ABB: „Der Kunde will mehr als nur Strom aus der Dose“

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ABB E-mobility

Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 4 min

In der aktuellen Podcast-Folge habe ich mit Michael Bültmann gesprochen, dem Geschäftsführer von ABB E-mobility – und es war ein spannender und tiefgehender Austausch über die strategischen Herausforderungen, technologischen Entwicklungen und Zukunftspläne rund um Ladeinfrastruktur für E-Autos und E-Nutzfahrzeuge. ABB ist mit weltweit über 55.000 ausgelieferten Ladestationen längst ein relevanter Player im Markt – und stellt sich mit einem neuen, modularen Produktportfolio noch breiter auf.

Michael hat gleich zu Beginn deutlich gemacht, dass man sich bei ABB E-mobility von den Bedürfnissen der Kunden leiten lässt. „Die Anforderungen von Pkw-Fahrern und Logistikunternehmen unterscheiden sich massiv – darauf müssen wir reagieren, sonst läuft man am Markt vorbei.“ Herausgekommen ist eine modulare Plattformstruktur, auf der Ladestationen wie die A200, A300 und A400 aufbauen. Damit lassen sich je nach Anwendungsfall passende Ladeleistungen und Ausstattungen kombinieren. Für Betreiber bedeutet das: mehr Skalierbarkeit, geringere Investitionsrisiken und vereinfachte Wartung.

Ein zentraler Punkt ist dabei auch das Energiemanagement. ABB setzt zunehmend auf intelligente Systeme, die Lastspitzen vermeiden, günstige Ladefenster automatisch erkennen und mit Energiespeichern oder Netzdienstleistungen verknüpft werden können. „Die Zeit, in der man einfach eine Steckdose aufgestellt hat, ist vorbei. Ladelösungen sind heute Teil komplexer Logistik- und Energiekonzepte“, so Michael. Gerade in der Logistik – mit steigender Zahl an E-Lkw – sind solche durchdachten Systeme essenziell, um den Betrieb effizient und wirtschaftlich zu gestalten.

Ein Beispiel dafür ist der neue C50 Charger, speziell für den Einzelhandel und die Gastronomie konzipiert. Mit seiner 50-kW-Ladeleistung eignet er sich perfekt für das Laden während des Einkaufs oder Restaurantbesuchs. „Man kann die Ladezeit in den Alltag integrieren – und für Retailer bedeutet das längere Verweildauer, mehr Umsatz und die Möglichkeit, eigene Kundenbindungsprogramme zu integrieren“, so Michael. Auch die technische Integration sei flexibel – von der einfachen Einbindung bis hin zu komplexeren API-Lösungen in bestehende Systeme.

Beim Thema Megawatt-Charging wurde es dann richtig konkret. ABB arbeitet hier eng mit MAN und weiteren Partnern an standardisierten Lösungen für den Schwerlastverkehr. „Es geht nicht um ein Wettrennen um die höchste Ladeleistung, sondern um Sinnhaftigkeit. Auf Fernstrecken brauchen wir Ladepunkte, die innerhalb von 45 Minuten mehrere hundert Kilometer Reichweite ermöglichen – nur so funktioniert elektrischer Langstreckentransport.“ Noch 2025 sollen erste kommerzielle Projekte an den Start gehen, unterstützt durch standardisierte Schnittstellen und Netzanschlusslösungen.

Natürlich bringt all das auch Herausforderungen mit sich – von der Netzanbindung über hohe Anfangsinvestitionen bis hin zu politischen Unsicherheiten. Michael betonte aber: „Was wir brauchen, ist Verlässlichkeit. Es bringt nichts, wenn Programme erst angekündigt und dann wieder gestrichen werden. Investoren und Betreiber brauchen Planungssicherheit.“ Dabei gehe es nicht um einen dauerhaften subventionierten Markt, sondern um eine Anschubhilfe für Technologien, die sich langfristig selbst tragen müssen.

