er ist seit frühester Kindheit ausgemachter Autofan. Die Begeisterung für den Journalismus kam etwas später, ist mittlerweile aber genau so tief verwurzelt. Nach Jahren des freien Journalismus gründete der Jurist 1994 das Pressebüro press-inform und 1998 die Beratungsfirma press-inform consult.
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S. Eckardt:

Die Energiedichte – z.B. Wh pro Liter – ist schon eine wesentliche Kenngröße und sagt, wieviel Energie ich von einem bestimmten Akku bei einem bestimmten Volumen nach Voll-Ladung herausbekommen kann.
Die Entladung kann mit geringem Strom erfolgen, das ergibt eine geringe Entladeleistung. (Beim Laden umgekehrt „Ladeleistung“). Je höher der Strom ist, mit dem der Akku geladen/entladen wird, desto mehr Wärme entsteht dabei im Akku. Es gibt einen bestimmten maximalen Dauer-Strom, bei der die entstehende Wärme so groß wird, dass der Akku gerade noch nicht überhitzt (geschädigt wird und dann kaputt geht, brennt oder die Lebensdauer einbricht) … und das wäre dann die „Akkuleistung“. Durch geeignete Konstruktion oder externe Kühlung kann die Wärme besser aus dem Körper „Akku“ abgeführt werden, was dann einen höheren Dauerstrom in diesem Körper ermöglicht und damit eine höhere Akkuleistung in diesem Volumen erlaubt.
Die „Akkuleistung pro Volumen“ beschreibt also diese Situation.

Das „Problem“ ist ein altes in der Elektrotechnik/Elektronik. Widerstände mit dem gleichen Nennwert gibt es für große Leistungen in größerer Baugröße und für kleinere Leistung entsprechend kleiner. Entscheidend ist immer, dass die entstehende Wärme nicht so groß wird, dass das Bauelement zerstört wird.

UND:
Leider werden die Begriffe Leistung und Energie häufig verwechselt bzw. ist vielen deren Zusammenhang und Unterschied nicht klar. Was zu Mißverständnissen führt.

Jakob Sperling:

Wirklich „Akkuleistung von 620 Watt pro Liter“?
Die Leistung pro Liter ist nicht so interessant und wird selten angegeben.
Nicht eher „Energiedichte des Akku von 620 Watt-Stunden (Wh) pro Liter“?

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