Auto-Funktionen im Abo? Für China spannend, in Europa unbeliebt

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Daniel Krenzer
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  —  Lesedauer 3 min

50 Stundenkilometer mehr Höchstgeschwindigkeit für 19,99 Euro im Monat, die Massagefunktion im Fahrersitz für 2,99 Euro pro 30 Minuten, autonomes Fahren um ein Level höher für 99 Euro pro Woche – was für mitteleuropäisches Verständnis von Autos (noch) befremdlich wirkt, wird in China bereits intensiver betrieben und positiver aufgenommen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gespräch der Automobilwoche-Redaktion mit Experten für den deutschen und chinesischen Automarkt mit Blick auf solche digitalen Geschäftsmodelle.

Von Smartphone-Apps kennt man dieses Modell ja schon: Wer alle oder bestimmte Funktionen nutzen möchte, der muss dafür draufzahlen. Auch Automobilhersteller wagen immer wieder solche Angebote. In deutschen Kommentarspalten diverser sozialer Medien wird sich darüber in schöner Regelmäßigkeit in Verachtung ausgetobt.

Wissenschaftler Andreas Herrmann, Direktor des Instituts für Mobilität in St. Gallen, sieht darin für Automobilhersteller vor allem Luftschlösser. „Es gibt so gut wie keine digitalen Geschäftsmodelle mit dem Konsumenten, die funktionieren“, sagte er der Automobilwoche. Die bisherigen Versuche erachte er als gescheitert. Das liege zum einen an den Herstellern selbst, die wenig Interesse an alternativen Vermarktungsstrategien hätten. Zudem herrsche bei digitalen Dienstleistungen bei den Kunden eine Gratis-Mentalität.

Chinesische Autokäufer im Schnitt jünger

Zheng Han, Inhaber des Lehrstuhls für Innovation und Unternehmertum an der Tongji Universität in Schanghai, berichtet mit Blick auf die chinesischen Hersteller aber etwas anderes: „Man sieht klar, dass dieses Geschäftsmodell nicht mehr experimentell ist, sondern sich zunehmend als fester Bestandteil der Produktstrategie etabliert hat“, führte er im Gespräch mit der Automobilwoche aus. Dabei würden sich vor allem Abo-Modelle durchsetzen, die wie oben beschrieben für eine definierte Zeit freigeschaltet werden können – zum Beispiel für eine längere Urlaubsfahrt.

Zwar verdienen seiner Einschätzung nach die Hersteller damit noch kein Geld – schließlich muss die Funktion ja grundsätzlich dennoch im Auto verbaut werden, um sie freischalten zu können. „Die Dienstleistung selbst ist nicht profitabel, soll aber Kunden langfristig binden, Daten für künftige Geschäftsmodelle generieren und Differenzierung gegenüber anderen Herstellern schaffen“, sagte Han.

In China seien kostenpflichtige Updates weit verbreitet und gesellschaftlich weitestgehend akzeptiert, vor allem bei der jüngeren Generation, die bei Autokäufern in China eine deutlich stärkere Bedeutung hat als beispielsweise in Deutschland. In Europa herrsche da deutlich mehr Zurückhaltung, was Han so erklärt: „Viele Konsumenten erwarten, dass Kernfunktionen im Fahrzeugpreis enthalten sind, und stehen Abo-Modellen kritisch gegenüber – besonders, wenn der Nutzen nicht klar ersichtlich ist.“ Auch Datenschutzbedenken spielten in Europa stärker eine Rolle.

Doch wie Herrmann erläuterte, gebe es in anderen Bereichen auch in Europa durchaus die Bereitschaft, solche digitalen Zusatzdienste zu buchen. Er verweist dabei auf den Werkzeughersteller Hilti aus Lichtenstein. Dieser biete seinen Kunden die Möglichkeit einer Fernwartung und -analyse zur Fehlerbehebung und Optimierung, die als Flatrate wohl durchaus von Kunden gerne genutzt werde.

Quelle: Automobilwoche – Digitale Geschäftsmodelle: „In China zählt die Innovation, in Europa der Nutzen“

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Daniel Krenzer

Daniel Krenzer

Daniel Krenzer ist als studierter Verkehrsgeograf und gelernter Redakteur seit mehr als zehn Jahren auch als journalistischer Autotester mit Fokus auf alternative Antriebe aktiv und hat sich zudem 2022 zum IHK-zertifizierten Berater für E-Mobilität und alternative Antriebe ausbilden lassen.

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Steven B.:

Die Idee, grundlegende Fahrzeugfunktionen wie Höchstgeschwindigkeit, Sitzkomfort oder Fahrassistenzsysteme nur gegen Aufpreis freizuschalten, obwohl die Technik bereits im Auto verbaut ist, wirkt auf mich wie eine künstliche Einschränkung und ein Rückschritt in der Kundenorientierung. Solche Abo-Modelle mögen in anderen Märkten funktionieren, aber im mitteleuropäischen Kontext untergraben sie das Vertrauen in die Marke und das Produkt. Wer ein Auto kauft, erwartet, dass es vollständig nutzbar ist – ohne nachträgliche Bezahlschranken für Funktionen, die technisch längst vorhanden sind. Statt echter Innovation entsteht hier der Eindruck, dass Hersteller versuchen, aus bereits bezahlter Hardware doppelten Profit zu schlagen. Das ist weder kundenfreundlich noch zukunftsweisend.

Daniel Krenzer:

Sprachlich ist das hier fluffiger, für Sie physikalisch korrekt aber gerne Kilometer pro Stunde!

Andre:

Stundenkilometer? Seriously?

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