Auch der Wettbewerb aus Asien wurde im Gespräch thematisiert. Michael sieht die chinesischen Anbieter im Ladeinfrastrukturbereich zunehmend auf den europäischen Markt drängen – mit gutem Engineering, aber auch teils nicht marktwirtschaftlichen Preisstrukturen. „Wir scheuen den Wettbewerb nicht – aber er muss fair sein. Wir hoffen, dass Politik und Wirtschaft hier zusammenarbeiten, um europäische Hersteller nicht ins Hintertreffen geraten zu lassen.“ Gerade die enge Zusammenarbeit mit europäischen Fahrzeugherstellern sei ein Vorteil: Im Zusammenspiel mit Partnern wie MAN bei der Entwicklung von Megawatt-Standards oder durch frühe Integration in Logistikprozesse könne ABB seine Stärken ausspielen. „Echte Fortschritte entstehen, wenn man mit den Kunden gemeinsam denkt, nicht nur Technik liefert.“

Das Gespräch hat mir nochmal gezeigt, wie weit Ladeinfrastruktur mittlerweile gedacht werden muss: als digitales, skalierbares System, tief integriert in Energie- und Mobilitätsstrategien – und als Schlüsselfaktor für die Zukunft des elektrifizierten Verkehrs. Nun aber genug der Vorrede – lasst uns direkt ins Gespräch einsteigen.

Gerne kannst du mir Fragen zur E-Mobilität, die dich im Alltag beschäftigen, per Mail zukommen lassen. Die Antwort darauf könnte für andere Hörer des Podcasts ebenfalls von Interesse sein. Wie immer gilt: Über Kritik, Kommentare und Co. freue ich mich natürlich. Also gerne melden, auch für etwaige Themenvorschläge. Und über eine positive Bewertung beim Podcast-Anbieter deiner Wahl freue ich mich natürlich auch sehr! Danke.

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.
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Kirk:

Allein:
Wenn ich das Wort „…..ERLEBNIS“ in solch einem Zusammenhang lese, kommt mir das Essen von Vorgestern hoch. Heut zu Tage muss jeder notwendige Vorgang ein Erlebnis sein.

Wenn ich unterwegs bin habe ich ein Ziel. Um dieses zu erreichen muss ich ggf. Strom nachladen. Und dieser Vorgang soll möglichst wenig kosten und schnell gehen – wenn dann noch ein WC in der Nähe ist und die Ladesäule(n) überdacht ist (sind) ist dieser Vorgang für mich „ERLEBNIS“ genug.

Gastschreiber:

Ich weiß das nicht und ich habe auch freie Säulen gesehen und erlebt in der Zeit. Also wieder einmal eine eher übertriebene Form der Verallgemeinerung.
Leider geht der Artikel zu wenig auf die Zielgruppe ein, die man mit diesen 50kW Ladern ansprechen möchte, Einkaufs- und Restauranterlebnis ist etwas allgemein. Ich kenne aktuell die Discounter, die haben schon HPC oder bauen vielerorts aus und viele Destinationcharger die sind 11/22kW.
Liegt es an der Netzanbindung oder warum ist hier ein Markt für diese Ladeleistung?
Herausforderungen sehe ich am Stromtarif, lokale Anbieter waren bei mir bisher die einzigen Säulen, an denen meine Roamingkarte nicht funktioniert hatte, arbeitet man dann mit Vouchern, nach dem Motto, nimm Nachtisch und Du bekommt 10kWh gratis oder ab einem Einkaufswert von 50€ kostet die kWh nur 29ct wie läuft das?

Gregor:

nein, du willst ein LADEERLEBNIS… :D

Philipp:

Bei Gastro- und Einzelhandelskunden ist doch das Problem: Sind es attraktive Preise, sind „Fremdlader“ dauernd blockierend an der Säule, sind die Preise zu hoch, kommt gar kein Kunde an die Säule. Das weiß noch jeder, als es bei diesen Kundengruppen kostenlos zu laden gab, nur „schnorrende“ Endkunden.

Ich als Endkunde habe aber wirklich nur einen Antrieb: „Ich will ausschließlich Strom aus der Dose“

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